Mit Lichtexperimenten neue Wege in der Portraitfotografie finden
Das Jahresende steht vor der Tür und viele Fotografen verkrümeln sich zum Fotografieren ins Warme. Obwohl ich gar kein Fan von den winterlichen Temperaturen bin, so ist der Winter schon immer die Zeit gewesen, in der ich mich am kreativsten austoben konnte, weil der Stress der Hochzeitssaison vorüber war. Zwischen den Jahren finde ich immer die Zeit, die vergangenen Monate Revue passieren zu lassen. Die Zeit möchte ich diesmal nutzen, um euch eine persönliche Geschichte zu erzählen und insgeheim hoffe ich, dass ich den ein oder anderen zu einem MUTAUSBRUCH bewege!
Die letzten Monate habe ich genutzt, um meine Komfortzone zu verlassen. Denn wer kennt es nicht: Es gibt Gegebenheiten (z.B. Lichtsituationen im Freien, Licht-Settings im Studio oder auch Locations), die man immer wieder wählt, weil man weiß, dass sie für einen ausnahmslos funktionieren. Man ist sich sicher, dass etwas Gutes entsteht und verliert deswegen den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Ich war jahrelang in meiner Komfortzone gefangen. Immer die selben Lichtsituationen und ähnliche Locations. Models nahmen weite Wege in Kauf um sich von mir fotografieren zu lassen. Somit wuchs für mich der Druck und ich hatte Angst, etwas Neues auszuprobieren, weil ich nicht versagen wollte. Ich wollte niemanden enttäuschen.
Mit unserem Umzug nach Rodgau starb die Inspiration in mir dann komplett. Wo vorher Dachfenster waren, die mir allzeit gutes Licht bescherten, war jetzt ein lichtdurchflutetes Wohnzimmer mit Bodentiefen Fenstern. Für die meisten ein Traum, doch irgendwie konnte ich mich fotografisch gesehen nicht damit anfreunden.
Meine Fotos fingen an mich zu langweilen und dann kam Corona und ich konnte für eine sehr lange Zeit nicht fotografieren. Eine Zeit, in der ich viel über mich und mein Business nachdachte. Die Unzufriedenheit trieb mich in den Wahnsinn. Ich landete in einem Kreativ-Tief.
2020 und 2021 waren für mich sehr spannende Jahre. Ich wusste genau, dass ich aus dem Kreativ-Tief nur herausfinden würde, wenn ich mich ins Auto setzen und etwas Neues sehen würde. Also plante ich kurzerhand spontane Trips an die verschiedensten Orte und ließ mich von der Natur inspirieren. Und ihr könnt mir glauben: 20 Minuten Fahrt können für einen Tapetenwechsel schon ausreichen. Man muss bloß die Augen öffnen und bereit für Neues sein. Viel zu oft laufen wir blind durch’s Leben und verpassen dadurch die schönsten Momente.
Ich musste mich in den letzten zwei Jahren nicht nur einmal gegen meinen inneren Schweinehund wehren. Die Lichtsituationen stellten mich immer wieder auf die Probe. Von praller Mittagssonne bis zur Dämmerung war alles dabei! Normalerweise wäre ich bei starker Mittagssonne direkt in den Schatten geflüchtet und hätte Portraits mit meinem SIGMA 85mm F1,4 DG HSM | Art gemacht, doch diesmal wollte ich das nicht. Ich wollte mit dem vorhandenen Licht arbeiten und es gelang mir. Ich wurde wieder mutiger. Natürlich reichten mir die unterschiedlichen Lichtsituationen als Challenge nicht aus: deswegen griff ich kurzerhand zu zwei SIGMA Linsen, die ich für gewöhnlich nur auf Hochzeiten und Paar Shootings im Einsatz habe: 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art und 50mm F1,4 DG HSM | Art. Das 85er blieb ausnahmsweise zu Hause, damit ich gar nicht erst in Versuchung komme. Auf einen Schlag änderte sich meine Fotografie um 180 Grad. Ich suchte ungewöhnliche Locations, an denen man niemals anhalten würde, um Fotos zu machen. Auch das gelang mir und das Feedback war überwältigend. Und wieder wurde ich mutiger.
Vor kurzem hatte ich dann eine Bildidee mit zwei Modellen. Ich traute mich nach langer Zeit wieder an Langzeitbelichtungen in der Abenddämmerung. Doch der erste Versuch scheiterte.
Ich wollte mein erstes Lightpainting umsetzen und merkte schon beim Fotografieren: Ohne Composing wird das nichts. Ich fixierte die Kamera auf dem Stativ und positionierte die Modelle an dem vorgesehenen Punkt. Als das Bild mit den Models im Kasten war, versuchte ich mich an dem Lightpainting. Es wurde wahnsinnig schnell dunkel und die Einstellungen mussten immer wieder angepasst werden. Leider stolperte ich kurz vor’m Ende volle Kanne gegen das Stativ. Und versaute mir meine Arbeit somit selbst. Ich versuchte zu Hause natürlich trotzdem das Beste daraus zu machen, aber wirklich glücklich machte mich das Foto nicht. Weder meine Models noch ich waren deswegen enttäuscht. Ich wusste, dass es ein Experiment ist, das in die Hose gehen kann und kündigte das auch vorher genau so an. Also verabredeten wir uns knapp eine Woche später ein weiteres Mal und dann klappte es so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Den Dezember verbinde ich wegen Weihnachten und Silvester mit Lichtern und somit tollem Bokeh. Ich wollte etwas „Licht ins Dunkle“ bringen und griff in den letzten Tagen immer wieder zu Lichtquellen wie Taschenlampen, Wunderkerzen oder Lichterketten. Manchmal sind die primitivsten Dinge die größten Inspirationsquellen.
Nutzt die Zeit zwischen den Jahren um eure Kreativität neu aufleben zu lassen. Traut euch, neue Dinge auszuprobieren und seid nicht enttäuscht, wenn es beim ersten Mal nicht klappt. Freie Arbeiten sind da, um Neues auszuprobieren! Viel zu oft wird das vergessen.
„Collect moments, not things!“ ist schon seit vielen Jahren ihr Lebensmotto. Die Paar- und Portraitfotografin liebt echte Emotionen und Authentizität, deswegen hat sie 2013 ihr Hobby zum Beruf gemacht und sich schon kurze Zeit danach auf die Hochzeitsfotografie spezialisiert.