Layering in der Street Photography
Tipps für komplexe Bildkompositionen
Der Spruch „Vordergrund macht Bild gesund“ ist euch sicher bekannt. Beim Layering geht es jedoch nicht nur um den Vordergrund, der als Rahmung sehr sinnvoll sein kann, sondern auch um das, was sich im Hintergrund und dazwischen – also in dem Mittelgrund des Fotos – abspielt. In diesem Artikel möchte ich anhand einiger Beispiele das komplexe Thema „Layering“ näher erläutern. Ich zeige euch meine Vorgehensweisen und gebe Ansätze und Inspiration mit, wie ihr solche Fotos machen könnt. Denn eine genaue Anleitung für Layering ist schwer zu geben, da es viel auf die eigene Intuition ankommt und zudem davon abhängt, wie häufig man fotografiert und das Auge schult.
Alex Webb ist wohl einer der bekanntesten Fotografen, der diese Technik über Jahre hinweg perfektioniert hat. Sein Buch „The Suffering of Light“ bietet eine wunderbare Sammlung seiner Werke und ist eine ausgezeichnete Empfehlung für alle, die sich intensiver mit Layering beschäftigen möchten.
Bild: 56mm | 1/80 – F1,6 – ISO 1.250
Was ist Layering?
Layering ist eine fortgeschrittene Technik in der Street Photography, die durch das Kombinieren von Vorder-, Mittel- und Hintergrund Tiefe und Räumlichkeit schafft. Statt einer flachen, zweidimensionalen Komposition wird das Bild durch Vorder-, Mittel- und Hintergrund lebendig und dreidimensional.
Layering ist vergleichbar mit einem Puzzle: Alle Elemente müssen richtig zusammengefügt werden, um das Gesamtbild zu erkennen. Wild Puzzleteile zu verteilen, macht also wenig Sinn. Erst, wenn die Ebenen zusammenpassen, wird das Foto interessant. Layering allein macht also noch kein gutes Bild, aber durch geschicktes Zusammenspiel der Ebenen kann ein Foto deutlich an visueller Aussagekraft gewinnen.
Brennweiten und Kameraeinstellungen für Layering
Brennweite
Für die meisten Bilder dieser Art wähle ich eher weitwinklige Brennweiten, um genügend Spielraum für die Komposition zu haben. Konkret nutze ich vorwiegend ein 35mm-Äquivalent, wie das 23mm F1,4 mit APSC-Kameras. Weitwinklige Brennweiten wie das SIGMA 23mm F1,4 oder 18-50mm F2,8 sind ideal für Layering in der Street Photography, da sie flexible und kreative Kompositionen ermöglichen. Zu Beginn empfehle ich, sich auf eine Brennweite festzulegen, wie zum Beispiel die genannten 35mm, um ein besseres Gefühl dafür zu entwickeln und sich stärker auf die Komposition zu konzentrieren.
Weitere und längere Brennweiten sind zwar möglich, aber sie können problematisch sein, da entweder zu viel im Sichtfeld passiert oder zu wenig Platz bleibt, um ein gutes Layering aufzubauen. Ich schließe sie aber nicht aus. Gerade Telebrennweiten können ebenso positiv zum Bildaufbau beitragen, indem hier die verschiedenen Eben verdichtet werden und beinahe zusammenschmelzen. Es kommt darauf an, was man mit dem Bild aussagen möchte. In der Street Photogrophy empfinde ich das persönlich meist weniger passend, kann aber interessante Abstraktion mit sich bringen. Letztendlich ist es Geschmackssache. Die längste Brennweite, die ich in diesem Artikel benutzt habe, ist das 56mm F1,4 und die weitestes das 16mm F1,4.
Settings
Die Kameraeinstellungen sind recht einfach erklärt. Bei ausreichend Licht empfehle ich, die Blende auf f/8 oder sogar f/10 zu schließen, um möglichst viel Schärfe im Foto zu erreichen. Ihr könnt im Autofokus arbeiten, aber es ist hilfreich, bereits vorher zu überlegen, auf welche Ebene ihr den Fokus setzen möchtet, und den Fokuspunkt entsprechend zu platzieren. Alternativ könnt ihr den Fokus manuell einstellen und auf einen bestimmten Abstand voreinstellen. Dies erfordert jedoch etwas Übung, um ein Gefühl für den Abstand zur Kamera und den gewünschten Schärfebereich zu entwickeln.
Bild: 23mm | 1/500 – F1,6 – ISO 500
Effektive Herangehensweisen für Layering in der Street Photography
Es gibt verschiedene Herangehensweisen und Arten des Layerings. Wichtig ist jedoch, das Zusammenspiel von Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund zu verstehen, um den Betrachter quasi durch das Bild zu führen. Hilfreich ist dabei, sich auf ein Kernelement im Bild zu konzentrieren, was als Ausgangspunkt für den restlichen Aufbau dient. Es müssen dafür nicht unbedingt mehr als drei Ebenen in einem Bild vorhanden sein. Zu Beginn empfehle ich, sich auf diese drei zu konzentrieren. Je mehr, desto schwieriger ist es umzusetzen. Das erfordert viel Erfahrung, Intuition, Übung und auch Glück. Daher habe ich hier nun schrittweise die verschiedenen Herangehensweisen genauer erläutert.
1. Work The Scene
Wie so oft in der Street Photography lässt sich nie genau kontrollieren, was als Nächstes geschieht. Man kann es nur erahnen. Dies ist besonders spannend beim Layering, denn manchmal schenkt uns der Zufall im richtigen Moment die eine Gelegenheit, die letztendlich die Komposition komplett macht.
Deshalb kommen wir gleich zu Beginn zu etwas sehr Grundlegendem in der Street Photography: Verlasst nicht zu schnell einen interessanten Ort! Erarbeitet euch buchstäblich eine Szene! Untersucht interessante Hintergründe und Vordergründe genauer und bewegt euch dabei nicht zu schnell davon weg, sondern betrachtet sie aus verschiedenen Blickwinkeln. Wenn ihr etwas Spannendes findet, bleibt dran, bevor ihr aufgebt und weitergeht. Arbeitet die Szene aus!
Beispiel: Dieses Foto habe ich 2019 gemacht, bevor ich den Begriff "Layering" kannte oder mit SIGMA-Objektiven fotografierte. Es ist eine Ausnahme in diesem Artikel, aber ein gutes Beispiel dafür, wie Geduld zu einem gelungenen Bild führt. Die Treppe mit den kreisförmigen Aussparungen darunter hat mein Interesse geweckt. Ich beobachtete die Szene aus verschiedenen Blickwinkeln und wartete einige Minuten. Entscheidend war die Person, die durch den unteren Kreis lief und eine zusätzliche Ebene schuf. Gleichzeitig lief eine andere Person im Vordergrund die Treppe hinunter. Der Hintergrund formt sich aus der Geometrie der Brücke und der Stadt. Wäre ich zu früh gegangen, hätte ich dieses Foto verpasst, denn die Person im Kreis war ein Zufallselement und ich war noch da und bereit das Foto zu machen.
2. Über den Hintergrund Aufbauen
Eine gut zugängliche und beliebte Methode in der Street Photography ist das „Angeln“. Beim Layering kann diese Methode hilfreich sein, wenn man sie als Grundprinzip verwendet und darauf aufbaut.
Sucht zunächst nach interessanten Hintergründen oder „Bühnen“ und betrachtet das Umfeld aus verschiedenen Perspektiven. Beobachtet, was passiert, und stellt euch die verschiedenen Ebenen vor. Hier sind einige Fragen, die euch beim Bildaufbau helfen können:
- Laufen hier Menschen entlang?
- Woher kommen sie und wohin gehen sie?
- Wo platziere ich mich mit meiner Kamera?
- Was könnte als Vordergrund und Mittelgrund dienen?
- Was ist das Kernelement im Foto?
- Welche Elemente subtrahiere oder addiere ich?
- Wann wird es zu chaotisch und überladen?
- Ist die Layer-Struktur erkennbar?
So wird aus dem klassischen „Angler“ ein Hybrid aus Jäger und Angler. Denkt an „Work The Scene“ und ändert eure Position immer mal wieder. Wenn es passt, wartet ein paar Minuten, bis sich eine passende Komposition ergibt.
Bild: 18-50mm | 1/500 – F7,1 – ISO 600
Beispiel: Die zersprungene Scheibe fiel mir sofort ins Auge. Sie allein war noch nicht interessant genug, also wollte ich sie als Hintergrund nutzen. Als einige Touristen Selfies vor der Scheibe machten, wurde es interessant. Ich war mittendrin im Geschehen und platzierte mich immer wieder neu. Bis es passte und sich ein Zusammenspiel der Ebenen ergab. Das Besondere ist hier die Geste des Mannes, der andeutet, die Schreibe mit seinem Kopf zu zertrümmern. Letztlich diente die Scheibe eher als Mittelgrund, verdeutlicht jedoch mein Vorgehen bei einem solchen Bildaufbau.
3. Über den Vordergrund oder Mittelgrund aufbauen
Ihr könnt euer Foto auch über die anderen Ebenen gestalten. Dabei beginnt das gleiche Gedankenspiel mit einem interessanten Vordergrund oder Mittelgrund als Ausgangspunkt.
Bild: 18-50mm | 1/500 – F8 – ISO 320
Beispiel: Bei diesem Foto sah ich zunächst aus der Ferne, wie eine Gruppe hier versuchte, Herzen mit ihren Armen zu formen. Das fand ich interessant und näherte mich. Als ich dann hinter ihnen stand, fielen mir die Silhouetten auf, die sich in der Fensterfront im Hintergrund spiegelten. Glücklicherweise hatten die Gruppe selbst einen Moment Zeit benötigt, so konnte ich in Ruhe meine Komposition aufbauen. Die verschiedenen Ebenen – Menschen, Silhouetten, Architektur der Philharmonie und die wiederholte Geste - harmonierten hier perfekt zusammen
Weitere Möglichkeiten
Weitere Beispielfotos, in der eine der drei Ebenen die Grundlage ist und Objekte, Farben, Linien, Geometrie und Menschen als Elemente dienen, das Foto aufzubauen. Denn alle diese Elemente sind gute „Helfer“ für einen gelungenen und spannenden Bildaufbau.
4. Subframes & Spiegelungen
Das Arbeiten mit „Subframes“ kann ebenfalls eine hilfreiche Methode sein, um ein Layering aufzubauen. Sucht gezielt nach natürlichen Rahmen, in denen weitere Ebenen entstehen und so zum Layering beitragen. Dies können beispielsweise Spiegelungen oder reflektierende Flächen sein, durch Autofenster hindurch oder alles andere, was ihr als Rahmung nutzen könnt. Haltet die Augen offen!
Bild: 30mm | 1/500 – F8 – ISO 640
5. Layering ohne Menschen
Wer sich am Anfang oder generell unwohl dabei fühlt, Menschen mit in seine Kompositionen einzubauen oder Layering mit statischen Objekten üben möchte, kann es auch mal ohne Menschen versuchen. Layering kann auch über Gebäude, Linien, Schaufenster, Plakate oder andere Gegenstände im urbanen Raum aufgebaut werden. Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt.
6. Komplexer Aufbau – mehr als drei Ebenen
Wo viele Menschen zusammenkommen, wird es schnell lebhaft. In diesem Chaos Ordnung zu schaffen und dennoch Harmonie in ein Foto zu bringen, ist eine der schwierigsten Disziplinen. Ich arbeite daran, mein Auge zu schulen, indem ich gezielt nach solchen Situationen suche. Mein Stil ist normalerweise aufgeräumt, oft mit nur einer oder wenigen Personen im Bild. Nun trete ich aus meiner Komfortzone heraus, da komplexes Layering mehrere Menschen oder Objekte erfordert. Solche Fotos entstehen am besten an belebten Orten wie auf Volks- oder Straßenfesten, belebten Plätzen und Straßen. Hier kann man richtig in die Szenerie eintauchen.
Die Herausforderung besteht darin, trotz der vielen Elemente ein harmonisches Bild zu schaffen, was mir großen Spaß macht und mich fordert. Wichtig ist, hierbei, seinen eigenen Stil zu finden. Hoher Ausschuss ist normal und sollte nicht entmutigen. Es braucht oft mehrere Versuche, um ein „gutes“ Layering zu kreieren.
Praktischer Tipp: Finde Themen!
Ein übergeordnetes Thema zu haben, nach dem du gezielt suchst, kann sehr hilfreich sein. Oft habe ich mehrere solcher Themen im Kopf, auf die ich automatisch reagiere. So bleibe ich achtsam, egal wie viel los ist. Mit der Zeit können aus diesen Themen serielle Projekte entstehen. Das schließt nicht aus, dass du auch andere interessante Motive einfangen kannst. Manchmal will ich mich auch einfach treiben lassen, aber diese Themen sind bei mir immer präsent und helfen mir Motive zu finden. Überlege dir ein Thema, bevor du loslegst, oder finde eines unterwegs. Passe die Themen auch deiner Umgebung an.
Bild: 23mm | 1/500 – F8 – ISO 400
Zum Beispiel: Gesten der Hände, die in verschiedene Richtungen zeigen, können eindeutige „Wegweiser“ in einem Foto sein und sich auf verschiedenen Ebenen ergänzen – ein Zeigefinger führt zur nächsten Ebene, in der wiederum etwas anderes zum nächsten führt, usw. Weitere Themen können Farben, Geometrie, Linien oder andere interessante Dinge sein, nach denen du immer wieder Ausschau halten kannst.
Fazit
Layering in der Street Photography eröffnet unendliche kreative Möglichkeiten und verleiht deinen Bildern Tiefe und Spannung. Auch ich lerne hier nie aus und bin selbst noch dabei mich in dieser „Disziplin“ zu entwickeln. Daher übe regelmäßig, sei geduldig und beobachte deine Umgebung genau. Lass dich von Vorbildern inspirieren, aber finde deinen eigenen Stil. Hab Spaß dabei, neue Ebenen in deinen Fotos zu entdecken und komplexe Kompositionen zu schaffen. Mit jeder Aufnahme wirst du besser und deine Fotos gewinnen an Ausdruckskraft. Bleib neugierig und experimentierfreudig – die besten Bilder entstehen oft im unerwarteten Moment.
Viel Erfolg und Freude beim Layering!
Verwendete Objektive
- SIGMA 18-50mm F2,8 DC DN | Contemporary
- SIGMA 16mm F1,4 DC DN | Contemporary
- SIGMA 23mm F1,4 DC DN | Contemporary
- SIGMA 30mm F1,4 DC DN | Contemporary
- SIGMA 56mm F1,4 DC DN | Contemporary
Der Autor
Stefan Lauterbach lebt in Frankfurt am Main und fotografiert hier mit großer Leidenschaft im Bereich der Street Photography. Stefan ist Autodidakt und fotografiert schon seit vielen Jahren. Im Jahr 2017 begann er mit der Street Photography und entwickelt sich seither stetig weiter. Er liebt den urbanen Raum, der ihm als eine Art große Bühne mit unendlich vielen Möglichkeiten dient. Am glücklichsten ist Stefan, wenn er ungestellte Situationen mit spannendem Licht, Schatten und Kontrasten kombinieren kann. Er ist daher ständig auf der Suche nach Momenten aus dem täglichen Leben und verpackt diese gerne in grafisch ansprechende Kompositionen mit einem künstlerischen Ansatz. Manchmal sind es auch nur die kleinen Momente und Details, die wir in unserem hektischen Alltag kaum noch wahrnehmen.
Portfolio | Website | Instagram
Alle Bilder dieses Beitrags in der Übersicht
Besuche unseren SIGMA Blog für weitere Tipps und Techniken in der Street Photography.