Osterspaziergang mit Ines Mondon © Ines Mondon

Osterspaziergang mit Ines Mondon-Ford

Im letzten Jahr hatte ich ja bereits Blogbeiträge verfasst, in denen ich Gedichte mit Bildern illustriert hatte. („Die fünfte Jahreszeit“ & „Weihnachtszeit„)

Diese kleine Serie möchte ich nun fortsetzen. Passend zur Jahreszeit und zum bevorstehenden Osterfest habe ich diesmal den „Osterspaziergang“ von Johann Wolfgang von Goethe ausgewählt. Literaturkenner werden jetzt den Finger erheben und sagen, dass es sich dabei eigentlich gar nicht um ein Gedicht handelt, sondern um einen Monolog aus Goethes Werk „Faust – Der Tragödie erster Teil“. Das ist mir durchaus bewusst, aber ich denke diese Zeilen sind im deutschsprachigen Raum so bekannt und haben sich auch als ein Frühlingsgedicht etabliert, so, dass man es getrost auch in dieser Art interpretieren kann. Übrigens ein Werk was sehr viel Raum für Interpretation lässt. Im Kontext des Gesamtwerkes spiegelt es möglicherweise die Situation des Protagonisten Faust wider, aber als Einzelwerk betrachtet, assoziiert man damit den erwachenden Frühling, die aufstrebende Natur und den Wunsch der Menschen sich hinaus in die Natur zu begeben und sich diese sozusagen nach dem langen dunklen Winter zurück zu erobern. Der Mensch der sein eigenes Paradies an einem schönen Frühlingstag finden kann, ein Glück, welches jedem möglich ist. Der Ernst des kirchlichen Osterfestes wird belebt durch die Menschen die ihre dunklen Häuser, Gassen und Städte verlassen, um sich an der Schönheit des erwachenden Frühlings zu freuen.

Gerade in diesen Zeiten hat das nichts an Aktualität verloren, wie ich finde. Genau wie damals zu Beginn des 19. Jahrhunderts als das Werk entstand, ist es auch heute noch ein Bedürfnis der Menschen an Ostern, sowie allgemein im Frühling, nach draußen zu gehen. Und genau wie damals spielen auch heute dabei Besitztum, Bildungsstand oder dergleichen keine Rolle. Es ist einfach ein Grundbedürfnis der Menschen das Erwachen der Natur, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen und den Frühling zu genießen. Frühling wird auch stets assoziiert mit Hoffnung, mit Zuversicht, Dinge, die wir alle gerade jetzt in Zeiten der Pandemie brauchen.

Es wird über Ostern nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, möglich sein, Reisen in ferne Länder oder andere Regionen zu unternehmen. Aber eine Möglichkeit für einen „Osterspaziergang“ haben wir alle vor unserer Haustür. Allein, mit der Familie, mit Freunden, aber vor allem auch mit der Kamera. Wie viele andere, habe auch ich sehr großes Fernweh und die Möglichkeit zu reisen fehlt auch mir sehr. Andererseits ist es auch spannend die eigene Umgebung fotografisch zu entdecken. Und gerade jetzt im Frühling bieten sich unendlich viele Möglichkeiten. In einem Punkt muss ich dem werten Herrn von Goethe nämlich widersprechen: „…denn an Blumen fehlt`s im Revier…“, es gibt schon jetzt sehr viele Blumen und damit Möglichkeiten der frühlingshaften Fotografie.

Vielleicht gibt mein Text und die dazu gehörigen Bilder auch Inspiration für die freien Tage über Ostern. Inspiration für einen Ausflug bei dem man sehr bewusst die Attribute des Frühlings wahrnimmt, mit allen Sinnen, nicht nur visuell. Genau wie damals sind Unbeschwertheit, Heiterkeit und Lebensfreude wichtig für uns Menschen. Die Natur kennt keinen Lockdown und keine Kontaktbeschränkung, die Natur zelebriert gerade den Frühling und wir können ihr so nahe kommen wie wir wollen, wir leben in einer Region in welcher Jahreszeiten sehr ausgeprägt und erlebbar sind, ein Umstand den wir nutzen können.

Osterspaziergang mit Ines Mondon © Ines Mondon

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern des Blogs ein wunderschönes Osterfest und vor allem Gesundheit und die Möglichkeit ein bisschen Zeit draußen zu verbringen.

Ines Mondon

Osterspaziergang

von Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832, deutscher Dichter, Schriftsteller, Naturforscher)

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick.
Im Tale grünet Hoffnungsglück.

Der alte Winter in seiner Schwäche
zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weisses.
Überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farbe beleben.
Doch an Blumen fehlt`s im Revier.
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen!
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Strassen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluss in Breit und Länge
so manchen lustigen Nachen bewegt,
und, bis zum Sinken überladen,
entfernt sich dieser letzte Kahn.

Osterspaziergang mit Ines Mondon © Ines Mondon

Selbst von des Berges ferner Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel.
Hier ist des Volkes wahrer Himmel.
Zufrieden jauchzet gross und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

Alle Bilder dieses Beitrags in der Übersicht

 
Ines Mondon-Ford
Makrofotografin

Ines Mondon ist SIGMA Referenzfotografin, Buchautorin, gibt Workshops und hält Vorträge. Sie ist außerdem ehrenamtliche Fotografin für die Organisation „Dein Sternenkind“. Ihre Schwerpunkte sind die Makrofotografie und ein Stück weit die Landschaftsfotografie, sowie die abstrakte und Detailfotografie.  Ihre Stilmittel sind häufig gefühlvolle und pastellige Bilder, welche die Grenze zur Malerei berühren.

Webseite