Das Flüstern des Eichelhähers

Wie ich im Winter zur Ruhe finde – Ansitzfotografie

Es gibt kaum eine Sache, die klischeehafterweise Naturfotografen mehr zugesprochen wird als das lange Verharren in irgendwelchen Fotohütten. Hier schwingt die Vorstellung des seltsamen Waldschrates so herrlich mit, der Vögel an ihrem Ruf erkennt und sie heimlich nachmacht…
Kurzer Spoiler: Manches davon stimmt tatsächlich! Und dennoch finde ich bei kaum einer anderen Art der Fotografie so sehr zur Ruhe und inneren Gelassenheit…

Wann hast du das letzte Mal beim Fotografieren nur ans Fotografieren gedacht? Ich meine, ohne einen Gedanken an das nächste Posting, an das dazugehörige Making Off? Ich schaff das meist im Winter, bei ordentlicher Schneelage und einem Kaffee, sitzend in einem alten Holzunterstand mitten im Wald. Ich will im nächsten Artikel erklären, warum diese Art der Fotografie mich erdet und ultimativ runterbringt…

Wie es zu meiner eigenen „Hütte“ kam

Es ist ungefähr 13 Jahre her, als ich mir meinen eigenen Winteransitz baute. Nun muss man jedem nicht Naturfotografen erklären was das ist! Was dem Mode- oder Peoplefotograf das Studio ist – ist dem Naturfotografen sein Fotoansitz. Nur dass es dabei keine Hintergründe, keine Windmaschine und auch keine festen Blitze gibt. Ach ja, und das Ding steht natürlich draußen in der Natur. Im Grunde ist es ein festes Fotoversteck, vor welchem man Tiere wie Singvögel anfüttert. Ich kam zu „meiner Hütte“ durch den Sturm Kyrill im Jahr 2007.

Der Orkan war gerade übers Land gezogen und hatte weite Teile des Nadelwaldes niedergewalzt. Eine dadurch entstandene Freifläche neben dem Haus meiner Eltern nutzte ich, um dort mein eigenes Fotoversteck zu errichten. Mit ausrangierten Gerüstbohlen baute ich mir einen festen Fotoansitz, in dem ich seit dieser Zeit einige Tage und Wochen gesessen habe. Schon im ersten Jahr kamen reichlich Rehe an die Fütterung. Viele Singvögel nutzten die ausgelegten Körner, um die Winterzeit besser zu überstehen und sogar der Mäusebussard ließ sich blicken. Angespornt von diesen Erlebnissen verbesserte ich den Fotoansitz immer weiter und konnte seitdem dort einige schöne Aufnahmen machen.

Hierbei nutze ich oft zwei Kameras mit unterschiedlichen Objektiven. Das eine Setup besteht aus einer Telefestbrennweite. Hierbei nutze ich das SIGMA 500mm F4 DG OS HSM | Sports, mitunter nehme ich noch den 1,4er oder 2,0er Telekonverter dazu. Auf dem anderen Stativ montiere ich dann eine Kamera mit einem Zoom, entweder das SIGMA 120-300mm F2,8 DG OS HSM | Sports oder ein SIGMA 150-600mm F5-6,3 DG OS HSM | Sports. Auch das SIGMA 60-600mm F4,5-6,3 DG OS HSM | Sports kann man dafür prima nutzen.

Während ich mich mit der Festbrennweite bereits vorher auf bestimmte Bildgestaltungen einstelle, ist das Zoom perfekt, um spontan auf neue Situationen zu reagieren, wie das plötzliche Auftreten eines Sperbers.

Warum Ansitzfotografie Fotoyoga ist

Wenn man „normalen“ Menschen von der Ansitzfotografie erzählt, bekommt man entweder ein ungläubiges Kopfschütteln oder ein (Aus)Lachen zurück. Zu krude wirkt die Vorstellung stundenlang in einer Hütte zu sitzen um auf eine Wacholderdrossel, Haubenmeise oder den Mittelspecht zu warten. Für mich ist das Fotoyoga! Man ist gänzlich abhängig von der Natur, man kann nichts selbst hinzutun, außer ruhig zu warten. Es ist fast die Antithese zur heutigen Fotografie. Wir hetzen von Punkt zu Punkt, um die besten Aufnahmen zu bekommen, schalten Story für Story und produzieren Reels und YouTube-Filme, um als Fotograf mitsamt der eigenen Arbeit wahrgenommen zu werden. Dagegen ist nichts einzuwenden, es führt zu großartigen Ergebnissen! Nichtsdestotrotz ist diesem Fotografendasein immer eine gute Portion Hektik und Stress immanent. Da wirkt sich ein solcher Ansitz in einer Hütte wirklich positiv aus. Natürlich geht es hier auch nicht ohne Vorbereitung.

Meistens hat man die Tiere schon einige Tage vorher an diese Stelle gewöhnt. Einfach hingehen und fotografieren, klappt auch beim Ansitz nicht. Die Tiere, seien es jetzt Rehe, Singvögel oder Greifvögel müssen natürlich schon vorher verstanden haben, dass es sich lohnt an dieser Stelle vorbeizuschauen. Neben der Fütterung sollte man auch einige Äste anbringen oder, falls vorhanden, in den Schnee stecken. So haben die Vögel direkt schöne Landepunkte.

Wenn man das alles vorbereitet hat, gehört die Ansitzfotografie zu den schönsten Sachen, die man als Naturfotograf erleben kann. Am besten wartet man dann mit einem Kaffee und warmen Füßen auf die Fotomotive. Wenn man sich dabei vorsichtig und leise verhält, kann man dabei nicht nur schöne Fotoaufnahmen, sondern auch tolle Verhaltensweisen kennen lernen. Ringeltauben schicken zum Beispiel immer eine einzelne Taube als Vorhut, bevor dann ein ganzer Trupp runterfliegt, um zu fressen. Ähnlich ist es bei anderen Vögeln. Hier lohnt es sich dann manchmal auch, zu Beginn keine Fotos zu machen und die Tiere erst einmal fressen zu lassen.

Mein besonderer Freund hierbei ist der Eichelhäher. Er ist unheimlich intelligent und einer der farbenprächtigsten Rabenvögel bei uns. Die meisten kennen nur seinen krächzenden Ruf, weswegen er oft auch Waldpolizei genannt wird. Wenn man aber einmal die Chance hat, ihn länger und nah zu beobachten, dann lernt man noch eine andere Seite von ihm kennen. Dafür ist es gut, selbst auch ruhig zu werden, beispielsweise in einer Fotohütte im Schnee…  Dann beobachtet man plötzlich was einem bisher entgangen ist, nämlich auch das leise, melodische Flüstern des Eichelhähers.

Erwähnte Objektive:

 
Kevin Winterhoff
Naturfotograf

Das erste Mal auf einen Kameraauslöser gedrückt, hat Kevin im Alter von vier Jahren. Anhand von Agfa Einwegkameras auf Film lernte er von seinem Vater das Fotografieren. Von Klein auf gab es dabei vor allem die Natur als Motiv. Dabei ist es meistens geblieben, auch wenn heute die Reportage einer Reise genauso zum Repertoire gehört. 

Die Liebe zur Naturfotografie hat ihn dabei in verschiedenste Länder der Erde gebracht. Dabei findet er seine Motive hauptsächlich jedoch im heimischen Sauerland. 

"Die Fotografie bietet mir die Möglichkeit, Verstecktes und Verborgenes anderen näher zu bringen und damit ein Stückchen zum Schutz der Natur beizutragen“

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