Brennweitenvergleich bei Portraitaufnahmen | Teil 2
In meinem letzten Blogbeitrag habe ich unterschiedliche Festbrennweiten für Portraitaufnahmen verglichen. Auch in diesem Beitrag soll es um einen Brennweitenvergleich gehen. Im ersten Teil haben wir bereits feststellen können, dass sehr weitwinkelige Brennweiten wie 20mm und 24mm nicht sehr „schönend“ sind, so vergleiche ich hier nun das 35mm mit dem 135mm.
Hauptsächlich vergleiche ich dabei aber die leicht weitwinkeligen 35mm mit den 135mm, einfach um den deutlicheren Vergleich zeigen zu können und um zu veranschaulichen, dass ein leichtes Weitwinkel bei Portraitaufnahmen durchaus gut eingesetzt werden kann.
Da bei Portraitaufnahmen bekanntlich gerne mit der Tiefenschärfe gespielt wird, damit sich die Person besser vom Hintergrund abhebt, habe ich alle Fotografien mit Blende F1,8 aufgenommen, da dies die kleinste Blende vom 135mm ist. Die anderen beiden Objektive haben als kleinste Blende zwar F1,4, aber dann wäre in meinen Augen der Vergleich des Bokehs nicht fair.
In meiner Ausbildung habe ich zwar gelernt, dass man jedes Objektiv um zwei Blenden abblenden sollte, um die optimale Abbildungsleistung zu erreichen, aber was wäre dies für ein Test, wenn ich nicht mit den Grenzen eines Objektives arbeite?
Grundbegriffe
Bevor ich weiter auf den Vergleich eingehe, möchte ich kurz zwei Begriffe erläutern: das Bokeh und die Tiefenschärfe. Das Wort Bokeh stammt aus dem japanischen und bedeutet unscharf, verschwommen. Damit wird die Qualität eines Unschärfebereichs und nicht die Stärke der Unschärfe beschrieben. Die Tiefenschärfe bzw. Schärfentiefe (beide Begriffe sind korrekt, auch wenn darüber oft diskutiert wird) wiederum beschreibt die Ausdehnung der Schärfe in einem Bild. Mit einer kleinen Tiefenschärfe wird nur ein kleiner Teil des Bildes scharf abgebildet (je nach Fokussierung z.B. die Augen) und alles davor und dahinter wird unscharf dargestellt.
Für ein schönes Spiel mit der kleinen Tiefenschärfe wird mehr benötigt als eine große Blendenöffnung (kleiner Blendenwert). Zusätzlich spielt auch die Brennweite, sowie der Abstand vom Motiv und der Abbildungsmaßstab eine große Rolle. Je größer die Brennweite desto weniger Tiefenschärfe, desto unschärfer wird der Hintergrund und umso näher der Abstand zum Motiv, desto geringer fällt die Tiefenschärfe aus.
Die kleine Blende ist durch meine identische Kameraeinstellung die Grundlage bei allen Aufnahmen. Dementsprechend spannend wird der Vergleich bezogen auf die Brennweite, da das 35mm ein leicht weitwinkeliges Objektiv, also eine kürzere Brennweite, und das 135mm eine deutlich längere Brennweite ist. Je nach Darstellung meines Motives verändert sich auch der Aufnahmeabstand und dementsprechend wird das Bokeh beeinflusst.
Bitte berücksichtigt, alle Aufnahmen dieser Serie sind bearbeitet. Aber es wurde nichts an den Bildausschnitten oder an der Wirkung des Bokehs verändert, lediglich eine Hautretusche wurde angewendet, sowie ein Farblook mit einer leichten Vignettierung.
Ganzkörperaufnahmen
Anfangen möchte ich diesen Vergleich mit Ganzkörperaufnahmen. Bei beiden Aufnahmen fällt auf, dass eine gewisse Unschärfe im Hintergrund vorhanden ist, die bei beiden Optiken aber relativ ähnlich ausfällt und das obwohl wir beim 135mm eine deutlich längere Brennweite haben. Aber da sieht man, wie stark der Aufnahmeabstand zum Objekt Einfluss auf die Tiefenschärfe ausübt.
Während ich beim Verwenden des 135mm einen sehr großen Abstand zum Model hatte, hatte ich einen deutlich geringeren Abstand zum Model beim Verwenden des 35mm. Dies empfand ich als deutlich angenehmer, denn dadurch sind mir Details viel eher aufgefallen, sodass ich eingreifen konnte, wenn etwas nicht perfekt lag oder im Bild störte. Genauso wird durch Verwenden des leichten Weitwinkels mehr von der Umgebung aufgenommen, wodurch das Bild mehr Stimmung vermittelt und die Aufnahme auch durch das Spiel mit der Perspektive spannender wird. Die Aufnahme mit dem 135mm ist auch sehr schön, aber im Verhältnis deutlich unspannender.
Close-ups
Viel spannender sind die Unterschiede bei den Close-ups, also den Nahaufnahmen von einem Gesicht. Bei dem 35mm muss man allerdings berücksichtigen, dass man richtige Nahaufnahmen aufgrund der Naheinstellgrenze nicht so gut erstellen kann und man dabei auch mit für ein Weitwinkel typischen Verzerrungen rechnen muss, die keinem Model schmeichelt. Deswegen seht ihr in diesem Vergleich vom 35er kein richtiges Close-up. Damit es fair bleibt, folgt im direkten Vergleich auch kein Close-up vom 135er. Bei beiden Aufnahmen fällt auf, dass der Hintergrund ungefähr eine ähnlich starke Unschärfe aufweist und somit beide Optiken für diesen Verwendungszweck sehr gut zu gebrauchen sind.
Wenn man aber richtige Close-ups erstellen möchte, erzielt man diese mit dem 135mm unglaublich gut. Besonders bemerkenswert ist dabei die Ausdehnung der Tiefenschärfe. Wenn man das Bild in groß betrachtet, wird auffallen, dass bei offener Blende die Augen komplett scharf abgebildet werden und bereits am Mund eine Unschärfe beginnt, sich hinten über die Haare und Ohren steigert und dann den Hintergrund richtig verschwimmen lässt, welches in meinen Augen ein spannendes Spiel mit der Tiefenschärfe ist.
Fazit
Auch wenn ich in diesem Bericht nur zwei Brennweiten verglichen habe, lässt dies trotzdem auch Rückschlüsse auf alle Brennweiten zu, die dazwischen liegen. Umso weitwinkeliger das Objektiv ist, umso mehr Umgebung kann man mit aufnehmen, was für Image- und Lifestyleaufnahmen, sowie Street-, und Fashionfotografie sehr spannend ist. Berücksichtigen muss man aber, dass umso größer das Model abgebildet wird, umso größer auch die Wahrscheinlichkeit einer Verzerrung ist.
Dafür sind längere Brennweiten unglaublich gut für Close-ups beziehungsweise klassische Portraits oder Beauty-Aufnahmen. Allerdings sollte man da sehr genau auf die Fokussierung achten, damit das Bild an den richtigen Stellen scharf ist. Und berücksichtigen sollte man zusätzlich, dass ein schönes Bokeh, beziehungsweise eine starke Tiefenschärfe, nicht nur durch die Blende und der Brennweite beeinflusst wird, sondern auch durch den Aufnahmeabstand und dem Abbildungsmaß des Models.
Verwendete Objektive
Die Autorin
Die gelernte Fotografin Antonia arbeitet im Marketing Team der SIGMA (Deutschland) GmbH und unterstützt zusätzlich mit ihrem fotografischen Fachwissen und neuen, inspirierenden Ideen. Nach 10 Jahren als Studioleitung und Fotografin in einem Portraitstudio setzt sie heute gerne aufwändige Projekte verschiedener Stilrichtungen um und fotografiert am liebsten Portraits, Familienaufnahmen und Hochzeiten in der Natur.