Little less lonely – Das Bachelorprojekt von Alina Schessler
„Das Beste an einer WG ist, nicht in ein dunkles Zuhause zu kommen, wenn man aufschließt. Nicht allein zu sein. Dass jemand da ist, wenn es einem vielleicht mal nicht so gut geht und dass auch jemand da ist, wenn es einem besonders gut geht und man seine Freude teilen möchte.“
Marie
Seit 2014 wohne ich selbst in WGs. Von Anfang an faszinierten mich die zwischenmenschlichen Beziehungen, ich liebte es mir auf WG Partys von lustigen WG-Geschichten, Gerüchten oder Problemen zwischen den Bewohner:innen erzählen zu lassen. Ich finde es spannend, wie unterschiedlich Wohngemeinschaften sein können, wie sehr sie sich im Laufe der Jahre verändern und auch wie viel die Wohnungseinrichtung über die Charaktere aussagt. – Ich beschloss „Wohngemeinschaften“, in Form eines Fotobuches, zum Thema meiner Bachelor Arbeit zu machen.
Dafür war ich in ganz Deutschland unterwegs, um die unterschiedlichsten WGs zu portraitieren.
Ich in einer Senioren-WG, in der WG zwei junger Christinnen, in einem Mehrgenerationenhaus, im Wohnprojekt „inklusives-Wohnen“, und und und.
Begleitet habe ich die Bewohner:innen in ihrem normalen WG-Alltag. Mir war es wichtig in meinem Projekt „echte“ Menschen zu zeigen. Die WGs sollten in ihrer Konstellation wirklich bestehen, keine gecasteten Models.
Die Hauptarbeit des Projektes war definitiv die Organisation. Vieles verlief über Kontakte. Ich habe jede Möglichkeit genutzt anderen Menschen von meiner Arbeit zu erzählen, um sie zu fragen, ob sie interessante Wohngemeinschaften kennen, die vielleicht in Frage kämen. War dies der Fall, ging es darum Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Hier war Menschenkenntnis und ein besonderes Feingefühl von Nöten, um die richtigen Worte für die erste Kontaktaufnahme zu finden. Einige, eher extrovertierte BewohnerInnen waren sofort begeistert, bei anderen Charakteren brauchte es etwas Überzeugungsarbeit.
Bei den meisten meiner besuchten Wohngemeinschaften, habe ich etwa zwei bis drei Tage verbracht. Für den einen oder anderen mag das befremdlich klingen, bei einem selbst gänzlich unbekannten Personen zu übernachten, aber durch meine Offenheit gegenüber neuen Kontakten habe ich persönlich damit keine Probleme. Im Gegenteil – ich habe das Gefühl, dass mich die Übernachtung noch viel tiefer in das Leben der jeweiligen Personen eintauchen lässt. Außerdem lässt sich so ein richtiges „Zusammenleben“ viel besser nachfühlen, was nicht nur thematisch von großer Wichtigkeit für meine Arbeit ist.
Für die Herangehensweise vor Ort verfolge ich nie einen konkreten Plan. Jedoch beginnt es immer damit, die Menschen erst einmal kennen zu lernen, sich vertraut zu machen und, ganz wichtig, das Vertrauen der Mitbewohner:innen zu gewinnen, denn dieses ist Grundvoraussetzung dafür, sie so fotografieren zu können, wie sie wirklich sind. Sie dürfen mich nicht als fremde Fotografin wahr nehmen, sondern wie eine Freundin.
Deshalb fange ich nie sofort an zu fotografieren. Alles beginnt zuallererst mit einem lockeren Gespräch, ganz ohne Kamera. Ich möchte den Menschen das Gefühl geben, dass ich wirklich an ihren Geschichten interessiert bin, auch fernab der Fotos. Ich versuche möglichst viel über die Charaktere herauszufinden und was für sie typisch ist. Wichtig hierbei ist mir ein ernsthaftes, glaubhaftes Interesse an ihrem Leben und ihrer Persönlichkeit.
Durch meine Erfahrung als Fotografin gelingt es mir mittlerweile ganz gut einzuschätzen, wann der Moment gekommen ist, an dem man anfangen kann zu fotografieren, ohne dass sich jemand der Fotografierten dabei unwohl fühlt.
Für die Fotos verwende ich ausschließlich natürliches Licht.
Aufgenommen wurden die Fotos mit meiner Canon 5D Mark IV und den beiden lichtstarken Art-Objektiven SIGMA 35mm F1,4 DG HSM | Art und SIGMA 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art. Ich verwende meist eine offene Blende und eine kurze Zeiteinstellung, da die Fotos alle aus dem Moment heraus, einer Bewegung, entstehen sollen. Diese Kombination aus Vollformatsensor und lichtstarken Objektiven gibt mir die Freiheit, auch bei schlechten Lichtverhältnissen ohne Blitz zu fotografieren. Im Vorfeld hatte ich darüber nachgedacht mit einer kleineren, unauffälligeren Kamera zu fotografieren, habe mich jedoch dagegen entschieden, da ich merkte, wie sehr mir die jahrelange Routine, das „in-und-auswendig-Kennen“ meiner eigenen Kamera hilft.
Ich glaube, dass die Arbeit eine sehr wertvolle Erfahrung für mich als Fotografin war, da ich der festen Überzeugung bin, dass der richtige Umgang mit Menschen zu den wichtigsten Fähigkeiten eines guten Portrait- und Dokumentarfotografen/fotografin zählt.
Alina ist freiberufliche Fotografin und bevorzugt minimales Equipment, natürliches Licht, echte Momente und zurückhaltende Nachbearbeitung. Sie liebt es, die Menschen vor der Kamera kennen zu lernen, gemeinsam schlechte Witze zu erzählen, ein Teil der Szenerie zu werden. - So erzeugt Alina ihren natürlichen, authentischen Stil.