Auszeit in der Kalahari
Eine Fotoreise in die afrikanische Wildnis
Wann hast du zuletzt eine menschenleere Landschaft gesehen, wo in beide Richtungen kein Ende zu sehen war? Vielleicht kennst du das vom Meer. Es macht was mit einem, vielleicht ist es das kleine Spüren von Unendlichkeit, was sich in einem regt. Ich kenn dieses Gefühl fast ausschließlich von den Weiten Afrikas.
Die Kalahari ist keine liebliche Gegend. Sie ist rau, karg und in einer gewissen Weise menschenfeindlich. Am besten beschreibt man die Gegend mit dem Wort der Natives. Den „Kgalagadi“ bedeutet im Wortsinn „großer Abstand“ und genau das ist die Gegend: eine Landschaft mit großem Abstand, mit viel „Nichts“.
Ich will im Folgenden erklären, warum mich dieses große Nichts anzieht, wie man dort hinkommt und welche Möglichkeiten einem diese Gegend als Fotograf landschaftlich bietet.
Meine letzten Wochen waren unglaublich anstrengend und hektisch. Immer wieder kam Stress auf der Arbeit auf und oft ging ich erst um 22.00 Uhr aus dem Büro – einfach weil es arbeitstechnisch sonst zu viel wurde. Jeder kennt diese Phasen und jeder versucht sich auf seine Weise davon bestmöglich zu erholen. Aber selbst wenn man dann in den wohlverdienten Urlaub fährt, schaltet man halt doch nie ganz ab, denn klar: ein kurzes Checken der sozialen Medien, die kurze Information was in der Welt abgeht, das kurze Abrufen der Mails, das ist drin! Es verursacht doch nicht wirklich Stress oder? So hält man das innere Ich vom Abschalten und vom Ausruhen ab.
Wenn ich in die Kalahari fahre, ist das nicht nur eine coole Reise in die afrikanische Wildnis, sondern auch ein erzwungene Ruhephase. Zu Beginn der Reise ist natürlich noch alles beim Alten. Jeder deutsche Flughafen hat freies WLAN und so surfe ich mich durch die Wartezeit am Airport. Das ist auch nichts anderes in Südafrika.
Die meisten Wege in die Kalahari führen über das Land am Kap. Angesteuert wird der O.R Tambo Flughafen in Johannesburg und auch hier ist von Ruhe und digital detox nichts zu bemerken. Mit dem Inlandsflug nach Upington kommt das erste Mal so etwas wie innere Ruhe auf. Bereits der Blick aus dem Fenster verdeutlicht einem, dass Trubel und Stress wohl eher hinter einem liegen. Riesige Weiten tun sich vor einem auf und die Mischung aus rotem Sand und steinigem, trockenen Untergrund reicht bis an den Horizont. Mit einem kleinen Zoom wie dem 14-24mm oder dem 24-70mm bewaffnet, versuche ich Details aus dem Flugzeugfenster festzuhalten.
Spätestens wenn man in Upington gelandet ist und seinen geländegängigen Mietwagen am kleinen Regionalflughafen abholt und vom Hof fährt, kehrt unwiederbringbar Stille ein. Von dort sind es noch 250 km bis zum Eingang des Nationalparks „Kgalagadi Transfrontier Park“, welcher Teile Südafrikas und Botswanas umfasst. Es sind 250 km ohne Netz, ohne großartige Infrastruktur mit viel Gegend und wenig Menschen.
Sanfte Sanddünen, welche mit leichten Gräsern und dornigen Sträuchern bewachsen sind, prägen das Landschaftsbild. Zwischenzeitlich fährt man an riesigen Salzpfannen vorbei, den sogenannten Pans. Diese sind manchmal so groß, dass man sie sogar auf Satellitenbildern erkennen kann. Sie sind der Ursprung für das wertvolle Kalaharisalz und Relikte von Salzseen, welche es teils vor Hunderten Millionen von Jahren dort gab. Betrachtet man diese aus Augenhöhe, wirken sie recht unspektakulär.
Lässt man aber eine Drohne steigen, dann zeigen sie sich in unterschiedlichsten Formen und Farben und lassen einen dabei wirklich staunend zurück. Da das Fliegen im Nationalpark selber streng verboten ist, bieten diese Gegenden außerhalb des Parks gute Möglichkeiten für einzigartige Blicke in die Weite und auf die Salzpfannen.
Im Park angekommen bietet sich einem ein beeindruckendes, wenn auch recht einheitliches Landschaftsbild. Der gesamte Park ist geprägt von zwei urzeitlichen Flüssen, welche schon seit zig Jahrtausenden kein dauerhaftes Wasser mehr führen und dies nur bei starken Niederschlägen tun, dem Auob und dem Nossob. In deren Flußbetten bewegt man sich auf Staubpisten fort. Die dort vorkommenden Wasserlöcher werden von Tieren gezielt angesteuert und bieten deswegen gute Beobachtungsmöglichkeiten.
Verlässt man die Flussbetten kommt man in ein karges Hinterland mit dem typischen roten Sand, den man auch von zahlreichen Aufnahmen aus der Namib Wüste kennt. Tiere hier zu beobachten ist selten, höchstens eine der ikonischen Oryxantilopen lässt sich blicken. Ansonsten findet man nichts, außer Stille. Während ich an den Wasserlöchern unruhig mit dem Tele im Anschlag warte, habe ich hier nichts, auf das ich unruhig warten müsste. Mit einem 24er und vorgesetztem Polfilter versuche ich das einzufangen, was nicht einzufangen ist – Weite, Stille, Alleinsein. Rote Dünen und blauer Himmel bieten dafür gute Kontraste und wenn die Sonne untergeht, erscheint der Sand so rot, dass man es fast für unnatürlich hält.
Ich muss zugeben, dass die Stille der Gegend einen zunehmend fordert. Es ist fast anstrengend sich dieser auszusetzen und noch herausfordernder sie anzunehmen. Verdammt zum Nichtstun. Kein Handy, kein Insta, nicht einmal Ablenkung durch eine Landschaftsvielfalt. Nur ich, Weite und Stille.
Es mag pathetisch klingen, aber es braucht seine Zeit bis man darin ankommt. Als Fotograf empfinde ich das ankommen als doppelt schwer. Schließlich bin ich nicht dort für einen Selbstfindungstrip oder um das perfekte Setting für eine Yoga-Woche zu haben. Mein Ziel sind gute Fotos, am liebsten auch besondere Sichtungen von Leoparden, Löwen und anderen spektakulären Tieren. Da kann das „große Nichts“ der Landschaft teilweise zusätzlich Unruhe in einem verursachen. Ich werde nervös, wenn ich keine Fotos machen kann, wenn das Motiv mich warten lässt oder ich das Gefühl bekomme, die Reise könnte ein Reinfall werden.
Immer wieder erzieht mich die Kalahari dabei in Ruhefindung und Geduld. Das Empfinden zu erlangen, nichts ändern zu können an der eigenen Situation, der Landschaft in weiten Teilen regelrecht ausgeliefert zu sein, gar abhängig von ihr zu sein. Das verursacht im ersten Moment bei mir Wut, danach Resignation und irgendwann akzeptiere ich es. Es ist fast als würde mir die Landschaft das Learning mitgeben, dass ich besser Ruhe finde über eine Situation, die ich nicht ändern kann, als mich an dieser zu reiben und dagegen zu kämpfen. Nur fotografieren kann man diese Erkenntnis nicht.
Im Nationalpark gibt es zwei Arten von Unterkünften, die Main-Camps sind große Komplexe mit allem was man zum Leben braucht, inklusive kleinem Shop und seit Neuestem sogar WLAN (Ciao digital Detox!). Neben den Main-Camps, gibt es aber auch zahlreiche kleine Wilderness Camps. Das sind kleine Übernachtungscamps mit 5-10 Häusern, ohne Umzäunung und teilweise in größter Abgelegenheit. Hier erlebt man wirkliches Verlassensein. Es sind teilweise Orte mit 150 km Wildnis um einen herum. Es wohnt ein Ranger mit im Camp. Manchmal merkt man ihnen die Einsamkeit an.
Beeindruckend sind die Dienstwochen, welche sie hier am Stück verbringen, in einer modernen Welt dennoch! Man kann sich innerhalb der Camps frei bewegen, muss jedoch immer berücksichtigen, dass man potentiell nicht allein unterwegs ist. So kann es vorkommen, dass einem beim Zähneputzen eine Hyäne einen Heidenschrecken einjagt, wenn sie mit ihrem absolut schrägen Ruf verdeutlicht, dass man sich in unmittelbarer Nähe zu ihr befindet.
Diese Camps sind jedoch vor allem ein Traum für jeden Sternbeobachters und -fotografen. Nachdem die Sonne ihre letzten wärmenden Sonnenstrahlen hochrot über den Horizont geschickt hat und einem die nächtliche Wüstenkälte überfällt, entsteht am Himmel das wohl beeindruckendste Himmelfeuerwerk, was man sich vorstellen kann. Hier sollte man seine lichtstarken Objektive griffbereit haben, am besten die Kombination aus Lichtstärke und geringer Brennweite.
Es kommt nicht selten vor, dass man zum Sternendach noch ein Konzert von heulenden Schakalen oder brüllenden Löwen hört. Es bleibt einem selbst überlassen, ob man dabei Gänsehaut bekommt oder es einem den kalten Schauer über den Rücken jagt. Manchmal ist es auch eine Mischung aus beidem, denn ausgeliefert ist man der Situation so oder so. In jedem Fall lohnt sich der Blick in den Himmel, denn eins ist garantiert: spätestens dann, kommt in einem dieses Ding hoch, dieses kleine Gefühl von Unendlichkeit, das ich nur von dort kenne…
Verwendete Objektive:
- 60-600mm F4,5-6,3 DG OS HSM | Sports
- 15mm F2,8 EX DG Diagonal-Fisheye
- 24mm F1,4 DG HSM | Art
- 12-24mm F4 DG HSM | Art
Der Autor
Das erste Mal auf einen Kameraauslöser gedrückt, hat Kevin im Alter von vier Jahren. Anhand von Agfa Einwegkameras auf Film lernte er von seinem Vater das Fotografieren. Von Klein auf gab es dabei vor allem die Natur als Motiv. Dabei ist es meistens geblieben, auch wenn heute die Reportage einer Reise genauso zum Repertoire gehört.
Die Liebe zur Naturfotografie hat ihn dabei in verschiedenste Länder der Erde gebracht. Dabei findet er seine Motive hauptsächlich jedoch im heimischen Sauerland.
"Die Fotografie bietet mir die Möglichkeit, Verstecktes und Verborgenes anderen näher zu bringen und damit ein Stückchen zum Schutz der Natur beizutragen“