Das Sigma 16-300mm F3.5-6.7 DC OS | Contemporary

Ein Zoom für alle Fälle im Land der aufgehenden Sonne

Als Sigma Ende letzten Jahres auf mich zukam und mich zur Vorstellung dreier neuer Produkte sowie einer Führung durch die Fabrik in Japan einlud, konnte ich mir das natürlich nicht zweimal sagen lassen. Ich ergriff sofort die Chance auf ein Abenteuer im Land der aufgehenden Sonne. Zum einen wollte ich mir ein Bild davon machen, wie sich das Land innerhalb der letzten fünf Jahre seit meinem letzten Besuch verändert hatte, zum anderen war ich gespannt, neue Orte im Norden zu erkunden und mehr über die Hintergründe von Sigma als Hersteller zu erfahren.

Nach einem mehr oder weniger erholsamen 13-Stunden-Flug musste ich mich am ersten Tag erst einmal sammeln und die Eindrücke der fast 38 Millionen Einwohner zählenden Metropole auf mich wirken lassen. Die Kultur und die Menschen in Japan sind wirklich eine Welt für sich und kaum mit Europa vergleichbar. Besonders im öffentlichen Umgang fällt dies sofort auf: Hier ist jeder rücksichtsvoll und eher zurückhaltend gegenüber Fremden. Obwohl oft hunderte Menschen durch die Gassen oder die U-Bahn strömen, ist es erstaunlich ruhig, da sich jeder eher mit sich selbst beschäftigt.

Da der Launch der neuen Produkte erst für den 24. Februar angesetzt war, nutzte ich den ersten vollen Tag in Tokio für ein Location-Scouting. Dank der weit verbreiteten englischen Ausschilderung ließ sich das auch problemlos umsetzen. So konnte ich mir einen Überblick über die bekanntesten Attraktionen rund um den Tokio Tower, Shibuya, Ginza und den höchsten Turm der Welt, den 634 Meter hohen Tokyo Skytree, verschaffen. Besonders bei Nacht beeindruckt die schier endlose Weite der Stadt mit ihren leuchtenden Wolkenkratzern.

Nach den Produktvorstellungen am nächsten Tag schnappte ich mir direkt das neue All-in-One-Objektiv 16-300mm F3.5-6.7 DC OS und beschloss, es ausführlich zu testen. Ich wollte herausfinden, ob es meine drei Lieblingsobjektive; das 14-24mm F2.8, 24-70mm F2.8 und 70-200mm F2.8, in einer einzigen Linse vereinen könnte und mir dadurch eine Menge Rückenschmerzen ersparen würde.

Bild: 300mm – 1/320s – F6.7 – ISO 640

Trotz seines vergleichsweisen geringen Gewichts von 615 g bietet das Objektiv mit einem 18,8-fachen Zoomfaktor die weltweit höchste Zoomleistung für ein APS-C-Objektiv. Das wollte ich mir in einer Stadt wie Tokio zunutze machen, wo es sowohl weitläufige Häuserschluchten als auch spektakuläre Ausblicke bis hin zum 90 Kilometer entfernten Mount Fuji gibt. Eine solche Aussicht bot sich mir, als ich unweit des belebten Viertels Shibuya mit einem Aufzug in den 24. Stock zur Sky Lounge hochfuhr. Von dort hat man nicht nur einen Blick auf den markanten roten Tokio Tower, sondern – was ich vorher nicht wusste – auch auf den Mount Fuji. Der perfekte Ort, um die Zoom-Qualität des 16-300mm einem Praxistest zu unterziehen.

Da sich die Motive nicht schnell bewegten, entschied ich mich auf den manuellen Fokus zu switchen – leider eine umständliche Einstellung über die Kamera, da das Objektiv selbst nur einen Zoom-Lock-Schalter und keine weiteren physischen Bedienelemente besitzt. Dafür überzeugte mich die Abbildungsqualität umso mehr. Natürlich kann man keine bis in die Ecken gestochen scharfe Bilder ohne Vignettierung wie bei einer Festbrennweite erwarten. Dennoch war ich erstaunt, dass das Objektiv bei leichtem Abblenden im Weitwinkel selbst am Bildrand noch erstaunlich scharf ist. Bei längeren Brennweiten um 200–300mm fällt die Vignettierung stärker auf, allerdings lässt sich diese mit gängigen Bildbearbeitungsprogrammen wie Lightroom problemlos korrigieren.

Ein häufiges Problem bei Aussichtspunkten in luftiger Höhe in Japan sind die Glasscheiben, durch die man fotografieren muss, so auch in der Sky Lounge. Dank der guten Vergütung des Objektivs hatte ich jedoch auch bei Gegenlicht nie Probleme mit störenden Flares oder Ghosting. Zudem lassen sich Reflexionen am Fensterglas weitgehend vermeiden, wenn man das Objektiv möglichst nah an die Scheibe hält und die Ränder mit einem Tuch oder Ähnlichem abdunkelt.

Am nächsten Morgen begann unsere Reise in den Norden Japans nach Aizu, wo die Besichtigung der Sigma-Fabrik anstand. Zu meiner Überraschung lag dort noch eine Menge Schnee und wir tauchten ein in ein wahres Winter-Wonderland. Nicht weniger beeindruckend war die Fabrik selbst. Sie wurde bereits 1961 errichtet und beschäftigt heute rund 1.600 Angestellte aus der Region. Dabei können vor Ort sowohl Tests durchgeführt werden als auch Produktentwicklung bis hin zur Produktion und zum Versand weltweit. Pro Monat kommt man hier auf Produktionszahlen von bis zu 75.000 Objektiven! 

Nach der spannenden und informativen Führung ging es weiter ins nahe gelegene Hotel am See Inawashiro, wo ich vom Hotelzimmer aus noch schnell das letzte Licht des Sonnenuntergangs einfangen konnte.

Am nächsten Morgen stand ein Besuch der Burg Aizu-Wakamatsu auf dem Programm. Diese liegt im Stadtzentrum und wird auch „Kranichburg“ genannt. Erbaut im Jahr 1384, wurde sie im Laufe der Jahrhunderte mehrmals belagert, erobert, fast vollständig zerstört und schließlich wiederaufgebaut. Heute ist sie eine der am besten restaurierten Burganlagen Japans, von der aus man einen großartigen Blick über die Stadt und die umliegenden schneebedeckten Berge genießen kann.

Nach diesem kurzen Zwischenstopp ging es zurück nach Tokio, wo das abschließende Highlight des offiziellen Programms auf uns wartete: der Besuch der größten Foto-Messe Japans, CP+, gefolgt von einer Bootstour durch den Hafen von Yokohama. Obwohl die Stadt nur 40 Kilometer von Tokio entfernt liegt, war ich noch nie dort gewesen. Die Messe ist ein Paradies für Technik- und Fotoenthusiasten. Hier waren wirklich alle namhaften Hersteller vertreten, aber ich konnte auch einige in Europa weniger bekannte Marken kennenlernen.

Nach einem kurzen Rundgang über das Messegelände hieß es auch schon Aufbruch zum Hafen und ab aufs Boot. Neben dem Austausch mit Kollegen aus verschiedenen Ländern nutzte ich die Fahrt natürlich auch zum Fotografieren. Als langsam die Sonne am Horizont verschwand, konnte ich den Mount Fuji durch die umliegenden Häuserschluchten erspähen. Dank des 16-300mm, welches ich in weiser Voraussicht dabeihatte, konnte ich flexibel auf die Szenerien reagieren und den Berg bildfüllend heranzoomen. Als wir schließlich unter der Yokohama Bay Bridge hindurchfuhren, wechselte ich auf 16 mm, um die gesamte Brücke einzufangen. Genau für solche Momente ist ein leichtes Superzoom-Objektiv perfekt, ein Objektivwechsel hätte mir diesen Moment vermutlich gekostet. Nachdem die Sonne schließlich untergegangen war, fuhren wir zurück zur Anlegestelle und schließlich zum Hotel.

Der nächste Morgen war bereits der letzte vor meinem Rückflug, und so beschloss ich, noch einmal früh zu einer kleinen Foto-Mission aufzubrechen. Es zog mich zurück ins Viertel Asakusa, das besonders für seine traditionellen Einkaufsmöglichkeiten sowie den berühmten Sensoji-Tempel bekannt ist. Ich ließ mich auf das frühmorgendliche Treiben in den Gassen ein und versuchte mich an der Street-Fotografie. Auch dafür ist das 16-300mm gut geeignet, da es in den niedrigen Brennweiten angenehm kompakt bleibt und nicht sofort ins Auge fällt. So gelang es mir, einige schöne, ungestellte Szenen einzufangen. Bei schnelleren Motiven wie Radfahrern oder Autos verließ ich mich diesmal auf den Autofokus, der mich positiv überraschte. Nach dem Frühstück im Hotel hieß es dann schweren Herzens, die Koffer zu packen und mich auf den Weg zum Flughafen zu machen.

Für mich hat sich das 16-300mm F3.5-6.7 DC OS schon in der kurzen Zeit als eine der spannendsten neuen Sigma-Optiken des Jahres erwiesen. Dank des großen Brennweitenbereichs und des vergleichsweisen geringen Gewichts wäre es wohl meine erste Wahl für eine mehrtägige Wanderung durch die Berge, wo jedes Gramm und jeder Zentimeter im Rucksack zählt. Natürlich muss man Kompromisse bei Randunschärfe und Bokeh eingehen, doch das ist der Preis für diese Vielseitigkeit. Für Reise- und Hobbyfotografen, die mit nur einem Objektiv auskommen möchten, ist es definitiv eine lohnende Wahl.

Verwendete Objektive:

Der Autor

 
Johannes Hulsch
Landschaft- und Reisefotograf

Aufgewachsen in einer ländlichen Gegend entdeckte Johannes Hulsch bereits früh die Schönheit der Natur für sich. Mit der alten Kamera seines Vaters begann er seine ersten Schritte im Bereich der Landschaftsfotografie. Dabei beschränkte er sicher vorerst auf das Gebiet des Erzgebirges. Mit zunehmendem Erfolg seiner Bildern in den sozialen Medien begannen sich auch die Reisen auf Deutschland und Europa auszuweiten. Mittlerweile ist er selbständig als Landschaft- und Reisefotograf in Leipzig ansässig und nimmt seine Follower mit auf seine Abenteuer rund um den Globus. Jedoch gilt für ihn nach wie vor das Motto: „Für ein gutes Foto muss man seinen Blick nicht in die Ferne schweifen lassen, die schönsten Dinge findet man meistens direkt vor der Haustür, da man sich dort auskennt wie kein zweiter.“

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