Allrounder für ambitionierte Naturfotografen
Das 28-105mm F2,8 DG DN | Art Objektiv in der Naturfotografie
Analog zu dem Spruch „die beste Kamera ist die, die man gerade dabeihat“, ist häufig auch das Objektiv, welches gerade an der Kamera montiert ist, das Objektiv, mit dem fotografiert wird. Objektivwechsel sind zeitraubend und nervig, und ohne ausreichende Erfahrung oder genaue Bildidee hat man gefühlt immer das falsche Objektiv an seiner Kamera. Die Lösung könnte so einfach sein: ein Allround-Objektiv. Doch solche Standard-Zoomobjektive werden von Fotografen und Fotografinnen, die auf Bildqualität bedacht sind, abschätzig meist als Kit-Objektive abgetan, sind sie doch fast immer recht lichtschwache Kompromisskonstruktionen. Sind diese Zeiten mit dem neuen SIGMA 28-105mm F2,8 DG DN | Art-Objektiv nun vorbei? Und wenn ja, wie schlägt sich diese neuartige Konstruktion bei unterschiedlichsten Motiven und Genres der Naturfotografie?
Die Objektivkonstruktionen für spiegellose Systemkameras verschieben zunehmend die herkömmlichen Objektivkategorien. Kleinbildtaugliche 24-105mm F4 -Objektive zählten lange zu den Allroundern, doch waren sie mir persönlich für viele Bildideen zu lichtschwach und vom Bildlook zu langweilig. So verwendete ich diese Objektivkategorie meist nur für die Landschaftsfotografie. Da zu spannenden Tages- und Nachtzeiten wie goldener und blauer Stunde hierfür fast ausnahmslos ein Stativ zum Einsatz kommt, war ein vorhandener Bildstabilisator, um die lichtschwache Anfangsblende zu kompensieren, für mich nie ein Argument. Das neue SIGMA 28-105mm F2,8 DG DN | Art-Objektiv verzichtet auf einen Bildstabilisator und auch am unteren Ende fehlen 4mm Brennweite im Vergleich zum Standardzoom. Ob dieses vermeintliche Manko auf dem Papier auch bei meiner Motivsuche und der Verwirklichung meiner Bildideen in der spätsommerlichen Heide relevant ist, galt es herauszufinden.
Beim Auspacken des Objektivs an der Location gab es erstmal keine Überraschungen. Alles ist auch beim 28-105mm so, wie ich es von der SIGMA Art-Serie kenne: Staub- und Spritzwasserschutz, wertiges Finish, leicht und satt laufende Kontrollringe, Blendenring mit „De-Klick“-Funktion, programmierbare AFL-Tasten. Neugierig kontrollierte ich, ob ich da tatsächlich ein F2,8 -Objektiv in den Händen hatte, denn auf den ersten Blick liegt es von den Maßen und der Masse doch sehr nahe an den klassischen 24-105mm F4 Konstruktionen. Klar, ein knappes Kilo Objektivgewicht gepaart mit meiner gleich schweren Lumix S1 ist nichts, was ich aus Spaß den ganzen Tag am langen Arm mit mir herumtragen würde, außer es ermöglicht mir eine kompromisslose Bildqualität in einer Vielzahl von Situationen. Als Weitwinkelfetischist machte mich das untere Brennweitenende von „nur“ 28mm im Vergleich zu den bisher üblichen 24mm besonders stutzig. Bei der Perspektivsuche in der blühenden Heidelandschaft waren die 28mm Brennweite dann kein Problem und je nach Standpunkt völlig ausreichend, um die weitläufige Landschaft inklusive Details im Vordergrund einzufangen. Klar gibt es Landschaften, in denen ich mehr Weitwinkel möchte, allerdings retten mich dann in der Regel auch keine 24mm, sondern eher die Ultraweitwinkelfähigkeiten des 16-28mm F2,8 DG DN | Contemporary.
Doch zurück zum 28-105mm Objektiv. Als die Sonne endlich über den Horizont kam und sich durch den Nebel brannte, wurde es Zeit eine sehr besondere Eigenschaft dieser Objektivkonstruktion zu nutzen: die 12 Blendenlamellen. Bereits ab Blende 16 wurde die Sonne als zwölfzackige Lichtquelle mit meiner Meinung nach sehr schönen, natürlich wirkenden und nicht zu aufdringlichen Strahlen abgebildet. Mit Blende 22 und durch einen Baum fotografiert, ließ sich dieses Stilmittel noch verstärken. Blendensterne sind natürlich, wie alles in der Fotografie, Geschmackssache. Für mich sind diese besonderen Blendensterne des 28-105mm Objektiv ein echter Pluspunkt. Beim Fotografieren in solchen Gegenlichtsituationen zeigte sich, dass das Objektiv fast vollständig resistent gegen Flares und Ghosting ist. Die Bilder bleiben kontrastreich und scharf bis in die äußersten Bildecken und auch über sonstige optische Aberrationen musste ich mir absolut keine Gedanken machen.
Dieses Objektiv schenkt mir die Zeit, mich kompromisslos mit meinem Motiv und den darauf wirkenden Lichtstimmungen auseinanderzusetzen.
Als das Licht für Weitwinkelkompositionen langsam punktuell zu hart wurde, widmete ich mich einer Wespenspinne in ihrem Netz direkt vor meinem Stativ. Verlaufsfiltersystem vom 82mm Frontgewinde geschraubt, Blende auf 2.8 geöffnet und Zoom auf die maximal zur Verfügung stehenden 105mm gedreht, hatte ich plötzlich fast ein Makroobjektiv in der Hand. Klar fehlen zu einem Abbildungsmaßstab von 1:1 noch etwa 10cm Naheinstellgrenze, aber die 40cm minimale Fokusdistanz und der so erreichbare Abbildungsmaßstab von 1:3 reichen für meine Art der Makrofotografie in 99% der Fälle absolut aus. Viel wichtiger ist mir, dass ich eine Offenblende von 2,8 zur Verfügung habe und der Bildlook durch die 12 abgerundeten Blendenlamellen einfach grandios ist. Ein solch perfektes Bokeh hätte ich von einem „Standard-Zoomobjektiv“ nicht erwartet, insbesondere gepaart mit einer absolut überzeugenden Schärfe bei Offenblende im Nahbereich.
Gerade diese Möglichkeiten, ohne Objektivwechsel spontan zwischen solch unterschiedlichen Bildwelten zu wechseln, macht das 28-105mm für meine Naturfotografie zu einem echten Allrounder – ohne jeglichen Kompromiss.
Auf dem Heimweg verwendete ich die 105mm Brennweite, um interessante, punktuelle Gegenlichtstimmungen in der Heidelandschaft einzufangen, wie z. B. das durch die Blätter der Buchen scheinende Licht. Dank Blende 2.8 konnte ich hierbei die blühende Heide als unscharfen Vordergrund für die Tiefenwirkung nutzen. Was den Bildlook angeht, liegen Welten zwischen 28mm abgeblendet und 105mm mit 2.8, auch in der Landschaftsfotografie, und so sehe ich das 28-105mm u. a. als idealen Begleiter bei Reisereportagen. Selbst Portraits lassen sich mit 105mm und Blende 2.8 deutlich ansprechender gestalten als mit Blende 4.0.
Apropos Portraits: Bei meinen favorisierten kleinen Motiven, wie den spätsommerlich aktiven, europäischen Gottesanbeterinnen zeigte sich, dass das 28-105mm nicht nur schöne und dank Blende 2.8 ausreichend große Unschärfekreise zaubert, sondern auch ein cremig weiches Bokeh erzeugt. In Kombination mit dem schnellen und präzisen, linearen Autofokusmotor konnte ich mich beim Verfolgen dieser grazilen Jägerin ganz auf die Bildgestaltung konzentrieren und den Rest der Technik überlassen.
Die Naturfotografie hält immer Überraschungen für uns bereit und gerade, weil nicht alles planbar und eben nicht jedes Motiv und jede Bildkomposition vorhersehbar ist, ist Flexibilität entscheidend. Das 28-105mm F2,8 DG DN | Art Objektiv hilft mir dabei, mehr Zeit mit meinen Motiven und weniger mit Objektivwechseln zu verbringen und öfters auch mal mit nur einer Kamera und einem Objektiv loszuziehen und trotzdem das Gefühl zu haben, für fast alles gerüstet zu sein.
Verwendete Objektive:
Der Autor
Daniel Spohn, Jahrgang 1981, ist als Fotograf und Biologe weltweit auf der Suche nach einzigartigen und spannenden Geschichten.
Portfolio | Instagram | Facebook: Daniel Spohn & Natur im Fokus | Webseiten: www.naturimfokus.com & www.danielspohn.de