Faszination Winterfotografie © Ines Mondon

Faszination Winterfotografie

Zugegebenermaßen gehöre ich grundsätzlich eher zu den Wärmeliebhabern und am liebsten bin ich zum Fotografieren im T-Shirt und dünner Hose unterwegs. Ein lauer Frühlingsabend, an dem ich auf einer Wiese liege, welche nach Frühling duftet, oder ein frischer Sommermorgen, an dem ich noch froh über die Kühle bin, weil ich um die spätere Hitze des Tages weiß, sind etwas wunderschönes und meine absoluten Favoriten. Trotzdem finde ich auch die Fotografie im Winter nicht nur spannend, sondern auch absolut faszinierend. Insofern vermisse ich manchmal meine alte Heimat das Erzgebirge, wo die Motive im Winter sozusagen vor der Haustür waren, tief verschneite Landschaften, Reif an den Bäumen, alles was das Winterherz begehrt und so sehr ich die Sommer im Rhein-Main Gebiet liebe, „Flachlandwinter“ sind fotografisch häufig nicht so sehr spannend und erfordern oft ein bisschen Mobilität und Flexibilität und nicht zuletzt eine gewisse Leidensfähigkeit in Bezug auf Motivarmut.

Aber da, wo Winter tatsächlich stattfindet ist es eine motivreiche und wunderschöne Jahreszeit. Die Wintersonne, die oft ein bisschen fade wirkt, aber manchmal auch Eis und Schnee regelrecht zum Glühen bringen kann, die macht schon ein sehr besonderes Licht und in Kombination mit den eisigen Blautönen ist das auch sehr spektakulär. Wer schon einmal im nördlichen Teil von Europa im Winter war, der weiß, um dieses besondere Licht und die kalten Farben, die in unseren Breiten durchaus auch zu finden sind, aber natürlich je nördlicher umso intensiver werden.

Ein tatsächlicher Vorteil im Winter zu fotografieren ist, dass man weder besonders früh aufstehen muss noch besonders lange abends unterwegs sein muss. Gleichzeitig auch etwas, was man bei Reiseplanungen für Fototouren beachten muss, der Tag ist in Bezug auf Helligkeit nicht besonders lang und wenn man weite Fahrstrecken zurücklegen muss, kann das durchaus zum Problem werden.

Im Bereich der Naturfotografie bietet der Winter in vielerlei Hinsicht Abwechslung. Ob man Tiere fotografieren möchte, Landschaften oder sich eher der Makro- und Detailfotografie widmen will. Selbst wenn man keine größeren Reisen unternehmen kann, wenn man keine Gletscher oder tiefverschneite Berge besucht, gibt es jeden Winter auch in unseren Breiten Fotogelegenheiten. Stabile Hochdrucklagen und kontinentale Einflüsse lassen das Thermometer oft tagelang auch tagsüber unter 0°C verharren, sehr schnell bilden sich dann an kleinen Gewässern bizarre Eisstrukturen, die eine große Motivvielfalt bieten. Starre und Dynamik lassen sich an kleinen Fließgewässern gut festhalten. Hochnebel geht häufig einher mit Reifablagerungen, welche dann trotz Schneemangel eine Landschaft winterlich erscheinen lassen.

Reifkristalle und Schneeflocken sind auch wunderbare Makromotive und in Kombination mit der Abend- oder Morgensonne kann man eine faszinierende Ambivalenz zwischen Kälte und Wärme auf den Chip bannen, Feuer und Eis. Wenn es kalt genug ist, kann es auch Spaß machen, gefrorene Seifenblasen zu fotografieren, das ist dann sogar im heimischen Garten möglich.

Die Fotografie im Winter benötigt allerdings auch ein bisschen mehr Vorbereitung und stellt ein paar Ansprüche an Ausrüstung und Equipment die in den wärmeren Jahreszeiten keine so große Rolle spielen. Diesbezüglich hier ein paar Tipps.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Kleidung, die warme Kleidung. Manch einer rollt jetzt vielleicht die Augen, weil das ja irgendwie logisch ist und kein besonderer Tipp, aber warme Kleidung ist eben nicht einfach nur eine dicke Jacke und erfordert ein paar Überlegungen. Der vielgepriesene „Zwiebellook“ ist von meiner Seite sehr zu empfehlen. Insbesondere wenn man mit dem Auto zur Fotolocation fährt, möglicherweise dann noch eine größere Strecke zu Fuß zurücklegen muss, ist es sinnvoll mehrere Kleidungsstücke übereinander variabel zur Verfügung zu haben. Neben einer guten Kälteisolation sollte die Kleidung auch winddicht sein, häufig fühlen sich Temperaturen, die eigentlich nur knapp unter dem Gefrierpunkt liegen mit Wind viel eisiger an (Windchill-Effekt). Wer im dichten Schneetreiben unterwegs ist, wird auch dankbar sein, wenn die Kleidung wasserabweisend ist. Nicht selten habe ich schon Leute gesehen, die im eisigen Island unterwegs waren, mit dicker Jacke, aber dazu Jeans und Turnschuhe trugen. Also auch den unteren Teil des Körpers nicht vergessen. Wenn ich weiß, dass ich bodennahe Aufnahmen machen will, ziehe ich mir einfach eine dicke Schneehose über die normale Hose, da kann mir die Kälte von unten nichts anhaben. Ansonsten empfehle ich Skihosen, oder Outdoorhosen die für tiefe Temperaturen gemacht sind, eventuell noch in Kombination mit einer Leggings aus Merinowolle zum Beispiel.

Dazu gehören selbstverständlich warme, rutschfeste und wasserdichte Schuhe in die auch ein paar dicke Socken hineinpassen, nasse und kalte Füße sind die denkbar schlechteste Kombination. Wer sich auf Gletscher oder Eisflächen begibt, kann auch Schuhspikes mitnehmen, die einfach über die Schuhe gezogen werden und nicht viel Platz benötigen. Vervollständigt mit einer warmen Mütze ist man gut dabei. Gerade wenn man vielleicht auf ein schönes Licht wartet, wenn die Location viele Motive bietet, oder man einfach lange vor Ort sein möchte, unterschätzt man häufig die Kälte. Wenn man sich nicht viel bewegt und ein paar Stunden bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt hinter dem Stativ steht wird es schnell empfindlich kalt, was nicht nur unangenehm ist, sondern auch nicht förderlich für die Motivation und Kreativität ist.

Taschenwärmer habe ich stets im Fotogepäck, bei extremer Kälte für das Equipment, aber grundsätzlich auch für mich. Der Schwachpunkt sind natürlich die Hände. Viele Handschuhe sind der Feinmotorik der Finger nicht gerade zuträglich, da muss jeder einfach die Handschuhe finden, die dahingehend einen Kompromiss darstellen zwischen warmen und beweglichen Fingern. Ob das spezielle Fotohandschuhe sind, wo die Fingerkuppen weggeklappt werden können, oder andere, das ist eine individuelle Entscheidung. Für extreme Kälte nehme ich mir noch übergroße Fausthandschuhe mit, die kann ich in Fotopausen über die anderen Handschuhe ziehen und da passt sogar ein Wärmepad mit rein. Wer die Kamera über das Display bedient, kann auch auf spezielle (Ski)Handschuhe zurückgreifen die Materialien enthalten, die für die Bedienung von Handydisplays konzipiert wurden. Selbstverständlich darf auch ein heißes Getränk im Gepäck nicht fehlen.

Aber nicht nur der Fotograf, sondern auch das Equipment ist diesen extremen Bedingungen ausgesetzt. Die modernen Fotorucksäcke bieten an sich eine recht gute Isolation, aber auch da gibt es natürlich Grenzen. Mein Tipp dazu, das Fotogepäck immer wieder verschließen, wenn man etwas entnommen hat, dadurch sind nicht alle Dinge gleichzeitig widrigen Bedingungen ausgesetzt. Akkus mögen extreme Kälte gar nicht und werden dann schnell mal schwach, diese trägt man am sinnvollsten körpernah und erst wenn sie gebraucht werden, kommen die zur Technik. Trotzdem empfiehlt es sich mehrere Akkus dabei zu haben, die Leistungsfähigkeit unterscheidet sich beträchtlich vom Sommer.

Probleme können auch entstehen, wenn man von einem winterlichen Shooting zurückkehrt. Der Wechsel von extremer Kälte in die kuschelige Wärme des Hauses lässt Objektive anlaufen und auch in den Kameras kann sich möglicherweise Kondenswasser bilden und der empfindlichen Elektronik schaden. Sinnvoll ist es, das Gepäck zunächst etwas „temperieren“ zu lassen, beispielsweise an einem kühleren Ort im Haus, bevor man es in die Wärme holt. Akkus aus Kameras entfernt man dabei am besten. Wenn die Technik etwas an Temperatur gewonnen hat, kann man die Dinge aus dem Gepäck holen um sie schonend zu trocknen und zu erwärmen. Zu bedenken ist auch, dass Kälte Materialien spröde und damit bruchanfälliger macht, genauso wie bei großer Kälte Knöpfe und Bedienelemente einfrieren können, das erfordert besondere Sorgfalt beim Umgang mit dem Equipment, insbesondere beim Objektivwechsel.

Das mag jetzt alles ein bisschen aufwändig und komplex klingen, ist es aber nicht, eine Fototour im Winter erfordert einfach ein bisschen mehr Vorbereitung, aber kann äußerst lohnenswert sein.

Gerade durch die speziellen Farben ist der Winter fotografisch gesehen eine der schönsten Jahreszeiten. Da lohnt es sich auch häufig, insbesondere an wolkenlosen und sehr klaren Winterabenden, nicht nur die Richtung des Sonnenuntergangs im Blick zu haben, sondern auch einmal die Gegenrichtung zu betrachten. Der Erdschatten ist im Winter dann oft sehr stark ausgeprägt und die pastelligen und mit fortschreitender Dämmerung zunehmend kräftigen Magenta- und Blautöne sind unvergleichlich schön und gefallen mir persönlich oft viel besser als ein (langweiliger) wolkenloser Sonnenuntergang. Zur richtigen Zeit hat man möglicherweise noch den aufgehenden Mond mit im Bild, dahingehend lohnt es, das vorher nachzuschauen. Auch die „blaue Stunde“ ist im Winter oft besonders ausgeprägt und fotogen.

Neben den großen und imposanten Landschaften sind es aber auch häufig die kleineren Dinge die wunderschön sein können. Mein Tipp dahingehend ist, dass man nicht nur die majestätische Winterlandschaft im Fokus haben sollte, es lohnt auch einen kleinen Bach, manchmal sogar eine eisbedeckte Pfütze näher zu betrachten. Es mag vielleicht im ersten Moment fast wie Blasphemie erscheinen, wenn man in einer grandiosen Landschaft steht und auf eine Pfütze im Sonnenuntergangslicht fokussiert ist, aber das kann, je nach Vorliebe, eben extrem spannend sein, Farben und Strukturen von Eis und Schnee sind einfach sehr speziell und unendlich vielfältig. Und selbst ein grauer und scheinbar trister Wintertag kann fotografisch lohnend sein, High Key Aufnahmen oder sehr grafische Aufnahmen von statischen Elementen wie Bäumen zum Beispiel sind eben gerade an solchen Tagen am besten möglich.

Ein Wort noch zur Nachbearbeitung.
Wenn man jemanden fragt, welche Farbe Schnee hat, dann sagen die meisten Menschen wohl „weiß“ als Antwort, aber so simpel ist es natürlich nicht. Einzelne Schneekristalle betrachtet sind nicht weiß, Schnee ist Wasser und schon deshalb an sich farblos und transparent. Was wir sehen ist die Farbe, welche der Schnee reflektiert, ein intensiver Sonnenuntergang lässt ihn scheinbar glühen, zur Dämmerung, im Schatten oder zur blauen Stunde wirkt Schnee eher bläulich. In die Bearbeitung der Bilder fließen natürlich viele Eindrücke mit ein, nicht nur visuelle und letztendlich zeigt jeder Fotograf was er „gesehen, gespürt, erlebt“ hat und schließlich ist das, die Basis dessen, was ein Bild ausmacht, wenn es andere Menschen ansprechen und berühren soll. Ohne zu verfremden oder in irgendein Extrem zu verfallen, rate ich deshalb den Weißausgleich nicht einfach nur neutral zu setzen, sondern das hervorzuheben, was vorhanden war. Eine Winteraufnahme eines grauen und bedeckten Wintertages kann fast monochrom wirken, genauso wie eine Aufnahme im Schatten sehr blau, oder eine im Sonnenuntergangslicht sehr rot wirken kann.

Winter ist für mich eine Jahreszeit, die ich mit vielen Assoziationen verbinde, nicht nur Weihnachten, Kälte, Matsch, graue Tage und die Abwesenheit von Wärme. Winter bedeutet für mich auch, dass die Natur sich ausruht, Starre, manchmal auch Frieden. Es gibt für mich keine schönere Stille als die von frisch gefallenem Schnee, wenn die Welt in Watte gepackt zu sein scheint und noch heute freue ich mich jeden Winter über die ersten Schneeflocken wie ein kleines Kind. Manchmal tut fotografieren im Winter nicht nur dem Portfolio gut, sondern auch dem Kopf und der Seele. Wenn man sich Kälte und Wind aussetzt, spürt man, dass man lebendig ist, weiß um die eigene Zerbrechlichkeit. In einer grandiosen Winterlandschaft in Island zu stehen ist nicht nur atemberaubend schön, das macht auch demütig und dankbar für die Schönheit unserer Welt, ein unvergleichliches Erlebnis. Aber auch der kleine Bach im Wald um die Ecke hat im Winter viele vergängliche Schönheiten parat die nur entdeckt werden wollen. Für mich immer wieder lohnenswert die eigene Komfortzone zu verlassen, um diese faszinierende Jahreszeit in Bildern festzuhalten.

 
Ines Mondon-Ford
Makrofotografin

Ines Mondon ist SIGMA Referenzfotografin, Buchautorin, gibt Workshops und hält Vorträge. Sie ist außerdem ehrenamtliche Fotografin für die Organisation „Dein Sternenkind“. Ihre Schwerpunkte sind die Makrofotografie und ein Stück weit die Landschaftsfotografie, sowie die abstrakte und Detailfotografie.  Ihre Stilmittel sind häufig gefühlvolle und pastellige Bilder, welche die Grenze zur Malerei berühren.

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