
Blende und PS – Eintauchen in die Welt des Motorsports
Sich bei der Motorsportfotografie kreativ austoben zu können, ist normalerweise den professionellen Sportfotografen mit entsprechender Akkreditierung vorbehalten, denn von den offiziellen Besucherplätzen sind meist keine sinnvollen Bildideen zu realisieren. Anders sieht es beim mindestens genauso spektakulären und mit viel Herzblut betriebenen Amateurmotorsport aus. Besonders fasziniert mich die Kategorie der „Bergrennen“, bei der sich meist aufwändig umgebaute Fahrzeuge unserer Kindheit und Jugend in Einzelzeitfahrten gegen die Stoppuhr messen. Die Nähe zur Strecke, zu den Fahrer, den Rennwagen im Fahrerlager – die in gewisser Weise familiäre Atmosphäre – macht den Bergrennsport zu einem intensiven Erlebnis für mich und meine Kamera. Wie ich bei solch einer Motorsport-Reportage vorgehe, möchte ich dir hier näherbringen.
Vorbereitung ist alles
Ein Tag – oder besser ein ganzes Wochenende – an der Rennstrecke eines Internationalen Bergrennens ist anstrengend. Eine enge, kurvige und steile Landstraße wird für diesen Zweck gesperrt und mit allerhand Sicherheitsvorkehrungen und Streckenposten zur Rennstrecke umfunktioniert. In einzeln gewerteten Rennläufen auf Zeit geht es bergauf zum Ziel. Kein Berg ohne Höhenmeter und obwohl ich auf alles vorbereitet sein möchte, will ich keinen unnötig schweren Fotorucksack mit mir schleppen. Was muss also mit?
Fangen wir unten an. Die Einblicke ins Fahrerlager, die dort stattfindenden Rennvorbereitungen an den Wagen und die Details der in liebevoller Kleinarbeit aufgebauten Rennboliden lassen sich sehr gut mit einem Weiwinkelobjektiv einfangen. Idealerweise sollte es lichtstark sein, um auch etwas mit der Schärfentiefe spielen und Details in Szene setzen zu können. Hierfür nutze ich gerne das 16-28mm F2.8 DG DN | Contemporary oder das 28-105mm F2.8 DG DN | Art als Allrounder. Der automatisch entstehende Fluchtpunkt durch das Weitwinkelobjektiv verleiht den Bildern eine interessante Sogwirkung. Im Einklang mit der spektakulären Linienführung der Rennwagen lassen sich so überzeugende Bilder einfangen.



Einen völlig anderen Bildlook erhalte ich am langen Ende des 28-105mm F2.8 DG DN | Art oder durch das 70-200mm F2.8 DG DN OS | Sports oder auch ein Portraitobjektiv wie das 135mm F1.8 DG HSM | Art. Durch die leichte Telebrennweite kann ich den Trubel im Fahrerlager oder bei der Rückführung eines Rennlaufes durchs Starterfeld komprimieren und durch die überragende Freistellung bei Offenblende trotzdem gezielt den Blick auf mein Hauptmotiv lenken. Durch den engen Bildwinkel kann ich außerdem die für die Bildaussage nicht förderliche Umgebung wahlweise ausblenden und mich ganz auf Details konzentrieren.



Während das Weiwinkelobjektiv außer im Fahrerlager wenig Verwendung findet, ist ein leichtes Tele auch direkt an der Rennstrecke ideal, um z.B. Mitzieher zu machen. Mit einem Weitwinkel ist dieses Stilmittel weit schwieriger umzusetzen, erzeugt aber vom Kurveninneren fotografiert auch intensive Bilder. Perfekt zum Einüben der längeren Verschlusszeiten im Einklang mit dem Mitziehen der Kamera mit dem vorbeifliegenden Auto: Bei mehreren Trainings- und Wertungsläufen pro Tag, kann ich diese Aufnahmemethode in Ruhe trainieren und mit unterschiedlichen Belichtungszeiten experimentieren. Ein Blick ins Programmheft verrät mir über die Startnummern außerdem, welches Fahrzeug welcher Klasse ich als nächstes erwarten kann. Bei den klassischen Serien wie dem historischen NSU-Bergpokal muss ich für ausreichend Dynamik im Bild längere Verschlusszeiten einstellen als bei den ehemaligen Formel-, DTM- und Prototypen-Rennwagen aus der Königsklasse.



Speed sichtbar machen
Insbesondere mit Mitziehern lässt sich die Dynamik des Rennens gut transportieren, denn die Zeit wird sichtbar im Bild. Die Rennwagen wirken nicht statisch und wie auf der Straße geparkt, wie es bei Verschlusszeiten im Tausendstelbereich der Fall ist. Sofern vorhanden, sollte der Bildstabilisator ausgeschaltet oder auf einen Modus, der ausschließlich vertikale Bewegungen ausgleicht, umgestellt werden. Bei den meisten Kameras ist die Auslesegeschwindigkeit des Sensors unzureichend und führt bei Verwendung des elektronischen Verschlusses bei Mitziehern schnell zum Kippen vertikaler Strukturen im Hintergrund, wie etwa Bäume oder Begrenzungspfosten. Um dies Auszuschließen, nutze ich den mechanischen Verschluss. Ein möglichst präzises Mitführen der Kamera mit dem vorbeifahrenden Auto ist essentiell für ausreichende Bildschärfe auf dem Hauptmotiv, weshalb ich beim Einsatz des Teleobjektives gerade Streckenabschnitte und keine Brems- oder Beschleunigungspunkte in den Kurvenbereichen der Rennstrecke nutze. Für einen sauberen, gleichmäßigen Schwenk ist es außerdem sinnvoll, die Drehbewegung nicht aus den Armen heraus, sondern aus der Hüfte zu machen. So bleibe ich viel stabiler und kann mein Motiv mit dem kontinuierlichen Autofokus schon von weitem Erfassen und dann bis zur gewünschten Bildkomposition verfolgen. Da durch das Mitziehen mit dem Motiv während der Belichtungszeit alle statischen Bildbereiche in Bewegungsunschärfe verschwimmen, ist die Lichtstärke des Objektivs zweitrangig. Um tagsüber auf Belichtungszeiten von 1/100-1/10 zu kommen, muss die Blende ohnehin stark geschlossen und ggf. auch ein ND-Filter verwendet werden.



Nicht überall an der Strecke hat man völlig freien Blick auf die Fahrzeuge. Hier und da ragen Äste, Blätter oder die Köpfe von Zuschauern ins Bild. Für Mitzieher suche ich mir gezielt solche Stellen, um dem Bild mehr Tiefe zu vermitteln. Da die Rennstrecke oft durch Wald und Wiesen führt, warte ich hier gerne auf Rennwagen in einer möglichst komplementären Farbe zur grünen Vegetation. Insbesondere die orangen, roten und violetten Wagen aus dem Besuch des Fahrerlagers markiere ich mir neben der Startnummer im Programmheft, damit ich diese Fahrer auf keinen Fall für diese Bildidee verpasse.
Details einfangen
Das Arbeiten mit dem Vordergrund ist ohnehin immer eine gute Sache, um die Bildaussage und die Blickführung zu verbessern. Diese flüchtigen Einblicke durch die Zuschauer auf die Strecke oder durch die Absperrbänder verleihen den Bildern die typische Bergrennen-Atmosphäre. Vor allem an den Schlüsselstellen der Rennstrecke ist meist der größte Andrang und auch die Auslauf- und Sicherheitszonen sind dort ausgeprägter und somit der Abstand zur Strecke oft etwas größer. Hier kann neben dem 70-200mm F2.8 DG DN OS | Sports auch ein Tele-Objektiv wie das 500mm F5.6 DG DN OS | Sports helfen. Antizipation ist alles. Ich gehe die Strecke mit folgenden Fragen im Kopf ab: Gibt es Stellen, an denen es die Rennwagen besonders imposant ins Fahrwerk drückt, die breiten Reifen Staub vom Streckenrand aufwirbeln könnten oder ein Hitzeflimmern über dem Asphalt liegt? Bingo. Solche Details machen die statischeren Aufnahmen interessant, vermitteln die nötige Action im eingefrorenen Standbild und durch den engen Bildwinkel des Teleobjektives werden sie gut betont. Alternativ ist es auch hilfreich die Grenzen des Bildstabilisator auszuloten und die Rennfahrzeuge, ohne die Kamera mitzuziehen, bewusst mit längeren Verschlusszeiten etwas verwischt in der ansonsten scharf abgebildeten Rennumgebung darzustellen. Eine Rennstrecke ist keine Automobilausstellung, also mach die Dynamik sichtbar!



Jeder Streckenabschnitt ermöglicht andere Bildideen und erfordert ggf. andere Objektive und Perspektiven. Die größte Gefahr besteht darin, zu lange an einer Stelle zu verharren oder auch zu vorschnell dauernd den Standpunkt zu wechseln. Ich verschaffe mir bei weniger spektakulären Rennklassen oder während der Trainingsläufe am Vortrag einen Überblick über die Strecke, mögliche Fahrlinien, spannende Perspektiven und dafür nötige Brennweiten und arbeite diese Punkte dann in den entscheidenden Rennläufen konsequent ab. Habe ich eine Bildidee mit einem passenden Rennwagen sauber im Kasten, geht’s zur Nächsten. Immer nach dem Motto: Eins reicht.
Verwendete Objektive:
- Sigma 16-28mm F2.8 DG DN | Contemporary
- Sigma 70-200mm F2.8 DG DN OS | Sports
- Sigma 500mm F5.6 DG DN OS | Sports
- Sigma 28-105mm F2.8 DG DN | Art
Der Autor
Daniel Spohn, Jahrgang 1981, ist als Fotograf und Biologe weltweit auf der Suche nach einzigartigen und spannenden Geschichten.
Portfolio | Instagram | Facebook: Daniel Spohn & Natur im Fokus | Webseiten: www.naturimfokus.com & www.danielspohn.de
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