
Die Erweiterung deiner Möglichkeiten: Das 200mm F2 DG OS | Sports
Lange ist es her, dass ein Objektiv mit 200mm und einer Offenblende von 2.0 auf den Markt kam. Für spiegellose Systemkameras gab es bis dato noch gar keine direkt montierbare Lösung. Bestand die letzten Jahre kein Bedarf an solchen Objektiven? Ist es ein evtl. zu spezielles Nischenobjektiv, für welches sich nur Hallensport-Fotografen begeistern können? Welche Motive fotografiert man mit einem solchen Objektiv sonst noch und was macht den besonderen Bildlook aus? Fragen die mir ein Test des neuen 200mm F2 DG OS | Sports beantworten sollte.
Mich persönlich faszinieren Objektive, die einen Bildlook ermöglichen, der weit weg von unserer Sehgewohnheit liegt. Neben den Weitwinkelobjektiven sind das vor allem die Teleobjektive. Gepaart mit einer sehr guten Lichtstärke eröffnen sich neue und spannende Bildwelten, die uns auch bekannte Motive neu in Szene setzen lassen. Der Physik sind hier natürlich Grenzen gesetzt und nicht jede Brennweite lässt sich sinnvoll mit jeder Lichtstärke kombinieren. Blende 2.0 bei 200mm sind brachial und ich war äußerst positiv überrascht von dem Gewicht und der Kompaktheit des Gehäuses, welches diese Werte im 200mm miteinander vereint.


Perfekt ausbalanciert liegt der Schwerpunkt des Objektivs ziemlich genau über dem Fuß der Stativschelle, der natürlich wie bei Sigma üblich über eine Arca-Swiss-Fräsung verfügt und so für die meisten Stativmontierungen ohne Adapterplatte direkt nutzbar ist. Von hier ist mit dem Daumen der linken Hand alles gut erreichbar. Ob ein Wechsel der Fokussiermethode, der Begrenzung des Fokusbereiches, der Wahl unterschiedlicher Bildstabilisierungsmodi oder die Funktionsänderung der Custom-Tasten, mit etwas Übung lassen sich diese Einstellung ändern, ohne den Sucher vom Auge zu nehmen. Auch der breite und zur optimalen, haptischen Auffindbarkeit gestufte Fokusring und der auf Wunsch „entklickbare“ und arretierbare Blendensteuerungsring laufen äußerst satt und präzise. Alles ist dort, wo man es intuitiv vermuten würde, und das lässt das Handling des mit ca. 1800 Gramm knapp unter der 2 Kilo-Marke liegende 200mm zum Kinderspiel werden. Also ab damit in den Fotorucksack – wo es übrigens einsatzbereit, also mit richtigrum montierter Gegenlichtblende und angesetzter Kamera auch in kleineren Rucksäcken locker Platz findet – und auf zum ersten Wildlife-Test.
Zugegeben, 200mm wird Vielen für die Wildlife-Fotografie zu wenig erscheinen. In Regionen, in denen etwas größere Wildtiere den Menschen gewöhnt sind und wenn man ohnehin die Tiere gerne in ihrem Lebensraum zeigen will, ist es für mich jedoch die ideale Brennweite. Die Bokehwirkung durch die Offenblende von f2.0 ist im Vergleich zu einer Blendenstufe schwächeren 200mm-Objektiven mit f2.8 spürbar weicher. Auch wenn sich der Unterschied auf dem Papier nach wenig anhört: Eine Blendenstufe ist eben eine Blendenstufe. Und nebenbei bemerkt bedeutet dies natürlich doppelt so viel Licht, was sich in halb so viel ISO oder verdoppelter Verschlusszeit niederschlägt. Schon vor Sonnenaufgang zur blauen Stunde musste ich dadurch bei den Alpengämsen mit der zur Verfügung stehenden Offenblende von 2.0 bei der Wahl des ISO-Wertes und der Verschlusszeit keine Kompromisse eingehen und selbst bei schwachem, diffusem Licht zum Sonnenaufgang ließen sich problemlos High-Keys realisieren. Wird es dann doch mal zu hell für das Arbeiten mit Offenblende, lassen sich dank 105mm Frontgewinde auch z.B. Graufilter montieren, was vom Handling deutlich angenehmer ist, als die Filternutzung über eine im Bajonettbereich liegende Filterschublade, wie sie bei vergleichbaren Objektiven meist zu finden ist.


Die Darstellung der Bildbereiche außerhalb der Fokusebene fällt – wie zu erwarten – sehr angenehm weich und zart aus. Ein Bokeh, wie ich es mir Wünsche und liebe. Was mich sehr positiv überrascht hat, war jedoch die Schärfe in der Fokusebene bei F2.0. Die Detailschärfe und die Feinzeichnung gepaart mit der Isolierung vom Vorder- und Hintergrund sind atemberaubend. Ich hatte schon lange kein offenblendig unscharfes Objektiv mehr in der Hand und alle neuen Objektive sind hier top, aber das hier ist eine neue Liga und liegt im Bereich lichtstarker Superteles wie beispielsweise meinem 400mm F2.8. Insbesondere deswegen war ich überrascht, dass das 200mm F2.0 nicht über die Möglichkeit verfügt, einen Telekonverter zu montieren. Gerade eine so kompromisslos scharfe und extrem lichtstarke Tele-Festbrennweiten hätte davon profitiert. Profi-Sportfotografen, die meist keine Zeit zum Objektivwechsel haben und auf ihrem zweiten Kameragehäuse ohnehin ein 400mm F2.8 montiert haben, wird das nicht sonderlich stören. Für mich war hierbei besonders interessant herauszufinden, ob ich bei kleineren Motiven mit der Naheinstellgrenze von 170cm und ohne Telekonverter zu sinnvollen Bildideen komme, also ging es für den weiteren Test von den Bergen ans Wasser.



Eine Möglichkeit den Fokus nicht nur auf Distanz, sondern auch im Nahbereich zu begrenzen, ist im Schilf- und Gräserdickicht bei den Prachtlibellen besonders wichtig. So bleibt der Fokus bei der Libelle auf ihrer Sitzwarte und rauscht nicht durch zu den auf der Wasseroberfläche tanzenden Lichtreflexen. Wenn die männlichen Prachtlibellen nach ihren kurzen Erkundungsflügen wieder zu ihrem Grashalm zurückkehren, erwischt der super schnelle und vor allem präzise Autofokus das Motiv direkt. Gerade bei einer so hauchdünnen Schärfeebene bei Offenblende, im Telebereich an der Naheinstellgrenze, ist die Präzision des Autofokus das A und O. Der HLA-Antrieb liefert hier einen Treffer nach dem nächsten und die Abbildungsleistung kann – wenn auch natürlich nicht vom Abbildungsmaßstab – mit Makro-Objektiven problemlos mithalten. Dank der Kombination aus komprimierter Bildwirkung durch die Telebrennweite und die extreme Lichtstärke durch die Offenblende von 2.0 sind die Unschärfekreise von Lichtreflexen aus dem Hintergrund immer ausreichend groß und dank der 11 Blendenlamellen ansprechend rund. Der enge Bildwinkel sorgt außerdem für einen aufgeräumten Bildlook, da ich mich bei der Komposition nicht mit mehreren Lichtreflexen arrangieren muss, sondern mich ganz selektiv auf einzelne Reflexe oder eben homogenere Hintergründe konzentrieren kann.



Egal aus welchem fotografischen Genre du kommst, wenn deine Bildideen von einem samtigen Bokeh, einer komprimierten, klaren Bildaussage und einer atemberaubenden Detailschärfe profitieren und du hierfür einen schnellen Autofokus und kurze Verschlusszeiten bei niedriger ISO für deine flüchtigen Motive in schwierigen Lichtbedingungen benötigst, wird es schwer, einen Weg vorbei am 200mm F2 DG OS zu finden. Ich bin extrem froh, dass diese vermeintliche Nische nun geschlossen wurde und dieser einzigartige Bildlook nun auch für spiegellose Kameras der L-Mount Alliance und Sony-E zur Verfügung steht.
Verwendetes Objektiv:
Der Autor
Daniel Spohn, Jahrgang 1981, ist als Fotograf und Biologe weltweit auf der Suche nach einzigartigen und spannenden Geschichten.
Portfolio | Instagram | Facebook: Daniel Spohn & Natur im Fokus | Webseiten: www.naturimfokus.com & www.danielspohn.de
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