Wenn’s Fotografieren keinen Spaß mehr macht
Ein Blogbeitrag von Maike Wittreck und Kevin Winterhoff
Halb Deutschland war unter einer so dicken Schneedecke vergraben, wie schon lange nicht mehr – ein reiner Spielplatz für Fotograf*innen. Sollte man meinen, im Nachrichtenverlauf von uns Beiden sah es aber ganz anders aus: “Eigentlich habe ich gar keine Lust zu fotografieren” und “Gut, dass meine Kamera zurzeit repariert wird, dann muss ich gar nicht erst raus gehen und den Schnee fotografieren” sind Gedanken, die man bei leidenschaftlichen Landschaftsfotograf*innen wohl eher nicht erwarten würde. Wenn draußen schon der Rekordwinter wütet, dann sollten wir doch die Allerersten sein, die diese Winterlandschaft festhalten oder? Aber irgendwie fehlt der Antrieb, die Kamera in die Hand zu nehmen und sich kreativ auszutoben.
Dass die Motivation zu fotografieren schwankend ist kennt jeder. Auch Phasen, in denen man mal weniger kreativ ist gehören dazu. Die haben wir wahrscheinlich auch alle schon hinter uns. Aber da gibt es noch diesen Bereich darüber hinaus. Der Bereich, wo wir nicht mehr aus dem Bauch heraus entscheiden, ob und was wir fotografieren wollen, sondern wo ein Druck auf uns lastet, der verlangt, dass wir heute mindestens ein Dutzend perfekte Fotos produzieren. Und mit so einem Druck geht meist auch der Spaß an der Sache verloren.
Aber woher kommt so ein Leistungsdruck? Und was ist passiert, dass die Freude an etwas, dass uns normalerweise ein Lachen aufs Gesicht zaubert, plötzlich nicht mehr da ist? Die Antwort bekommt man, indem man sein Smartphone in die Hand nimmt und in die Welt der sozialen Medien versinkt, die vor perfekten Momenten nur so strotzt.
Fotografie ist ein Massenphänomen geworden. Wir haben fast alle mit der digitalen Fotografie angefangen und kennen nichts anderes als eine stark visuell geprägte Welt. Doch spätestens mit den sozialen Medien veränderte sich auch die Vielzahl visueller Beeinflussung. Und das betrifft nicht nur allein uns Fotografen, sondern alle, die sich in den sozialen Medien tummeln: diejenigen, die nur Content aufsaugen und diejenigen, die ihn produzieren. Die soziale Medien leben vom visuellen Eindruck des Perfekten, von nie endender Kreativität und der Aneinanderreihung absoluter Ausnahmefotograf*innen. Und was tun wir? Wir vergleichen das, was wir haben mit dem, was andere haben: die exotischere Reise, der schönere Körper, die größere Wohnung, die bessere Kamera…
Dieses ständige Vergleichen und diese Erwartungshaltung von einem selbst und anderen kann aber nur in zwei Richtungen führen: sie spornt einen an, immer weiter und mehr zu machen oder sie drückt einen runter. Diese zwei Seiten kennt vermutlich jeder, der einen Account auf Instagram und Co. hat. Es kann einen riesigen Spaß machen, sich mit anderen auszutauschen und so Inspiration zu finden, aber sobald man seine eigene Fotografie davon abhängig macht, wie vielen Leuten ein Bild gefällt und was die Statistiken sagen, kann das schnell zu Kopfzerbrechen führen und man beginnt an seiner Arbeit zu zweifeln.
Ansel Adams soll gesagt haben, dass 12 gute Fotos pro Jahr eine gute Ausbeute seien. Ansel Adams, du hättest definitiv keine Chance auf Instagram! Es reicht nicht mehr zwischendurch ein gutes Bild zu produzieren. Der Feed muss stimmen, alles muss aufeinander abgestimmt sein. Die Fotografien müssen nicht nur eine gestalterische Sprache, sondern auch ein eindeutiges, dir zuzuschreibendes Editing haben. Der Druck auf Fotografen wird damit umso höher: plötzlich fotografiert man nicht mehr für sich selbst, sondern für eine App. Follower, die nachdem sie einem Foto einen winzigen Bruchteil ihrer Aufmerksamkeit geschenkt haben, entscheiden komischerweise wie erfolgreich ein Bild in den sozialen Medien ist. Und das verändert uns!
Wenn man draußen in der Natur herumspaziert, denkt man nicht mehr daran wie befreiend es ist einfach an der frischen Luft zu sein, sondern überlegt was man fotografieren könnte, um seine Reichweite zu erhöhen. Man geht viel kalkulierender an die Sache heran. Die kindliche Neugier, die eigentlich so wichtig beim Fotografieren ist, geht verloren. Man probiert nicht mehr, sondern bewertet ein Foto bereits bevor man es geschossen hat. Man gibt schneller auf, wenn die Konditionen nicht „moody“ genug sind oder das Licht zu flach ist und das resultiert dann ganz schnell in mieser Stimmung, weil man schließlich keinen neuen Content vorzuweisen hat. Die Fotografie, die zu Beginn erleichternd und locker war, ist nun stressig und nagt am Selbstbewusstsein. Nur was können wir gegen die Zweifel und den Leistungsdruck tun?
First things first: Do not compare yourself to others! “Vergleichen raubt Freude” soll Theodore Roosevelt einmal gesagt haben. Eigentlich trifft es das genau. Wenn du Spaß hast an dem was du tust und es dir gut tut, dann vergleich dich nicht ständig mit anderen, womöglich noch mit Profis die davon leben. Es bringt dich nicht weiter, sondern zieht dich runter. Lernen ja, Vergleichen nein!
Man muss durch das Akzeptieren der Unterschiede zwischen der Fotografie von einem selbst und anderen ja keine Ziele wegwerfen. Aber die Herangehensweise ändert sich vielleicht dadurch. Wenn ich für Instagram und Likes fotografiere, dann gebe ich diesen Tools zu viel Macht über mich und meine Fotografie. Gute Fotos entstehen wenn sie von innen kommen, wenn man sie aus einem Selbstantrieb heraus macht, aus Spaß am kreativen Ausleben.
Wenn man sich „seelisch“ in einer gesunden Balance befindet, kann man auch entspannt und kreativ fotografieren. Die Konzentration auf eigene Fähigkeiten und die Leidenschaft an der Fotografie darf nicht durch Außendruck oder Erwartungen abgelöst werden. Dafür muss man seinem Kopf zwischendurch auch eine Pause gönnen, denn “Eigentlich habe ich gar keine Lust zu fotografieren”, sagt bestimmt nicht die Person, die damals ganz begeistert fünfmal denselben Fels aus verschiedenen Perspektiven fotografierte, mit Langzeitbelichtungen experimentierte oder die Möglichkeiten eines Polfilters ausreizte.
Diese Pause könnte man jetzt als kreative Findungsphase bezeichnen – wir würden sie eher als „Social-Media-tut-mir-nicht-gut-Pause“ bezeichnen. Es kann tatsächlich helfen, den sozialen Medien in solchen Momenten weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn’s hart auf hart kommt, kann man solche Apps ja auch einfach mal löschen oder weniger Fotografen folgen.
Oft ist dieser Druck ja auch mit dem eigenen fotografischen Bereich verbunden. Es kann daher auch mal Sinn machen, sich einfach in anderen Zweigen auszuprobieren, um dort die Freude an der Fotografie wieder zu finden. Und wenn ihr bei eurem Genre bleiben wollt, dann orientiert euch nicht an all’ den fernen Orten oder “Hotspots”, an denen ihr tagtäglich vorbei scrollt. Erkundet eure heimischen Wälder und Wiesen, Gassen und Schlösser – Orte die noch nicht bis zum geht nicht mehr fotografiert worden sind. In solchen Orten steckt so viel Schönes und ganz viel Kreativität.
Maike Descher und Kevin Winterhoff
Kennengelernt haben sich Maike und Kevin als Fotografen über Instagram. Im Austausch miteinander bemerkten Sie, dass auch wenn sie unterschiedliche Dinge fotografieren, sie beide ähnlich über die Fotografie denken.
Beide kennen das Gefühl des Fotodrucks nur zu gut. Kevin legte über ein Jahr die Kamera zur Seite, obwohl es gut lief und Maike verlor die Lust an Social Media, trotz gut laufenden Instagram Accounts.
Die Beiden wollten gemeinsam ihre Gedanken zum ungesunden Fotodruck teilen, um anderen zu vermitteln wohin es führen kann, wenn man sich von Instagram und Co. innerlich zu sehr abhängig macht und wie man die Lust am Fotografieren doch wiederfinden kann.