Street Photography bei Nacht © Stefan Lauterbach

Street Photography bei Nacht

Licht in der Dunkelheit finden

Ein Fotograf dessen Werke ich sehr bewundere und mich inspiriert ist Saul Leiter. Er war nicht nur Pionier der Farbfotografie in den 1940er Jahren, sondern hat auch einige hervorragende Fotos bei Regen und in der Dunkelheit gemacht. Dabei sind seine Motive oft abstrakt oder wirken wie gemalt. Bei manchen Fotos muss man sich erstmal zurechtfinden, dennoch wirken sie direkt anziehend. Entweder durch die leuchtenden Farben oder eben das Rätsel dahinter und der Frage, was sich in dem Foto eigentlich abspielt. Mit folgendem Zitat beschrieb er es selbst sehr treffend: 

“I do like photographs where everything‘s lost and in some corner something‘s going on and you are not quite sure what it is.” 

Street Photography bei Nacht © Stefan Lauterbach

Da ich Fotos mag, die auf eine Weise mysteriös oder abstrakt sind, spricht mich das Zitat von Saul Leiter sehr an. Meine Fotos sind zwar nicht immer so abstrakt wie es bei ihm der Fall ist, aber manchmal eben doch oder auf andere Weise. Ich möchte dabei auch nicht kopieren. Sein Zitat suggeriert mir vor allem eine gewisse künstlerische Freiheit – es muss nicht immer alles perfekt scharf sein oder bestimmten Regeln folgen. Das muss es grundsätzlich nicht in der Street Photography und das muss es noch weniger, wenn die Dunkelheit zum Experimentieren einlädt.

50mm – 1/420s – F4,5 – ISO 3.200

Eine weitere große Inspirationsquelle für mich sind Kinofilme, vor allem im Bereich „Film Noir“ bzw. „Neo Noir“. Diese Filme sind oft eher düster gehalten und das ist es, was mich in der Dunkelheit ebenfalls sehr reizt. Rätselhaftes, unheimliches, aber auch stimmungsvolles und das stets mit einer gewissen Ästhetik und dem menschlichen Element verbunden. Man kann hier auch von einem „Cinematic“ Look oder „Moody“ Fotos sprechen, die man gut nachts machen kann. 

Wie das funktioniert und worauf es dabei ankommt, erfahrt ihr in den nächsten Zeilen des Artikels. 

Street Photography bei Nacht © Stefan Lauterbach

Ohne Licht kein Foto! 

Wenn das natürliche Tageslicht fehlt, muss ich mir eben woanders welches suchen. Beleuchtung gibt es fast überall und genau wie am Tage nutze ich Licht, das ich finden kann und bereits vorhanden ist. In einer Großstadt wie Frankfurt am Main ist es leichter zu finden als auf dem Dorf, das ist offensichtlich. Aber auch nicht unmöglich. Trotzdem empfehle ich für den eigenen ersten Versuch bei Anbruch der Dunkelheit in die nächstgelegene Stadt zu fahren. Das macht es um einiges leichter und man kommt auch wahrscheinlich mit etwas Brauchbarem zurück. Doch auch in Frankfurt ist es manchmal gar nicht so einfach geeignete Spots zu finden. Aktuell wird zudem an viele Stellen Strom gespart und es ist dunkler als üblich und manch strahlende Lichtquelle bleibt aktuell einfach aus. Genügend Möglichkeiten gibt es trotzdem.

30mm – 1/750s – F1,4 – ISO 320

Street Photography bei Nacht © Stefan Lauterbach

Wo und wie findet man Licht im Dunklen? 

Die Liste der Möglichkeiten ist lang, hier einige Beispiele: 

  • Beleuchtung aller Art
  • Leuchtreklame – Neon Lichter
  • Schaufenster / Fassaden – durch jegliche Art Glas
  • Durch Fenster eines Cafés, am besten, wenn diese beschlagen oder mit Regentropfen versehen sind. 
  • Autoscheiben mit Regentropfen darauf, Spiegelungen im Lack / Felgen / Rückspiegel
  • Oberflächenreflektionen jeglicher Art – auch der Boden bei Nässe oder Pfützen
  • An Orten wie Kerb, Messen, Märkten usw
  • In U-Bahn-Stationen
  • Außerhalb der Stadt: Tankstellen oder Ampeln

56mm – 1/500s – F1,8 – ISO 320

Ein „Klassiker“ für den Anfang ist die indirekte Beleuchtung mit Hilfe von Schaufenstern. Das geht in Frankfurt zum Beispiel wunderbar auf der Zeil oder in der Goethestraße. Dort befinden sich manchmal riesige LCD-Screens, die so hell sind, dass die Kamera gar kein Problem mit der Belichtung hat und schnellere Verschlusszeiten zulässt. Wichtig ist grundsätzlich nicht zu nah an die Lichtquelle heranzutreten. Die Szene soll sich davor abspielen, um das Licht nutzen zu können. Ich möchte z.B. nicht direkt das Schaufenster selbst ablichten. Im Zweifel lieber einen Schritt zurück gehen. 

So können sich feine Silhouetten ergeben. Besonders interessant wird es, wenn man versucht den Hintergrund mit dem Vordergrund zu verbinden, auch genannt „Layering“. Das wiederum kann sehr komplex werden und erfordert Übung und Geduld, egal ob bei Tag oder Nacht und ist ein Thema für sich. Dennoch kann man es einfach mal ausprobieren. 

Umdenken und Sichtweise ändern 

Das Licht allein genügt noch nicht. Es braucht auch ein passendes Motiv und den richtigen Moment. Gerade bei Nacht ist das eine kleine Herausforderung, die zum Umdenken anregt. Zudem ist manchmal mehr Geduld nötig, da weniger Menschen unterwegs sind. Doch jetzt in der dunklen Jahreszeit muss man nicht erst spät am Abend losziehen, sondern kann sich zum Feierabend am späten Nachmittag bereits auf den Weg machen. So findet man auch noch genügend Passanten. Natürlich ist es auch möglich in einer lauen Sommernacht die Stadt zu erkunden, vor allem am Wochenende ist dann auch noch einiges los. 

Wenn man wie ich die meisten Orte seiner Stadt bereits gut kennt, hat man nachts eine komplett andere Stadt mit vielen neuen Motiven vor sich. Das kann richtig Spaß machen und mit ein wenig Übung kann man spannende Momente mal ganz anders einfangen. Es offenbart sich eine andere „Realität“. 

Street Photography bei Nacht © Stefan Lauterbach

Was brauche ich dazu und welche Settings sind wichtig? 

Grundsätzlich kannst du alles benutzen, was du gerade dabei hast, vom Handy bis hin zur analogen Kamera. Du brauchst nur genügend Licht. 

Hast du nicht genügend Licht oder möchtest du gerne mit “ Bokeh“ Effekten arbeiten oder freistellen, empfiehlt sich ganz klar ein Objektiv mit hoher Lichtstärke. Hier kommt bei mir in der Nacht oft das 56mm F1,4 zum Einsatz und manchmal auch das 30mm F1,4 sowie das 18-50mm F2,8 was aber schon oft nicht mehr ausreicht, wenn man nicht gerade vor einem grellen Schaufenster steht. 

56mm – 1/280s – F2,8 – ISO 3.200

Bei einigen Motiven ist vor allem bei Dunkelheit kein großer Verlass auf den Autofokus. Es kommt darauf an, was man machen will und ob genügend Kontrast für den Autofokus vorhanden ist. Ein Stativ benutze ich übrigens nie, da es mich in der Street Photography in meiner Flexibilität hindert und zu auffällig wäre.

Hier ein Beispiel:

Bei dem Foto mit den Ballons und den Lichtern darin, wollte ich auf die Person dahinter fokussieren, um es so wirken zu lassen, als befinde Sie sich im Inneren des Ballons. 

Street Photography bei Nacht © Stefan Lauterbach
  • Der erste Schritt ist hier den Autofokus zu kontrollieren. Hier musste ich manuell fokussieren, da sonst immer wieder auf die bunten Lichter im Vordergrund scharf gestellt wurde. 
  • Im nächsten Schritt machte ich mir über die Belichtung Gedanken. Hier brauchte es eine Blende die noch Bokeh zulässt aber auch genügend Schärfe abbildet und zugleich viel Licht hineinlässt. Daher habe ich hier eine Blende 2,0 gewählt. So konnte ich mit einer 1/125s Belichten und mithilfe von ISO 3200 ohne Probleme das Foto aus der Hand machen. 
  • Im letzten Schritt feilte ich an der Komposition. Denn die Schwierigkeit lag hier vielmehr im Framing des Fotos. Ich musste einen passenden Winkel finden und probierte verschiedene Möglichkeiten aus. Zum Glück stand die Person dort eine Weile, ohne sich viel zu bewegen, was es für mich deutlich einfacher machte.

30mm – 1/125s – F2 – ISO 3.200

Fazit: 

Ohne Licht geht es nun mal nicht! Doch da wo Menschen leben, findet sich auch Licht in der Dunkelheit, vor allem in der Stadt. Die Night Street Photography bringt einige Herausforderungen mit sich und es gibt ein paar Dinge zu beachten. Es lohnt sich und lädt zum Ausprobieren ein. Bei Einbruch der Dunkelheit mit der Kamera loszuziehen, ist sicher nicht der erste Gedanke eines Fotografierenden. Doch wie ihr gesehen habt, verstecken sich die Motive nur etwas und sie können sehr stimmungsvoll sein. Etwas umdenken ist hier gefragt, um sie zu finden und man kann bereits bekannte Orte neu entdecken.

Viel Spass dabei und hier mehr als passend: Gut Licht! 

Verwendete Objektive

Der Autor

 
Stefan Lauterbach
Street Photographer

Stefan Lauterbach lebt in Frankfurt am Main und fotografiert hier mit großer Leidenschaft im Bereich der Street Photography. Stefan ist Autodidakt und fotografiert schon seit vielen Jahren. Im Jahr 2017 begann er mit der Street Photography und entwickelt sich seither stetig weiter. Er liebt den urbanen Raum, der ihm als eine Art große Bühne mit unendlich vielen Möglichkeiten dient. Am glücklichsten ist Stefan, wenn er ungestellte Situationen mit spannendem Licht, Schatten und Kontrasten kombinieren kann. Er ist daher ständig auf der Suche nach Momenten aus dem täglichen Leben und verpackt diese gerne in grafisch ansprechende Kompositionen mit einem künstlerischen Ansatz. Manchmal sind es auch nur die kleinen Momente und Details, die wir in unserem hektischen Alltag kaum noch wahrnehmen.

Portfolio | Website | Instagram


Alle Bilder dieses Beitrags in der Übersicht