Kinderportraits
Natürlich einfach… einfach natürlich?
Vorwort
Keine andere Generation von Kindern, als die heutige wurde so oft fotografiert. Das beginnt direkt nach der Geburt. Ja, der aktuelle Trend zur Geburtsfotografie macht sogar schon Bilder während der Geburt möglich, das setzt sich dann über die ersten Lebensjahre fort. Von Beginn an, sehen Kinder ihre Eltern, oder Familienmitglieder mit kleinen rechteckigen Dingern vor sich herumwedeln. Das Smartphone macht es möglich, dass alle Entwicklungsschritte, jedes Detail und jeder Tag in Bildern oder kurzen Videoclips festgehalten werden kann. Diese werden dann häufig an Großeltern oder andere nahestehende Personen verschickt, so können auch räumlich getrennte Verwandte stets fast in Echtzeit Anteil an den Entwicklungsschritten, witzigen Momenten und überhaupt am Leben des Kindes haben.
Inwieweit man das auch übertreiben kann, wie viele der Bilder in den Tiefen des Handyspeichers oder irgendwelcher Clouds verschwinden, das vermag ich nicht zu beurteilen, aber grundsätzlich finde ich es schön, wenn es viele Bildern gibt. Visuelle Erinnerungen verblassen doch schnell und so gibt es durch eine Vielzahl an Fotos eben auch viele Erinnerungen die greifbar bleiben und später immer wieder angeschaut werden können. Neben den unzähligen Smartphon-Bildern, welche meist durch die Eltern selbst erstellt werden, existiert aber doch auch das Bedürfnis, dass Kinder professionell fotografiert werden. Häufig geschieht das schon direkt nach der Geburt im Krankenhaus, später dann gibt es die allseits bekannten Kindergartenbilder. Ein Fotograf, oder eine Fotografin kommt in den Kindergarten und die Kinder werden der Reihe nach fotografiert, häufig mit kleinen Dekorationsmitteln und in einem straffen Zeitplan
Darüber hinaus haben aber viele Eltern den Wunsch Portraits von ihren Kindern zu erhalten die individuell sind und wo ihr Kind im Mittelpunkt steht. Manchmal im Rahmen von Familienbildern, Geschwisterbildern, oder auch als Einzelshooting. Im Studio entstehen dann häufig Bilder, welche je nach Wunsch und Vorlieben, die Kinder auch gern in witzigen Verkleidungen, mit Dekorationen, als Cake Smash Shooting, in Blecheimern, in Wraps, mit Blumenkränzen und vielerlei mehr zeigen. Diese Art der Kinderfotografie möchte ich keinesfalls bewerten, oder gar abwerten, sie liegt voll im Trend und es gibt unzählige Angebote und es liegt mir fern darüber zu urteilen. Aber es gibt auch Eltern, die eben genau das nicht wollen, die ihre Kinder ohne „Schnickschnack“ fotografiert haben möchten. Um genau diese Art Kinderportraits soll es in diesem Artikel gehen, gerichtet an alle die sich mit diesem Thema beschäftigen oder daran interessiert sind.
Ort und Zeit
Nahezu alle meine Kinderportraits entstehen draußen in natürlicher Umgebung. Die Auswahl der Location überlasse ich dabei den Eltern, aber strebe an, dass es ein Ort ist, den die Kinder mögen, der ihnen vielleicht sogar vertraut ist, der eine natürliche Kulisse gibt. Das kann der heimische Garten sein, ein Park, ein Spielplatz, oder ein anderer Lieblingsort. Bäume, Sträucher als Hintergrund, eine Wiese, kleine Sitzgelegenheiten, das ist sehr unterschiedlich, aber ein Ambiente welches das „draußen sein“ verkörpert mag ich dabei sehr.
Die Uhrzeit richtet sich dabei, insbesondere bei kleineren Kindern, nach deren Bedürfnissen. Ein Kind, welches seinen Mittagsschlaf für ein Shooting verpasst, wird genauso gestresst sein, wie ein Kind, welches direkt nach einem anstrengenden Tag in der Schule fotografiert werden soll. Die Tagesrandzeiten mit dem schönsten Licht kommen aber naturgemäß nur sehr selten in Frage. Als Zeit plane ich meist ca. 1-2 Stunden ein, abhängig davon, ob es auch Familienbilder geben soll, Geschwisterfotos, oder nur Einzelportraits. Diese Zeit beinhaltet das Kennenlernen und ein entspanntes Shooting mit Pausen.
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen
Eine sehr banale aber doch so wichtige Binsenweisheit: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Wird sie beherzt, stellt sie durchaus den Schlüssel für ein entspanntes Shooting und schöne Bilder dar. Während Erwachsene darauf bedacht sind, sich von ihrer schönsten Seite zu zeigen, kleine Anweisungen meist gut befolgen, still sitzen oder stehen können, ist das für Kinder oft schwierig. Kinder haben andere Bedürfnisse, einen großen Bewegungsdrang, wollen Dinge erklärt haben und haben oft eigene Ideen. Es hilft sehr, wenn man dabei „mit“ und nicht „über“ die Kinder spricht.
Selbstverständlich sind die Wünsche und Vorstellungen der Eltern zunächst maßgeblich, aber erfahrungsgemäß ist es viel einfacher, wenn man die Kinder in diese Gespräche mit einbezieht. Das beginnt schon bei der Auswahl der Kleidung, beim Ort und bei der Wahl des Settings. Das Kind soll sich wohl fühlen, sich dem Thema auch ein wenig spielerisch nähern und Spaß daran haben. Mir ist es stets wichtig Vertrauen aufzubauen, mich den Kindern vorzustellen, sie stets mit ihrem Namen anzusprechen und mich so viel wie möglich mit ihnen zu unterhalten, sie mit Respekt zu behandeln und Fragen zu beantworten. Dazu gehört auch, dass ich Kinder nie ungefragt anfasse, um beispielsweise eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen oder ähnliches. Dazu gehört, dass ich Dinge erkläre, kleine Komplimente mache, wenn etwas besonders gut geklappt hat, dass das Kind stets im Mittelpunkt steht und ich mich sozusagen auf „Augenhöhe“ begebe.
105mm – F1,4 – 1/250s – ISO 100
Kinder sind schnell, bewegungsfreudig und oft sehr spontan. Gerade noch scheint alles gut zu laufen und im nächsten Moment kann es passieren, dass das Kind plötzlich keine Lust mehr hat und etwas anderes tun will oder gehen will. In solchen Momenten bringt es meist nichts die Kinder zu überreden und „noch ein Bild“ machen zu wollen.
In solchen Situationen ist es sinnvoll eine Pause zu machen und die Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Ich zeige ihnen Bilder am Display, die meisten Kinder finden das spannend und nicht selten wollen sie dann auch direkt weiter machen. Auch wenn der ungefähre Zeitrahmen vorgegeben ist, in solchen Momenten signalisiere ich, dass es keinen Zeitdruck gibt, dass es völlig ok ist, wenn wir eine Weile nicht fotografieren.
Das macht es auch für die Eltern entspannter, Manchmal fühlen sich Eltern gestresst, wenn ihr Kind scheinbar nicht so kooperativ ist wie gewünscht und das überträgt sich dann auch auf die Kinder. Dabei ist das völlig normal, insbesondere für kleinere Kinder kann so ein Fotoshooting langweilig und eher nervig sein und je mehr Geduld die Erwachsenen haben, umso besser funktioniert es mit den Fotos.
Kinder sind kleine individuelle Persönlichkeiten, mit viel Fantasie und einer reichen Gedankenwelt und es lohnt sich ihnen zuzuhören und dabei schöne Momente einzufangen. Es bedarf ein bisschen Geduld und Gelassenheit, aber es macht auch viel Spaß.
Ganz ohne Posing geht es nicht
Bei aller Natürlichkeit ist das Ziel selbstverständlich klar definiert, es sollen keine Schnappschüsse, sondern schöne Portraits entstehen, was es unumgänglich macht, dass sich die Kinder am gewünschten und passenden Ort befinden und in guter Perspektive fotografiert werden können. Hierbei hängt das Vorgehen sehr vom Alter der Kinder ab. Kleinere positioniere ich gern an der gewünschten Stelle, so, dass der Hintergrund passt und ich eine gute und freie Perspektive habe und warte ab, was geschieht, daraus ergeben sich häufig schon schöne Fotos. Je mehr das Interesse eines Kindes geweckt ist, entweder am Fotografieren selbst oder an etwas, mit was es sich beschäftigt, umso bessere Möglichkeiten ergeben sich. Langweilig wird es für ein kleineres Kind nur dann, wenn es für längere Zeit einfach nur still sitzen soll ohne, dass eine Interaktion stattfindet, oder ohne, dass etwas die Aufmerksamkeit fesselt.
Ältere Kinder können auch gut animiert werden ein bisschen zu posen, oder bestimmte Positionen einzunehmen. Aber auch da lohnt es sich oft einfach abzuwarten, manchmal ist den Kindern dann das „fotografiert werden“ nicht mehr so bewusst und sie verhalten sich dann häufig viel natürlicher und es ergeben sich überraschende Bilder. Kleine Accessoires, ein Lieblingsspielzeug, ein Buch, oder Dinge aus der Natur sind oft hilfreich und bereichern das Foto.
Kompliziertere Anweisungen sind für Kinder häufig schwer umsetzbar, Dinge wie „die rechte Schulter etwas nach vorn“, „das Kinn etwas höher“ usw. wie man sie in der Erwachsenenfotografie nutzt, sind für Kinder nicht geeignet und man muss kindgerechte und einfach umsetzbare Formulierungen wählen und vor allem geduldig sein. Manchmal lohnt es an dieser Stelle auch die Eltern mit einzubeziehen welche die gewünschte Pose einfach vormachen.
Die Möglichkeiten, welche sich ergeben, sind dabei sehr individuell und man bekommt schnell ein Gespür dafür, inwieweit ein Kind die kleinen Anweisungen umsetzen möchte und kann. Das hat nichts damit zu tun, ob Kinder „schwierig“ sind, oder es einfacher ist mit ihnen zu arbeiten, sie sind einfach genauso unterschiedlich und individuell wie es alle Menschen sind, das ist bei Portraits von Erwachsenen nicht anders. Kommunikation ist der Schlüssel, wenn Kinder ein wenig Vertrauen gefasst haben, erzählen sie gern, beantworten Fragen und sind insgesamt viel eher bereit für ein Foto still zu sitzen, oder ein bisschen zu posen.
Bei Geschwisterbildern ist es schön, wenn zwischen den Kindern Interaktion stattfindet, auch da lohnt es sich abzuwarten, nachdem die ersten Bilder gemacht sind, besonders niedliche oder ausdrucksstarke Motive ergeben sich dann häufig von ganz allein.
Müssen Kinder lächeln auf Fotos, oder in die Kamera schauen? Ich sage „nein“. So wundervoll ein Kinderlachen ist, auch ein nachdenklicher Gesichtsausdruck, oder der Blick auf etwas, was die Aufmerksamkeit gerade fesselt, kann ganz bezaubernd sein. Wenn ich ein Kind beim Gespräch, oder von sich aus, zu einem natürlichen Lächeln oder herzhaften Lachen bringe, dann ist das schön, aber ich fordere die Kinder nicht permanent auf zu lächeln, genauso wenig wie ich einem Kind im Vorschul- oder Grundschulalter mit Zahnlücken das Lachen ausreden würde. Insgesamt ist es nicht schwierig schöne Fotosituationen zu bekommen, manchmal auch spontan, vorausgesetzt man bringt etwas Geduld mit und ein gutes Gespür für die Kleinen.
105mm – F1,4 – 1/250s – ISO 100
Equipment und Aufnahmetechnik
Grundsätzlich halte ich für ein Kindershooting mein Equipment so klein wie möglich und nehme nur die Dinge mit, die ich brauchen werde. Nicht selten geschieht es, während man mit den Eltern mit einem Kind beim Fotografieren ist, dass das Geschwisterkind das Fotogepäck inspiziert. Daran sollte man denken und die Dinge entweder so ablegen, dass sie nicht erreichbar sind, oder direkt bei sich haben. Dass hochwertige Technik kein Spielzeug ist, das kennen die Kinder auch von zu Hause, aber woher soll ein kleineres Kind wissen, dass das achtlos auf der Wiese abgelegte Fotogepäck eben nicht als spannende Beschäftigung geeignet ist?
Ich arbeite gern mit längeren Brennweiten, zum einen um eine schöne Freistellung zu erreichen, aber insbesondere um etwas auf „Distanz“ gehen zu können. Vor allem kleinere Kinder mögen es nicht, wenn man ihnen mit der Kamera so nah kommt, aber vordergründig gibt mir das auch die Möglichkeit, dass ich aus der Entfernung die Kinder fotografieren kann, ohne, dass es so präsent ist, ohne, dass ihnen die auf sie gerichtete Kamera so bewusst ist und sie möglicherweise verunsichert. Daraus ergeben sich dann natürlichere Motivsituationen.
105mm – F1,6 – 1/250s – ISO 160
Am flexibelsten ist man da selbstverständlich mit einem Zoomobjektiv. Allerdings bin ich ein großer Fan von lichtstarken Festbrennweiten mit schönem Bokeh und am liebsten nutze ich das 105mm, aber habe auch schon mit dem 105mm Macro und dem 50mm gearbeitet.
Häufige Objektivwechsel bringen oft Unruhe, unterbrechen den Flow und ich versuche das zu vermeiden und verändere eher meine eigene Aufnahmeposition. Da empfiehlt es sich dann eher mit zwei Kameras zu arbeiten die schnell gewechselt werden können, als das Objektiv zu tauschen. Ich verzichte bei Kindershootings auch weitestgehend auf Hilfsmittel für das Lichtmanagement wie Reflektoren, Diffusor usw. und nutze natürliche Gegebenheiten von Schatten und Licht, sowie einen kleinen externen Blitz. Letzteres hilft auch die Belichtungszeiten kurz zu halten, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden, Kinder sind naturgemäß selten für längere Zeit in einer Position. Da gilt als einfache Faustregel, lieber die ISO zu erhöhen und möglicherweise ein bisschen Bildrauschen in Kauf zu nehmen, als rauschfreie, aber unscharfe Bilder zu erhalten.
Um auf Augenhöhe zu fotografieren ist es oft notwendig eine Perspektive am Boden einzunehmen, robuste Kleidung ist da ein Muss. Einen frischen Akku habe ich in der Hosentasche, um ihn schnell zur Hand zu haben, denn eines lernt man sehr schnell: Eine gute Aufnahmesituation kann ganz schnell vorbei sein und lässt sich mit Kindern nur selten reproduzieren, da ist es ärgerlich, wenn man gute Bilder verpasst, weil man mit dem Equipment beschäftigt ist. Um schnell zu sein nutze ich in den allermeisten Fällen den Autofocus und arbeite fast immer mit geöffneter Blende. Bei lichtstarken Objektiven halte ich damit die Belichtungszeit kurz und erreiche eine schöne Freistellung.
Die Nachbearbeitung
Grundsätzlich unterscheidet sich die Bearbeitung der Bilder nicht so sehr von der Bearbeitung von Erwachsenen Portraits. Auf Retusche verzichte ich, das ist bei Kindern nicht nötig, auf Wunsch entferne ich beispielsweise bei Kindern im Teenager Alter kleine Hautunreinheiten. Sehr gern mag ich insgesamt helle luftige Bilder, aber auch kräftige Farben.
Farbe oder Schwarzweiß? Ähnlich, wie ich mich in der Naturfotografie fast ausschließlich für farbige Bilder entscheide, weil für mich Natur in Farbe stattfindet, verhält es sich auch bei den Kinderportraits. Kinderleben ist bunt, Kinder tragen oft farbige Kleidung und gerade draußen in der Natur ergibt die Vegetation häufig einen schönen Farbkontrast. Gleichzeitig mag ich aber auch gern Schwarzweiß in der Portraitfotografie und so kann ich mich häufig auch schwer entscheiden und gebe den Eltern dann auch zum Teil beide Varianten. Insbesondere bei harten Kontrasten, oder wenn das Foto keine bildwirksamen Farbinformationen enthält, entwickle ich die Fotos ausschließlich in Schwarzweiß, das ergibt eine großartige Bildwirkung.
Fazit
Kinder zu fotografieren kann herausfordernd und auch anstrengend sein, aber es macht sehr viel Spaß diese bezaubernden, kleinen Wesen zu fotografieren und für eine kurze Zeit ihre Gedankenwelt zu teilen. Und auch wenn viele Kinder es gern mögen sich zu verkleiden, oder in eine Rolle zu schlüpfen, sind sie für mich in ihrer ungekünstelten Natürlichkeit und als individuelle Persönlichkeit doch am schönsten in Szene zu setzen. Das Equipment ist die Basis, aber Respekt, Geduld, Einfühlungsvermögen und spontane Kreativität sind der Schlüssel zum Erfolg.
Erwähnte Objektive
Die Autorin
Ines Mondon ist SIGMA Referenzfotografin, Buchautorin, gibt Workshops und hält Vorträge. Sie ist außerdem ehrenamtliche Fotografin für die Organisation „Dein Sternenkind“. Ihre Schwerpunkte sind die Makrofotografie und ein Stück weit die Landschaftsfotografie, sowie die abstrakte und Detailfotografie. Ihre Stilmittel sind häufig gefühlvolle und pastellige Bilder, welche die Grenze zur Malerei berühren.