Street Photography in Luxembourg -Teil 1
Street Photography bedeutet für mich Freiheit. Ich bin weder an ein Studio oder Modell gebunden und kann sie zu jeder Tageszeit und beinahe an jedem Ort ausüben. Gleichzeitig ist das auch die Schwierigkeit. Street Photography lebt vom Moment und ist nur selten planbar. Es gibt nicht die eine Definition, aber es gibt ein paar Dinge zu beachten. Dann sollten die Schubladen auch möglichst schnell wieder geschlossen und die eigene Kreativität hervorgeholt werden.
Was ist Street Photography?
Street Photography erstreckt sich für mich von Reportage-Fotografie bis hin zu künstlerischen Ausdrucksformen. Sie hat nicht den Anspruch, die Realität zu dokumentieren, sondern bietet einen großen kreativen Freiraum. Allgemein gilt, dass immer eine ungestellte Szene abgebildet wird, ein Moment oder ein Ausschnitt des öffentlichen Raums. Bühne kann hier zum Beispiel die Stadt, ein Dorf, ein Strand, ein Museum oder ein Bahnhof sein. Eine große Stadt bietet mehr Möglichkeiten, es lassen sich leichter Motive finden und es fällt weniger auf, dass gerade fotografiert wird. Ich suche schließlich ungestellte, entscheidende Momente, die möglichst unbeeinflusst durch mich stattfinden. Diesen „entscheidenden Moment“, den „decisive moment“, suchte schon Henri-Cartier-Bresson in den dreißiger Jahren. Er gilt als einer der Urväter der Street Photography und war ein Meister darin, den Auslöser zur richtigen Zeit zu drücken.
Zwei Zitate von ihm, die das untermalen:
“There is nothing in this world that does not have a decisive moment”
“The difference between a good picture and a mediocre picture is a millimetre”
Henri Cartier-Bresson
Wie gehe ich vor?
Ich lebe in Frankfurt am Main, und für mich beginnt die Street Photography vor der eigenen Haustür. Die meisten meiner Fotos entstehen hier mit meiner Fujifilm X-T4, die immer und überall dabei ist. Ich gehe oft nach der Methode des „Fischens“ vor. Das bedeutet, ich suche mir einen Ort, der mich optisch anspricht, wo das Licht gerade sehr gut fällt, mir die Linien, Formen, Farben, eine Spiegelung oder etwas anderes gut gefällt. Ich versuche dann, verschiedene Perspektiven einzunehmen, baue mir im Kopf eine Art Bühne, und wenn ich denke, jetzt passt es, und es fehlt nur noch der passende Mensch dazu – dann warte ich auch schon mal einige Zeit an Ort und Stelle. Oder komme zu einem anderen Zeitpunkt wieder. Irgendwann habe ich ihn dann, meinen entscheidenden Moment, und das passende Foto.
Aber die Augen offen zu halten für die spontanen Momente und bereit dafür zu sein, das halte ich für mindestens genauso wichtig. Es kommt eben darauf an, was man selbst sieht und wahrnimmt. Das Auge kann man durch regelmäßiges Fotografieren trainieren. Dazu fällt mir ein weiteres Zitat von Bresson ein:
“Your First 10,000 photographs are your worst. “
Henri Cartier-Bresson
Das bedeutet für mich, dass man nicht aufgeben sollte, auch wenn man mit sich selbst und seinen Fotos nicht immer zufrieden ist. Die besten Fotos kommen nicht von ungefähr. Und durch die eigenen, weniger guten Fotos wächst man. Und die hat man immer mal wieder. Gerade in der Street Photography ist es normal, dass man mit viel Ausschuss von einem Foto-Walk zurückkommt. Deswegen versuche ich auch, so oft wie möglich fotografieren zu gehen.
SIGMA + Fuji & Luxembourg
Als mir SIGMA Anfang Mai ein Paket mit drei Objektiven dem 16mm, 30mm und 56mm aus der Contemporary Reihe mit jeweils einer Offenblende von 1,4, zum Testen zuschickte, freute ich mich doch sehr über diese Gelegenheit. Zudem passte es zeitlich sehr gut, da ich ein Wochenende in Luxembourg vor der Tür stand.
Dort findet alljährlich das „Luxembourg Street Photography Festival“ statt, zu dem wir bereits zum zweiten Mal mit unserem Street-Photography-Kollektiv „Collateral Eyes“ eingeladen wurden. Neben einem kleinen Vortrag, den wir selbst hielten, gab es ein umfassendes Programm von namhaften Streetfotografinnen und -fotografen und eine großartige Ausstellung. Zum Glück hatten wir neben einem Festivaltag auch noch reichlich Zeit zum Fotografieren eingeplant, denn nach so viel Inspiration und kreativem Input juckte es im Auslösefinger!
(Alle drei Objektive sind neu für den Fuji X-Mount und für APS-C Kameras ausgelegt. Rechnerisch ist der Crop-Faktor von x1,5 zu beachten um sie auf einen größeren Vollformat Sensor (Kleinbildäquivalent) umzurechnen.)
Drei-Ecken
Am Freitag starteten wir das Wochenende mit einem längeren Aufenthalt im weitläufigen Gelände des Campus Belval in Esch-sur-Alzette. Hier vereint sich der industrielle Charme der Vergangenheit mit modernster Architektur. Wer minimalistische Motive sucht, ist hier genau richtig. Die Methode des Fischens eignet sich gerade an solchen Orten hervorragend. Besonders interessant für mich war ein Gebäude, das verschieden große, dreieckige Fenster hat. Vom Vorjahr kannte ich den Ort bereits und wusste, dass hier bestimmt einige gute Motive möglich sein werden.
- Beim ersten Foto wollte ich einen farblichen Kontrast zur weißen Wand finden. Die Dame in pinker Kleidung kam mir gerade gelegen. Bevor die Pink Lady meine „Bühne“ betrat, kamen viele andere Passanten vorbei, bei denen meist irgendetwas nicht passte. Ich stand also eine Weile hier und drückte des Öfteren den Auslöser.
- Das nächste Foto kostete mich noch mehr Geduld. Hier reizte mich zunächst der Lichteinfall, der einen hellen Streifen im Hintergrund bildete. Es war nicht so einfach, eine passende Kombination zu finden, da der Lichtspalt nur sehr schmal war und die Menschen, die dort entlangliefen, nur kurz beleuchtet wurden. Eine schwierige Situation für jeden Autofokus. Ich hätte hier besser auf manuelle Fokussierung umstellen sollen, denn einige Male passte hier der Fokus leider nicht. Das kann frustrieren, doch hinterher ist man schlauer. Letztendlich hat es doch noch funktioniert, der nette Mann mit Hut tauchte auf und winkte mir freundlich zu. In diesem Fall wurde ich bemerkt und habe das „Modell“ ungewollt beeinflusst. So etwas bleibt nicht aus, und führt manchmal zu diesen Situationen, die aber dennoch ungestellt sind und zudem amüsant sein können. In solchen Momenten ist es gut, eine Visitenkarte dabei zu haben und das Bild eventuell anzubieten.
- Für das dritte Foto, das rote Dreieck, war ich dann im Gebäude und habe durch eines der Fenster nach draußen fotografiert. Die rote Wand des Nebengebäudes bildete einen scharfen Kontrast. Der Mensch wurde genau in der Mitte platziert und komplettierte mit einem gleichmäßigen Ausfallschritt, ein Dreieck bildend, meine Komposition. Ich belichtete hier auf das beleuchtete Haus gegenüber und nutzte die Spot-Messung. So hüllte sich der Raum, in dem ich stand, in Dunkelheit. Hier benutzte ich das 16mm-Objektiv, weil das Fenster sehr groß und der Raum innen sehr klein war. Der Platz reichte kaum aus, um weiter nach hinten zu gehen. Auch hier machte ich einige Fotos, bis etwas passendes dabei war.
Fazit
Es lohnt sich oft einen Ort aus mehreren Perspektiven zu erkunden. Genau das habe ich hier getan und so drei recht unterschiedliche Fotos gemacht, die zugleich etwas gemeinsam haben. Mehr von diesem Ort findet ihr auf meinem Instagram Account.
Licht und Schatten
Diese beiden Fotos wurden am Hauptbahnhof in Luxembourg City gemacht. Sie wirken vor allem durch das besondere Licht. Eines davon wurde am frühen Morgen, das andere am Abend aufgenommen.
Der Mann, der hier am Bahnhofsvorplatz in Richtung der Sonne läuft und einen langen Schatten mit sich zieht, wurde im späten Abendlicht fotografiert. Durch das sehr helle Gegenlicht und die Belichtung (wieder mit Spot-Messung) auf dieses Licht wird der Rest des Fotos dunkel. Es entsteht ein „negative space“, also eine leere Fläche im Foto, die wunderbar als Stilmittel verwendet werden kann. In der Nachbearbeitung wurde dieser Effekt noch etwas verstärkt, indem ich den Schwarzwert anpasste.
30mm F1,4 DC DN | C – F8 – 1/2.200s – ISO 320
Vom Morgenlicht angestrahlt, zog es mich in das Gebäude des Hauptbahnhofs. Die Sonne scheint hier durch ein gefärbtes großes Fenster, das an ein Kirchenfenster erinnert und dieses besonders warme Licht entstehen lässt. Hier kam das 56mm 1.4 zum Einsatz, das mir in dieser Situation sehr nützlich wurde. Ich versuchte mehrere Passanten zu fotografieren, die an dieser Stelle durch einen Lichtspot liefen. Ein schwieriges Unterfangen, weil sehr viele Menschen unterwegs waren. Doch die meisten Menschen waren in Eile und damit beschäftigt, ihren Zug zu erwischen. Sie interessierten sich nicht für mich, obwohl ich dort recht präsent mitten in der Menge mit der Kamera stand. Trotzdem wurde ich teils mit fragendem Blick angeschaut und entgegnete dem mit einem Lächeln. Mit der Zeit wurde ich Teil der Masse und fiel gar nicht mehr auf. So gelang mir nach ungefähr einer halben Stunde dieses Foto. Der Mann mit dem Hut war mir direkt aufgefallen, da er beinahe etwas verloren hin und her lief. Der Hut wirft hier einen Schatten in das Gesicht des Mannes. Dadurch sind seine Augen nicht erkennbar, was dem Bild einen mysteriösen Touch gibt und etwas an eine Szene aus einem „Film Noir“, jedoch in Farbe, erinnert. Auch hier habe ich die Spot-Messung genutzt und auf den hellen Spot belichtet. Ich konnte den Mann hier leider nicht allein und ohne weitere Passanten fotografieren, so wie ich es meist gerne habe. Doch hier dienen die Personen im Vorder- und Hintergrund nun als Rahmen und bringen etwas mehr Dynamik in die Szene. Das Licht tut hier sein übriges und lenkt den Blick direkt auf sich und somit auf das Motiv.
56mm F1,4 DC DN | C – F2,8 – 1/750s – ISO 320
Fortsetzung folgt…
Im zweiten Teil der Reise könnt ihr mich bei einem Streetphoto-Walk durch Luxembourg City begleiten. Dort warteten noch viele spannende Motive auf mich, und ich gebe euch weitere Einblicke in die Entstehung der Fotos.
Verwendete Produkte:
- SIGMA 56mm F1,4 DC DN | Contemporary
- SIGMA 30mm F1,4 DC DN | Contemporary
- SIGMA 16mm F1,4 DC DN | Contemporary
Der Autor
Stefan Lauterbach lebt in Frankfurt am Main und fotografiert hier mit großer Leidenschaft im Bereich der Street Photography. Stefan ist Autodidakt und fotografiert schon seit vielen Jahren. Im Jahr 2017 begann er mit der Street Photography und entwickelt sich seither stetig weiter. Er liebt den urbanen Raum, der ihm als eine Art große Bühne mit unendlich vielen Möglichkeiten dient. Am glücklichsten ist Stefan, wenn er ungestellte Situationen mit spannendem Licht, Schatten und Kontrasten kombinieren kann. Er ist daher ständig auf der Suche nach Momenten aus dem täglichen Leben und verpackt diese gerne in grafisch ansprechende Kompositionen mit einem künstlerischen Ansatz. Manchmal sind es auch nur die kleinen Momente und Details, die wir in unserem hektischen Alltag kaum noch wahrnehmen.
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