Low-Light-Fotografie in Finnland © Marina Weishaupt

Schnee, Stille, Eiskristalle: Low-Light-Fotografie in Finnland

Fotografie im Winter. Ich persönlich denke dabei an knietiefen Schnee, leuchtende Schneeflocken und das Knirschen der Eiskristalle unter meinen Füßen. Tatsächlich konnte ich bei meiner Reise in den Nordosten Finnlands genau das erleben. 

Doch das Fotografieren im eiskalten Finnland ist auch eine besondere Herausforderung. Die Tage sind kurz, die Nächte und die Dunkelheit dafür umso präsenter. Deshalb habe ich mir selbst eine kleine Herausforderung gestellt: Das Gefühl festzuhalten, im Dunkeln durch das einsame Lappland zu wandern.

Low-Light-Fotografie in Finnland © Marina Weishaupt

1/100 – F1,4 – ISO 1.000

Suche nach Location und Motiv 

Dazu musste ich mir natürlich erst einmal Gedanken machen, welcher Ort sich dafür am besten eignen würde. Unsere Unterkunft lag zwar mitten im Wald und direkt neben einem See, aber die Lichtverschmutzung des nahegelegenen Skigebietes schloss die nähere Umgebung schon einmal aus. Die zugefrorenen Seen eigneten sich zwar perfekt dafür, um einen potenziellen klaren Sternenhimmel festzuhalten, allerdings geschah mir dort „zu wenig“ auf dem Bild. Neben der/den Person/en sollte noch etwas Besonderes, vielleicht sogar beinahe Unwirkliches auf dem Bild zu sehen sein. 

Low-Light-Fotografie in Finnland © Marina Weishaupt

1/60 – F2,8 – ISO 6.400

Nachdem wir einige Wanderungen hinter uns hatten, fiel meine Wahl schließlich auf den Riisitunturi-Nationalpark. Dieser ist bekannt für seine riesige, relativ flach erscheinende Hochebene, gespickt mit dem sogenannten Tykkylumi-Phänomen. Dieses beschreibt die schwere Schneelast, unter denen die Bäume verschwinden und damit völlig neue Gestalten annehmen. 

Das Motiv war damit also klar: eine Person oder mehrere Personen, die zwischen den Bäumen hindurchwandern – während ihre Stirnlampen die Umrisse und Strukturen der stillen Schneeriesen hervorheben sollten. 

Knietief im Schnee für die beste Perspektive

Nun hieß es: Ausschau halten nach dem perfekten Baum. Das dauerte seine Zeit, denn dort im Fjell, wie die Hügel im Lappland genannt werden, hat man wirklich die Qual der Wahl. Jeder Schritt eröffnet neue Winkel, die es wert sind, festgehalten zu werden. Gleichzeitig überlegt man bei Temperaturen von minus 28 Grad zweimal, ob es sich für eine Fotoidee lohnt, abermals durch den Tiefschnee zu stapfen – immerhin reichte mir dieser teilweise bis zur Hüfte.

Wenn man ein ungefähres Bild im Kopf hat, ist es doppelt schwer, auch die passende Umgebung dafür zu finden. Neben einem besonders schönen Baum wollte ich auch möglichst viel Tiefe im Bild festhalten. Mal sah man zwar, wie weit sich der Nationalpark erstreckt, doch die Bäume drumherum wirkten eher klein und unscheinbar. Oder ich hatte zwar die Möglichkeit, den Mond am Firmament einzubinden – aber der Kontrast zwischen Himmel, Bäumen und meinem auserkorenen Modell war einfach zu stark. 

Komposition und das richtige Licht

Schließlich fand ich dann Gefallen an dieser Szenerie. Hier war hauptsächlich einer der Bäume unter der Last des Tykkylumi leicht gebogen, während die anderen um ihn herum gerade zum Himmel ragten. Nun fehlte es allerdings noch an der „richtigen“ Komposition und Beleuchtung. 

Tatsächlich fotografiere ich am allerliebsten mit natürlichem Licht. Gerade hier war die Stirnlampe aber sehr von Nutzen. Sie brachte eine gewisse Tiefe in das Bild – denn durch das helle Licht wurde der sehr gleichmäßige Blauton deutlich aufgelockert. Zudem sorgte sie dafür, dass das Bild eine gewisse Abenteuerlust vermittelt und eventuelle Fragen aufwirft. 

Wir probierten verschiedene Lichtperspektiven aus und ich entschied mich schließlich dafür, dass es mir am besten gefiel, wenn die Lampe beinahe direkt in meine Richtung leuchtete. Der im Bildausschnitt sehr präsente Baum wurde dadurch sehr schön hervorgehoben. Außerdem achtete ich darauf, dass die führenden Linien der Spuren im Schnee den Blick vom stark beleuchteten Vordergrund in den Mittelpunkt des Bildes und zu meinem Model leiteten.

Equipment und Tipps zum Fotografieren bei Nacht

Bei nächtlichen Aufnahmen denkt man neben der Kamera vermutlich als allererstes an ein Stativ. Egal wie lange man die Belichtungszeit wählt, mit dem dreibeinigen Helfer steht einem scharfen, verwacklungsfreien Foto nichts im Wege. Tatsächlich fotografiere ich aber sehr ungern mit Stativ. Damit fühle ich mich beim Suchen nach der perfekten Perspektive eher eingeschränkt, als dass es mir behilflich ist. Am liebsten nutze ich einfach eine möglichst lange Belichtungszeit, die allerdings immer noch kurz genug ist, um das Foto aus der Hand heraus frei von Verwacklungen aufzunehmen. 

Low-Light-Fotografie in Finnland © Marina Weishaupt

1/50 – F1,4 – ISO 2.000

Bei dieser winterlichen Kälte war das natürlich eine kleine Herausforderung, trotzdem hat das Fotografieren aus der Hand mit folgenden Einstellungen an meiner Canon R5 gut funktioniert: 1/50s | F1,4 | ISO 2000. Bei Nachtaufnahmen wie diesen, bei denen ich möglichst viel von der Umgebung festhalten möchte, war das SIGMA 24mm F1,4 DG HSM | Art mal wieder mein treuer Begleiter. 

Vor allem in dunklen Lichtsituationen vertraue ich meinem Kamerabildschirm nicht immer. Ein Bild, das darauf im ersten Moment und im Affekt zunächst scharf aussieht, kann sich später etwa als leicht fehl fokussiert herausstellen. Deshalb gehe ich meist lieber auf Nummer sicher und nehme mehrere Aufnahmen der gleichen Szenerie auf. Gerade dann, wenn die Belichtungszeit länger ist, kann eine Reihenaufnahme helfen – eines der Fotos wird sicher ruckelfrei und scharf sein. 

Low-Light-Fotografie in Finnland © Marina Weishaupt

1/13 – F2,8 – ISO 1.600

Neben einem optionalen Stativ und einem möglichst weitwinkligen und lichtstarken Objektiv kann ich beim Fotografieren im Winter übrigens nur dazu raten, ausreichend viele Batterien griffbereit zu haben. Bei derartigen Minusgraden hatten meine teilweise ganz schön zu kämpfen. Damit diese möglichst wenig Kälte ausgesetzt waren, hatte ich sie immer sehr nah am Körper – zum Beispiel in Innentaschen meiner Winterjacke – getragen.

Nachbearbeitung und Feinschliff

Nachts zu fotografieren, kann zugleich spannend und stressig sein. Die Fotos anschließend auch noch zu bearbeiten, stellt für mich meistens eine viel größere Hürde dar. Durch das wenige Licht sind die Bilder sehr dunkel, was das Anpassen der Farben manchmal schwierig gestaltet. Zum Beispiel, wenn der Dynamikumfang der Kamera an seine Grenzen stößt und unschöne Farbränder entstehen.

Zurück im warmen Wohnzimmer unserer Unterkunft fiel mir die Bearbeitung jedoch glücklicherweise sehr einfach. Ich versuchte zunächst, das Foto mithilfe von Lightroom so anzupassen, wie ich die Szenerie vor meinem inneren Auge abgespeichert hatte. Nachdem ich eines meiner Standard-Presets angewandt hatte, reduzierte ich zunächst die Lichter sowie das Weiß etwas und hellte das Schwarz etwas auf. Die minimale Vignettierung aufgrund der Offenblende konnte ich einfach mittels der Objektivkorrektur beheben.

Was die Farben angeht, war mir das fast schon königliche Blau des Nachthimmels etwas zu stark, beziehungsweise zu lila. Deshalb habe ich zuerst den Farbton Lila ins Bläuliche verschoben und anschließend die Sättigung und die Luminanz von Blau etwas reduziert. Obwohl ich ansonsten viel mit Maskierungen arbeite, um bestimmte Bildbereiche gezielt aufzuhellen oder abzudunkeln, habe ich dies bei diesem Bild tatsächlich gar nicht angewandt. Vielleicht, weil das Bild durch die gezielte Lichtsetzung schon über viel Struktur verfügt. 

Im letzten Schritt störten mich dann nur noch die vielen Fußspuren, die vom Motiv ablenken. Dabei hatte ich zunächst ein paar Bedenken, inwieweit ich diese möglichst natürlich entfernen konnte. Tatsächlich brauchte es nur wenige Schritte mit der neuen Photoshop-Funktion namens „Generative Fill“, um mein Foto vom eiskalten Winterwandern zu komplettieren.

Ich hoffe, ich konnte mit der kurzen Reise nach Finnland etwas das Wintergefühl in euch wecken. Hoffentlich hält er einige neue tolle Motive für euch und mich bereit. 

Verwendetes Objektiv:

Die Autorin

 
Marina Weishaupt
Reise- und Landschaftsfotografin

Marina Weishaupt kommt aus dem beschaulichen Ulm im Süden Deutschlands. Am liebsten bereist sie jedoch die eher rauen Berge, Moore und Küsten dieser Welt. Mit der Kamera immer griffbereit macht sie sich dort auf die Suche nach einzigartigen Landschaften, besonderen Lichtverhältnissen und den kleinen Momenten dazwischen. Bereits ihr halbes Leben lang entstehen ihre farbenfrohen Fotografien meist spontan und mit viel Liebe zum Detail.  

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