Street Photography im Ultraweitwinkelbereich
Mit 10-18mm ganz nah dran und doch so fern
Mit großer Freude und Spannung war ich mit dem SIGMA 10-18mm F2,8 DC DN | Contemporary in meiner Heimatstadt Frankfurt unterwegs und kann nun meine Eindrücke und Fotos hier mit euch teilen. Hier gleich eine deutliche Stärke vorweg: Dieses Objektiv ist nicht nur ultraweitwinkelig, sondern auch ultrakompakt und ultrascharf! Es ist sehr angenehm damit durch die Straßen zu ziehen und nach Motiven zu suchen, denn es agiert wirklich nach dem Motto: „Klein aber Oho!“ Doch zunächst scheint ein solches Ultraweitwinkel-Objektiv für die Street Photography ungewöhnlich. Tatsächlich ist es das auch, wenn man es im Bereich von 10mm und kurz darüber benutzt. Doch mit ein wenig Übung funktioniert das besser, als man vielleicht denkt. Zudem sollte man die Besonderheiten beachten, die es mit sich bringt. In diesem Artikel schauen wir uns die Stärken und Möglichkeiten dieses Objektives anhand der Street Photographygenauer an.
Die Besonderheiten
Zunächst war dieser Brennweitenbereich für mich erstmal sehr gewöhnungsbedürftig. Ich hatte zwar mit dem SIGMA 18-50mm zumindest das obere Ende dieses Zooms, also die 18mm, immer mal wieder im Einsatz, auch hatte ich vor einigen Jahren schonmal mit einer ähnlichen Brennweite von Fujifilm fotografiert, aber das ist lange her und ich wollte herausfinden, wie sich es sich in der Praxis verhält. Ausprobieren und neue Sichtweisen finden! Schnell merkte ich, dass es bei so einer Brennweite auf vieles mehr zu achten ist bzw. auf andere Dinge als mit der von mir sehr häufig genutzten 23mm oder gar einer 56mm Brennweite.
Ein paar Dinge, auf die es ankommt
- Hintergrund: Schnell wirkt hier ein Motiv überladen, weil einfach enorm viel auf das Foto passt. Es ist also umso schwerer, dass das Bild nicht zu unruhig wird und im Hintergrund nicht zu viele störende Elemente auftauchen, was immer schon wichtig ist, hier aber nun besonders zu beachten ist. Also versuche ich hier, alles Unnötige aus dem Motiv zu eliminieren. Das wird schwerer, wenn man in einer Umgebung mit vielen unruhigen Elementen und vielen Menschen ist und nach spontanen Momenten sucht. Entsprechend leichter wird es in Umgebungen, die von sich aus nicht zu überladen wirken. Zum Beispiel da wo die Architektur eine größere Rolle spielt. Dazu mehr bei der Motivfindung.
- Verzerrung: Auch hier muss man vor allem bei 10mm darauf achten, dass durch die Brennweite bedingt, Menschen oder alles andere verzerrt sind, vor allem an den Bildrändern. Das ist normal bei einem solchen Weitwinkel. Vor allem, wenn man ungewöhnliche Positionen einnimmt oder ganz nah dran ist und die Kamera nicht gerade ausrichtet, passiert dies umso deutlicher. Die Wasserwaage in der Kamera einschalten macht Sinn! Aber diese Verzerrung kann man auch kreativ nutzen, wie ich gleich noch zeigen werde.
- Nähe & Distanz: Alle Dinge und Objekte scheinen nun auf einmal ganz weit weg, wenn man durch den Sucher schaut. Also wenn ich nicht gerade Architektur, eine Landschaft oder vielleicht die Skyline oder andere Panoramen einfangen will, muss ich verdammt nah ran! Und das ist schon teils unangenehm auf der Straße. Auf der anderen Seite bringt es Vorteile, wenn man sich an Stellen befindet, die sowieso sehr eng sind, wie zum Beispiel auf Fußgängerbrücken, in Unterführungen, in Gebäuden, Treppenhäusern, U-Bahn-Stationen etc., und überall da, wo sich viele Menschen tummeln. Tatsache ist, dass man so nah heranmuss, dass man dabei kaum Hemmungen haben sollte, je nachdem, was man fotografieren möchte. Und dann ist das dann auch schnell „too much“ –doch gibt es ja auch noch die 18mm und genügend anderen Herangehensweisen und so bleibt man flexibel für viele Situationen.
Ein gezielter Einsatz des10-18mm 2.8 ist also essentiell, um damit sorgfältig Kompositionen zu erreichen. Zum Glück gibt es viel mehr Spielraum, denn nicht immer ist 10mm geeignet. Auch wenn der Effekt zunächst beeindruckend aussieht, muss man viele Dinge beachten, und allein der optische Reiz rettet dann auch kein Foto mehr. Daher sollte man gerade den unteren Brennweitenbereich sehr bewusst und gezielt einsetzen. Aber immer nach der Devise, alles selbst auszuprobieren. Es macht nämlich viel Spaß damit zu experimentieren und seine eigene Bildsprache mit dieser Brennweite zu finden.
Motivfindung
Einige Aspekte und Motivideen habe ich oben schon genannt und gezeigt, aber schauen wir uns das doch nochmal im Detail an und beleuchten einige Fotos und deren Entstehung genauer. Neben den sehr spontanen Motiven habe ich nämlich einiges sehr gezielt damit versucht umzusetzen:
- Architektur, Licht, Schatten & Mensch: Gerade das Spiel mit Licht & Schatten und Architektur ist etwas, womit ich gerne experimentiere, um damit eine gewisse Stimmung aufzubauen. Das habe ich auch diesmal versucht und einige Motive erinnern mich doch sehr an alte „Noir“ Krimis aus den 50/60er Jahren und haben „Cinematic“ Vibes. Die10mm sind für diese Art der Fotografie bestens geeignet. Hierbei ist es wichtig, dass man sehr sorgfältig auf seine Komposition achtet. Ich habe es schon oft in vorherigen Artikeln erwähnt, aber hier muss es nochmal betont werden: „Work The Scene“ –ich suche mir einen Ort oder ein Areal in der Stadt aus und verweile hier etwas und schaue mir den Ort aus verschiedenen Blickwinkeln an und „baue“ mir sozusagen eine Bühne. Dann warte ich, bis eine Person diese Bühne betritt und hoffentlich genau dort langläuft, wo ich das gerne hätte. Der Reiz liegt dabei im ungestalten Moment, den ich einfangen möchte. Das erfordert Geduld und etwas Antizipation und beobachten, wo und ob hier Passanten entlanglaufen. Das ist es für mich am Ende oft wert und ich bekomme öfter auch das, was ich mir vorgestellt habe. Frankfurt bietet dazu aber auch wirklich eine grandiose Auswahl an Motiven an. Ich war hier vor allem in „Mainhattan“ zwischen den Hochhäusern unterwegs und am Gebäudekomplex „Die Welle“.
- Kreativer Spielraum: Dass das Objektiv ein großes Spektrum an Möglichkeiten abdeckt und mehr kann als „nur“ mit dem Effekt des Weitwinkels zu begeistern, habe ich bereits erwähnt und möchte ich hier nun nochmal mit diesen Fotos die unterschiedliche Situationen zeigen, die ich damit in der Stadt eingefangen habe. Es ist damit für mich vielfältig auf der Straße einsetzbar. Man muss sich nur bewusst machen, was es ist und wie die Fotos, die mit diesem Objektiv entstehen, wirken. Wie so oft sollte man daher überlegen, was man damit eigentlich machen möchte.
Praktische Tipps für die Bearbeitung
- Geometrie: Es ist äußerst hilfreich, wenn man seine Kamera schon beim Machen einigermaßen gerade hält. Ich nutze oft die Möglichkeit, in Lightroom ein Foto gerade auszurichten über die „Geometrie“ Optionen. Das funktioniert hier aber nicht immer, auch Verzerrungen lassen sich nur im gewissen Maße ausgleichen, ohne dass es unnatürlich wirkt.
- Croppen: Eine wichtige Funktion in der Bearbeitung ist die Möglichkeit, unnötige Elemente abzuschneiden und das Bild auf eine harmonische Art zu beschneiden. Das ist völlig legitim und wurde auch schon damals in der Dunkelkammer getan. Und gerade bei einem solch weitwinkligen Objektiv ist das oft die „Rettung“, falls doch zu viel von der Umgebung auf dem Foto ist und es so überladen wirkt oder die Bildaussage verloren geht. Aber man sollte es auch nicht übertreiben mit dieser Möglichkeit. Es kann auch passieren, dass das Foto durch das Croppen seine Wirkung verliert, wenn es sehr weitwinklig fotografiert wurde.
Fazit
Das Sigma 10-18mm ist ein fantastisches Objektiv, mit dem ich viel Spaß hatte, und damit auf der Straße vielfältige Motive fotografieren konnte –auf eine etwas andere Weise, als ich es gewohnt war. Auf der technischen Seite besticht es durch seine Kompaktheit und seine enorme Schärfe (es ist wirklich unglaublich scharf!) und es bietet durchweg eine Blende von 2.8 –was schon erstaunlich ist bei der Bauweise. Auch am Autofokus gibt es absolut nichts auszusetzen; der sitzt fast immer und ist sehr schnell. Hier hat Sigma ein richtiges Highlight geschaffen.
Wenn man sich etwas darauf einlässt und die Besonderheiten beachtet, kann man diese kreativ nutzen und spannende und lustige Momente in der City einfangen. Es lädt einen zum kreativen Experimentieren förmlich ein. Natürlich ist dieses Objektiv noch in vielen weiteren Bereichen einsetzbar und bietet eine Menge Möglichkeiten von Landschaftsfotografie bis hin zur Architektur hat man hier eine wirklich sinnvolle, wenn auch spezielle Brennweite. Und jetzt sehe ich die Situationen, in denen ich ein Weitwinkel für sinnvoll halte, immer wieder, da es, wie erwähnt, in den letzten Wochen sehr, sehr oft auf meine Kamera geschraubt war. Ich bin wohl nun etwas weitwinklig konditioniert… Das war doch bestimmt mit voller Absicht von SIGMA so gedacht. Mit Erfolg!
Verwendete Objektive:
Der Autor
Stefan Lauterbach lebt in Frankfurt am Main und fotografiert hier mit großer Leidenschaft im Bereich der Street Photography. Stefan ist Autodidakt und fotografiert schon seit vielen Jahren. Im Jahr 2017 begann er mit der Street Photography und entwickelt sich seither stetig weiter. Er liebt den urbanen Raum, der ihm als eine Art große Bühne mit unendlich vielen Möglichkeiten dient. Am glücklichsten ist Stefan, wenn er ungestellte Situationen mit spannendem Licht, Schatten und Kontrasten kombinieren kann. Er ist daher ständig auf der Suche nach Momenten aus dem täglichen Leben und verpackt diese gerne in grafisch ansprechende Kompositionen mit einem künstlerischen Ansatz. Manchmal sind es auch nur die kleinen Momente und Details, die wir in unserem hektischen Alltag kaum noch wahrnehmen.
Portfolio | Website | Instagram