Das Jahr der Kreativflaute
„Ich habe heute leider kein Foto für Dich“ – quasi mein Standardsatz seit März 2020. Und bei allem Augenzwinkern in diesem Satz, tränte das Auge auch ganz schön oft. Dass eine Pandemie um die Ecke kommt, Hochzeiten um 12, teils um bis zu 24 Monate verschoben und einfach meine gesamte Peoplefotografie quasi auf Null runtergefahren würde, hätte ich mir niemals vorstellen können… Meine Fotografie lebt von dem Kontakt mit Menschen: fremde Menschen auf der Straße ansprechen und fotografieren, zu Familien nach Hause gehen und das Familienleben fotografisch dokumentieren, oder mit Trauzeuginnen und Trauzeugen den Ablauf einer Überraschung für das Brautpaar zu besprechen… alles auf Null. Weg mit der Unbeschwertheit und her mit Abstand, Masken und der Sorge von Kundinnen und Kunden vielleicht vergessen zu werden. Eine Zeit, in der Abstand nehmen der Schlüssel für baldige Nähe sein musste.
Bei allem Zuhause sitzen und sich aus dem Fenster schauend Zukunftssorgen machen, kam mir die Idee, meine Nachbarinnen und Nachbarn zu portraitieren, was tatsächlich kurzfristig Abhilfe schaffte und mir ein Quäntchen Hoffnung und Zuversicht gab. Passend zum Social Distancing und zur Nachbarschaftsfotografie habe ich letztes Jahr im Juni einen Beitrag verfasst. Ich war, ich bin nicht allein. Es ist nicht so, als wären mir Kreativflauten komplett unbekannt gewesen bis dahin, aber über Monate oder gar ein Jahr hinweg, das war eine absolute Herausforderung. Und klar, dabei schwingt, vielleicht auch besonders in diesem Kreativbusiness, die Angst mit, den Punkt zu verpassen, an dem alles wieder losgeht und dann das Nachsehen zu haben.
Doch ich schreibe dies, nachdem ich in den letzten Wochen immer mehr Newbornshootings und nun auch schon die ersten Hochzeiten fotografieren durfte, mich glückliche Bräute anrufen und mir ins Telefon glucksen, dass die Hochzeit doch dieses Jahr stattfinden könne. Schnelltests sind nun Alltag und damit kehrt zum Glück etwas Kreativität zurück: ich merke, wie ich Filme wieder mit anderen Augen sehe, schreibe mir Notizen zu schönen Szenen auf, notiere Gedanken und habe, so komisch das klingt, gefühlt auch wieder mehr Auge für die Schönheit von Menschen. Lange war alles gräulich verfärbt, doch irgendwie blüht alles zärtlich wieder auf. Und ja, das darf oder gar soll auch mal gesagt werden – denn es ist nicht immer alles #dailyinspo. Diesen Beitrag begleitet auch kein neuer Content, denn freie Shootings habe ich bisher noch kaum welche gemacht, da ich Sorge habe, es mit der zurück gewonnen Freiheit zu übertreiben. So läuft alles gerade so vor sich hin mit angezogener Handbremse im Schritttempo. Aber alles ist besser als Stillstand und so schaue ich wieder stolz und glücklich auf meine Prä-Corona Arbeit zurück, ziehe Inspiration aus ihr und genieße jedes Shooting dafür umso mehr!
Jetzt, wo gefühlt das tiefste Tal durchschritten ist (toi toi toi), fühlt es sich doch wieder wie Anlauf nehmen an und ich merke, wie ich auf Shootings präziser geworden bin und nicht willkürlich den Auslöser zum Glühen bringe, sondern mehr Gelassenheit und Ruhe für mich gefunden habe.
Wenn sie nicht gerade mit ihrer Kamera um den Hals durch Köln und Berlin tobt, trinkt sie entweder einen Hafer-Cappuccino oder sitzt irgendwo am Wasser und überlegt sich neue Shooting-Ideen. Die freiberufliche Fotografin hat eine Leidenschaft für echte Momente, echte Gefühle und die Geschichten dahinter.
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