Produktfotografie am Wegesrand © Lars Kehrel

Produktfotografie am Wegesrand

Als Produktfotograf ist es manchmal gar nicht so einfach neben seinen „typischen“ Produkten das Portfolio vielfältiger zu gestalten und zu erweitern. Eine gute Gelegenheit hierfür bieten freie Arbeiten mit neuen Produkten, die man sich privat angeschafft hat. Dies ermöglicht vollkommene Freiheit in der Gestaltung der Bilder, sowie im Zeitrahmen. So konnte ich die frühsommerlichen Tage und einen Familienausflug nutzen, um meinen neuen Rucksack und ein paar Trecking-Schuhe ins richtige Licht zu rücken. Die Route führte meine Frau, unsere Kinder und mich durch ein bisschen Wald und endete im Felsenmeer. Ein bisschen Recherche vorab stimmte mich zuversichtlich auch geeignete Spots für schöne Bilder zu finden. Im Folgenden möchte ich euch ein bisschen mit auf diesen Ausflug nehmen und ein paar fotografische Kniffe vorstellen, die Ihr vielleicht am kommenden Wochenende direkt selbst einmal ausprobieren möchtet.

Die Vorbereitung

Das schöne bei diesem kleinen Projekt ist die Niederschwelligkeit. Keine Studiolichtsettings, keine unpraktischen Produkte, keine Probs und Szenenaufbauten. Den Rucksack und die Schuhe hatte ich nagelneu und somit auch ziemlich sauber. Die neuen Schuhe habe ich an dem Tag auch noch nicht angezogen, damit sie wirklich noch ganz frisch aussehen. Wir Ihr aber gleich seht, kommen auch die etwas älteren Schuhe meiner Frau noch gut rüber. Als Kamera habe ich die Sigma fp L eingepackt. Klein, leicht und kompakt ist sie für Ausflüge einfach prima geeignet. Ohne dabei Kompromisse in der Bildqualität eingehen zu müssen. Auch das Objektiv war schnell gewählt: Das SIGMA 105mm F2,8 DG DN Macro | Art ist mein absolutes Lieblingsglas für Produktbilder. Kaum Verzeichnung, extrem gute Schärfe und Auflösung, sowie eine Brennweite und Offenblende, mit der man schon ganz gut optisch freistellen kann. Zusätzlich nahm ich dann nur noch ein kleines Reisestativ mit. Auch hier profitier ich von der kleinen fp L, denn ein großer Objektivkopf ist hier wirklich nicht notwendig.

Bild 1: Der Action-Shot

Als sich am Wegesrand ein kleiner Bach schlängelte und die Kinder den ersten Keks essen wollten, verpflichtete ich meine Frau zum ersten Bild. Wasser ist immer wieder ein tolles Element für Fotos in denen ein bisschen was passieren soll. Die Bildgestaltung nimmt den Schuh, der im Moment des Bildes in das Wasser tritt, absolut in den Mittelpunkt. 

Den Winkel habe ich sehr flach gewählt und so, dass sich ein einigermaßen homogener Hintergrund ergibt, der nicht so sehr ablenkt und genug Abstand für die Freistellung bietet. Um die Spritzer im Bild einzufrieren ist natürlich eine kurze Belichtungszeit dringen nötig. Nach zwei, drei Testbildern habe ich mit 1/1600 Sekunden die geeignete Verschlusszeit gefunden. Bei offener 2,8er Blende ergab sich damit eine nötige Empfindlichkeit von nicht ganz wenigen ISO 2500. Den Fokuspunkt wählte ich manuell. Meine Frau stand so, dass sie mit dem Fuß an der gewählten Stelle mehrmals hintereinander auftreten konnte. Ich habe also auf den Schuh fokussiert und mit einem Zählen (1, 2, 3, Klick) haben wir die Bilder geschossen. Die Kamera dabei freihand. Natürlich gibt es bei solchen Bildern einiges an Ausschuss. Das Timing passt nicht, die Spritzer sind zu stark, sie sind zu schwach, der Bildausschnitt passt nicht, und so weiter. Nach einigen Minuten war das Bild im Kasten. In der Nachbearbeitung habe ich neben der normalen Bearbeitung hier noch den Socken farblich angepasst und das Flussbett von zu starken Gelb- und Grüntönen befreit. Auch habe ich bei allen Bildern den Markennamen des Herstellers in Photoshop verschwinden lassen.

Produktfotografie am Wegesrand © Lars Kehrel
105mm F2,8 DG DN Macro – 1/1600s – F2,8 – ISO 2500

Bild 2: Das Werbebild

An der gleichen Location wollte ich die Schuhe auch direkt in Szene setzen. Ich hatte mir vorher ein paar mögliche Positionierungen eines Schuhpaars in anderen Fotos auf dem Handy abgespeichert und hatte so ziemlich schnell das Bild arrangiert. Die Kamera durfte dieses Mal aufs Stativ, denn ich musste nun zwei Bilder kombinieren. 

Zum einen wollte ich die Schuhe von der Spitze bis zur Hacke im Fokus haben, zum anderen jedoch eine starke Separierung vom Hintergrund. Wer sich ein bisschen auskennt wird den fotografischen Widerspruch erkennen. Die Lösung ist einfach: Zwei Fotos. Eines abgeblendet und eines mit offener Blende. So habe ich hier ein Bild mit F14 und eines mit F2,8 deckungsgleich vom Stativ aus aufgenommen. Die geschlossene Blende konnte ich dank Stativ durch eine längere Belichtungszeit ausgleichen und blieb so, für beide Bilder, im niedrigen ISO Bereich. In der Nachbearbeitung lassen sich diese ziemlich einfach übereinanderlegen, automatisch ausrichten und dann durch eine Maskierung kombinieren. Wer den Aufwand nicht betreiben möchte, hätte hier nur mit dem F2,8 Bild schon ein recht ähnliches Ergebnis bekommen. Aber ich bin da doch der Perfektionist.

Bild 3: Das authentische Foto

Später begegnete uns am Wegesrand ein Baumstumpf der nicht nur zum Pausieren einlud, sondern auch für das nächste Bild. Der Rucksack musste ja auch langsam in Szene gesetzt werden. Also Rucksack auf den Baumstumpf und Foto. Nach den ersten Testbildern war ich nicht zufrieden. Wenn ich einen Ausschnitt nahm, der mir zusagte, war der Hintergrund zu unruhig. Ging ich für mehr „Bokeh“ näher heran, wurde der Bildausschnitt sehr eng. Ich erinnerte mich an die Brenizer Technik, in der man in der Peoplefotografie durch Panoramatechniken eine ungewöhnlich große Freistellung bei weitwinklig wirkenden Bildern erzeugen kann. Das wollte ich hier im ganz kleinen Rahmen ausprobieren.

Ich wählte den manuellen Modus und Fokus. Erstellte ein erstes Querformat Bild, in dem der Rucksack die Höhe ziemlich ausfüllt und anschließend zwei Bilder unten drunter und eines oben drüber. Das geht übrigens auch freihand problemlos. Für ein zuverlässiges automatischen Zusammenfügen der Bilder in der Bearbeitung muss man darauf achten, dass sich mindestens 1/3 der Bilder überlappen. Lightroom übernahm das „Stitching“ problemlos und sonst wurde an dem Bild eigentlich nur noch an den Kontrasten und Farben ein bisschen geschraubt.

Bild 4: Das Duplikat

Am Felsenmeer angekommen war gar nicht mehr so viel Zeit, aber ich hatte noch die Idee den Rucksack in Farbvariation und aus verschiedenen Ansichten zu zeigen. Aber in einem Bild. Ich suchte eine geeignete Stelle, bei der der Rucksack fotogen abgestellt werden kann und er zweimal nebeneinander passt. Hier sollte die Kamera auch wieder auf das Stativ, damit man möglichst deckungsgleiche Aufnahmen bekommt. 

Für die Bildkomposition wählte ich einen Winkel, bei dem noch ein Fels im Vordergrund von der Seite in das Bild ragte, um dem ganzen Bild mehr Tiefe zu verleihen. Kamera in den M Modus, Einstellung finden und Foto. Das Bild mit der frontalen Ansicht war im Kasten. Den Rucksack etwas drehen und zur Seite: Bild zwei. Kein Hexenwerk. Leider habe ich später am Rechner gemerkt, dass sich die „beiden“ Rucksäcke doch überschneiden und ich musste die Seitenansicht noch weiter nach rechts schieben – das erforderte eine wesentlich gewissenhaftere Freistellung, als es eigentlich nötig gewesen wäre. Um dem ganzen noch ein bisschen Pfiff zu geben, habe ich einen Rucksack noch in einem anderen Farbschema eingefärbt. Die Ebenenmodi Farbe und Farbton in Photoshop sind hierfür die richtige Wahl.

Lessons Learned

Rückblickend muss ich sagen, dass eigentlich alles ziemlich gut funktioniert hat und ein paar authentische Bilder entstanden sind. Meiner Erfahrung nach, sind solche Bilder auch bei Auftraggebern gern gesehen, da sie potenziellen Käufern der Produkte einen besseren Eindruck vermitteln als klassische Studiobilder vor weißem Hintergrund. In der Bearbeitung habe ich gemerkt, dass ich mir beim Befüllen des Rucksacks aber schon noch ein bisschen mehr Mühe hätte geben sollen: Durch passendes Füllmaterial wären die Falten in der Front bestimmt noch ein bisschen weniger sichtbar gewesen.

Ich hoffe ihr habt ein paar Ideen und Inspiration mitnehmen können.

Erwähnte Produkte:

Der Autor

 
Lars Kehrel
Produktfotograf

Lars Kehrel hat sich die Fotografie autodidaktisch angeeignet und ist seit über 10 Jahren fotografisch tätig. Er hat sich auf die Fotografie von Uhren spezialisiert und bereits Bilder für über 50 verschiedene Uhrenhersteller angefertigt. Er fotografiert mit L-Mount Kameras und SIGMA Objektiven.

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