Besuch bei den Helgoländer Kegelrobben: ein kleiner Fotografie-Guide

Der frühe Januarmorgen liegt noch gähnend über Helgoland. Hinter uns leuchten schon ein paar Lichter in den Fenstern der Häuser, während vor uns nur ein paar Laternen ein sanftes Schimmern in die Dunkelheit schicken. Dick eingepackt warten Marina, Florian und ich am Hafen, um mit einem kleinen Boot auf die „Düne“ gebracht zu werden – eine kleine Sandinsel, die im 18. Jahrhundert einmal Teil Helgolands war. Durch eine Sturmflut wurde sie von der Hauptinsel getrennt und ist jetzt nur noch mit der Dünenfähre zu erreichen. 

Die erste Fähre verlässt Helgoland um 8 Uhr und als wir uns an Bord umschauen, sitzen um uns herum ein Dutzend Menschen, für die die morgendliche Überfahrt der tägliche Arbeitsweg zu sein scheint. Wir drei haben an diesem Morgen auch einen selbst gewählten Arbeitsauftrag: Wir wollen so viele Kegelrobben wie möglich in ihrer natürlichen Umgebung sehen und fotografieren. Denn neben ihren schneeweißen Stränden und sanften Dünen ist die Insel „Düne“ vor allem für ihre Meeresbewohner bekannt. Deutschlands größtes Raubtier (eine ausgewachsene Kegelrobbe kann bis zu 300 kg schwer und 2,5 m lang werden) wurde einst als Feind der Fischerei verschrien und beinahe ausgerottet, aber 1996 wurde hier wieder das erste Robbenbaby geboren und seither haben sich die Bestände erholt. In der letzten Saison konnte der Verein Jordsand auf der Düne 793 Jungtiere an einem Tag zählen. Das lockt natürlich eine Vielzahl von Menschen an, unter ihnen viele Fotografie-Begeisterte wie wir, und da ist es wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass die Natur und die Tiere an erster Stelle stehen.

Was musst du wissen, wenn du mit deiner Kamera (oder deinem Fernglas oder einfach nur deinen Augen) losziehst, um Kegelrobben zu beobachten?

Bild: 335mm – 1/320 – F6,3 – ISO 400

1. Jahreszeit

Die beste Zeit, um Kegelrobben und ihre Jungen zu beobachten, ist während der Wurfzeit von November bis Januar. Im Dezember kommen hier die meisten Tiere zur Welt und der Strand füllt sich mit vielen Muttertieren und ihrem flauschigen, weißen Nachwuchs, sowie einigen Bullen, die nur darauf warten, bis die Weibchen wieder paarungsbereit sind. Während unseres Besuches im Januar können wir zwar vereinzelt noch ganz junge Tiere sehen, die meisten hatten ihr weißes Fell allerdings schon abgelegt, was ungefähr 4 Wochen nach der Geburt passiert, und es durch ihr wasserdichtes Schwimmfell getauscht.

Bild: 484mm – 1/200 – F6,3 – ISO 160

2. Zuerst das Tier, dann das Foto

Die Kegelrobben bestimmen hier den Alltag. Auch wenn sie noch so süß sind und ausschauen, als könnte man mit ihnen herzallerliebst kuscheln – Kegelrobben sind wilde Raubtiere und Besucher der Düne sollten immer einen Mindestabstand von 30 m zu den Tieren haben. Sollte sich dennoch mal eine Robbe in Menschennähe verirrt haben, dann verweile nicht, um ein Foto zu machen, sondern gehe einfach weiter und halte wenn möglich, den Abstand ein.

3. Nicht vom Weg abweichen

Zum Schutz der Kegelrobben wurden auf der Düne Holzwege errichtet, die den Besuchsstrom so über die Insel leiten, dass es im besten Fall zu keinem Tier-Mensch-Kontakt kommt, aber dennoch gute Sicht auf die Kolonie besteht. Verlasse diese Wege nicht und pass auf, dass du den Tieren den Fluchtweg zum Meer nicht versperrst. Mitarbeitende des Vereins Jordsand gehen jeden Morgen über die Insel, um sich einen Überblick zu verschaffen und eventuell Wegführungen anzupassen oder Besucher auf Stellen aufmerksam zu machen, bei denen ein rasches Weitergehen erforderlich ist.

4. Objektive

Ein Telezoom-Objektiv ist hier unabdingbar, um näher an die Kegelrobben heranzukommen und sie zu fotografieren. Auch wenn viele Robben in der Nähe des Weges im Sand dösen, wäre eine Brennweite unter 100mm nicht ausreichend. Wir hatten verschiedene SIGMA-Objektive in unseren Kamerarucksäcken: das 100-400mm F5-6.3 DG OS HSM | Contemporary und das 150-600mm F5-6.3 DG OS HSM | Contemporary. Zusätzlich begleiteten uns noch das 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art und das 50mm F1,4 DG HSM | Art.

5. Kamera-Einstellungen

Kegelrobben scheinen behäbig und träge, doch sie können sich auch durchaus schnell bewegen, was der erste Grund für eine schnelle Verschlusszeit ist. Grund Nummer 2 sind die Witterungsbedingungen auf der Insel: gerade in den Wintermonaten ist es dort kalt, windig und nass und da kann es schwer werden, die Hände ruhig zu halten. Eine schnelle Verschlusszeit schafft dort etwas Abhilfe. Auch wenn das bedeutet, dass man den ISO-Wert vielleicht etwas anziehen muss, je nach vorhandenem Umgebungslicht. Aber ein leichtes Rauschen lässt sich in der Nachbearbeitung ja glücklicherweise schnell beheben. Auch eine schnelle Reihenaufnahme ist sinnvoll, um kleine Momente nicht zu verpassen. Hast du vor, auch kleine Filmaufnahmen zu machen? Dann solltest du ein Stativ an deinen Rucksack schnallen. Aufgrund von zu kalten Fingern baute ich meins kein einziges Mal auf und ich sag’s wie es ist: Meine Videos würden es in keine Naturdokumentation dieser Welt schaffen…

Bild: 335mm – 1/320 – F6,3 – ISO 400

6. Auf Augenhöhe

Begib dich mit deiner Kamera auf Augenhöhe mit den Tieren. Nicht nur kreierst du so eine schöne Unschärfe im Vorder- und Hintergrund, was die Kegelrobben nochmal hervorhebt, es entsteht auch viel mehr der Eindruck, als wärst du Teil der Robben-Gang. Also knie dich hin, halte die Kamera in Bodennähe oder leg’ dich in den Sand.

7. Die Umgebung

Man ist so entzückt von den Robben, dass man beinah vergisst, auch ihren gesamten Lebensraum wahrzunehmen. Das ist mir bei der Durchsicht meiner Fotos besonders aufgefallen. Ich war so auf die Kegelrobben fokussiert, dass ich den Blick für die Landschaft drumherum völlig verlor. Denke also daran, auch abseits der Kegelrobben Ausschau nach den Besonderheiten der Insel zu halten.

Wo wir bei der Umgebung sind: Die Düne mit ihren Robben ist natürlich etwas ganz Besonderes – aber auch Helgoland selbst sollte nicht außer Acht gelassen werden. Direkt nach unserer Ankunft schnappten wir unsere Kameras und spazierten los, um uns einen Überblick zu verschaffen. Von unserer Unterkunft aus liefen wir den Hafen entlang, um dann kurz darauf das sogenannte „Oberland“ zu erklimmen, dessen höchster Punkt bei etwa 60 m NHN liegt. Von hier oben hat man einen tollen Blick auf Helgolands Wahrzeichen, die Lange Anna oder den Lummenfelsen, den Trottellummen und Basstölpel zwischen März und Oktober als Brutplatz nutzen. Doch als bekennende Schaf-Freunde, hatte es uns die kleine Herde Heidschnucken, die dort oben grast, besonders angetan. Vielleicht war es aber auch das Sonnenlicht, das im Kontrast zum dunklen Himmel stand. Oder der Regenbogen, der plötzlich hinter den Schafen auftauchte…

Die Kegelrobben mögen der Grund gewesen sein, weshalb wir nach Helgoland kamen, aber die Aussicht auf Schafe und seltene Vögel lässt uns irgendwann bestimmt noch einmal wiederkehren.

Verwendete Objektive:

Die Autorin

 
Maike Wittreck
Landschaftsfotografin

Maike Wittreck packt seit ihrer ersten großen Reise ans andere Ende der Welt immer wieder das Fernweh. Neuseeland war mit seinen schneebedeckten Bergen und blauen Gletscherseen der reinste Spielplatz für Landschaftsfotografie und somit war eine Leidenschaft geboren. Auch die Liebe zum Wandern wurde dort entfacht. Seitdem hält sie nichts allzu lang im Haus. Die rohe, ungezähmte Natur ist ihr Zufluchtsort, wenn das Leben verrückt spielt. Diesen Zufluchtsort möchte sie durch ihre Fotografie mit anderen  Menschen teilen und sie zum träumen einladen.

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