Wenn der Teutoburger Wald plötzlich verschwindet
Bei den SIGMA Online Days kam während des Reisefotografie-Talks die Frage auf, was man fotografisch an so tristen Wintertagen machen kann. Meine Antwort war ganz selbstverständlich, dass man trotzdem raus geht und seine Umgebung mit der Kamera erkundet. Denn auch wenn die Bäume zurzeit aussehen wie karge Silhouetten und der Himmel oft wolkenverhangen und grau ist, findet man trotzdem Motive, die es wert sind festgehalten zu werden. Das mag vielleicht eine kleine Herausforderung sein, aber mit Herausforderungen kommt ja auch immer ein Funken Motivation.
Zu meiner Schande musste ich mir dann allerdings selbst eingestehen, dass ich diesen Winter noch nicht einmal dazu gekommen war, einfach mal wieder mit meiner Kamera durch den heimischen Teutoburger Wald zu stapfen. Das konnte ich so natürlich nicht auf mir sitzen lassen.
An einem kühlen Morgen im Dezember, der mich alle Kraft kostete, mich aus meinem warmen Bett zu schälen, schnappte ich mir nach langer Zeit also endlich mal wieder meine Kamera und meine beiden Landschaftsfreunde, das SIGMA 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art und das SIGMA 70-200 F2,8 DG OS HSM | Sports und spazierte durch die Stadt Richtung Wald.
Zuerst machte ich mich auf die Suche nach den letzten Farbakzenten, die man zu dieser Jahreszeit noch in der Natur findet – das kleine Leuchten zwischen all dem Braun und Grau. Das führte mich gleichzeitig auch zu meinen Anfängen in der Fotografie (irgendwie haben wir doch alle mit Detail- und Makroaufnahmen begonnen oder?). Weder das 24-70mm noch das 70-200mm sind berühmt-berüchtigte Makroobjektive, trotzdem entstehen durch die geringe Tiefenschärfe und das Ausreizen des Zooms wunderschöne, ruhige Hintergründe mit einem sanften Bokeh, welches das eigentliche Motiv noch einmal mehr in den Fokus rückt.
Auch das letzte rote Laub, welches die Erde sich noch nicht zu eigen gemacht hatte, verlieh dem sonst sehr düsteren Wald noch einen Hauch Farbe. Einsam und traurig wird es erst, wenn ganz plötzlich weder Laub noch Baum zu sehen sind und man sich in einer Umgebung wiederfindet, die mehr einem Schlachtfeld gleicht, als einem friedlichen Rückzugsort. Die Fläche, die ich nun betrat war ein Meer aus Baumstümpfen und abgesägten Ästen – eine trostlose Öde.
Dieses Schicksal ist leider Realität für viele unserer Wälder hier in Deutschland. Unsere Sommer sind mittlerweile so trocken, dass die Regenmengen nicht ausreichen, um die Bäume zu versorgen. Und unsere Bäume brauchen Wasser, denn nur wenn sie genug Flüssigkeit aufnehmen, können sie Harz bilden. Harz ist wichtig, um sich gegen den gefräßigen Borkenkäfer zu verteidigen. Der will sich nämlich in die Rinde hinein fressen, bleibt dann aber im Harz stecken.
Normalerweise schaffen Bäume das ohne Probleme, so ein uralter Waldbewohner ist nämlich ganz schön widerstandsfähig. Aber wenn ihm die Stärke genommen wird, weil er an Wassermangel leidet, dann wird es immer schwieriger, gegen das Heer an winzigen Käfern anzukommen. Hinzu kommt dann noch, dass so ein warmes Klima das reine Paradies für den Borkenkäfer ist, denn der kann sich munter vermehren und hat es bei lang anhaltenden Sommern und milden Wintern immer leichter, bis zum nächsten Frühjahr zu überleben und viele Nachkommen in die Welt zu setzen.
Und dann spielt unser Wetter ja auch noch verrückt und schickt kräftige Stürme über’s Land, die viele Bäume zum Einstürzen bringen und wer freut sich über das tote Holz? Der Borkenkäfer. Also dem geht’s auf jeden Fall prima.
Ist ein Baum erst einmal gestorben, ist es wichtig, dass er schnell aus dem Wald transportiert wird, bevor der in ihm hausende Käfer sich einen neuen, gesunden Baum sucht. Und so entstehen dann diese leeren, traurigen Flächen.
Bevor wir jetzt alle sofort auf dem Borkenkäfer rumhacken: der gehört zu einem gesunden Ökosystem dazu und spielt eine wichtige Rolle bei der Zersetzung verrotteter Bäume. Indem er bereits tote Bäume befällt, macht er nämlich Platz für neue. Aber gesund ist das System nur, wenn die Population vom Borkenkäfer gering ist – gibt’s zu viele, befällt er nämlich nicht nur, wie eigentlich üblich, kranke Bäume, sondern auch die, die fit sind.
Mit dem Weitwinkel des SIGMA 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art konnte ich mich perfekt auf die noch übrigen Bäume als Ganzes konzentrieren, von Baumstamm bis Krone. So entstanden Bilder, die die Einsamkeit der Situation zum Ausdruck bringen. Das SIGMA 70-200 F2,8 DG OS HSM | Sports wiederum half mir, sowohl die desolate Fläche, als auch die Einzelkämpfer und den noch intakt-scheinenden Wald in der Ferne in einem Foto abzubilden. Durch die Kompression des Bildes entsteht so eine ganz eigene Geschichte und eine Vorahnung, was eventuell noch passieren könnte.
Jetzt lieben wir unsere Wälder ja und solche Anblicke nimmt man nicht sonderlich leichtfertig hin, deswegen möchten wir doch so gerne einen Schuldigen suchen, dem wir die Verantwortung in die Schuhe schieben können. Aber das sind nicht die Forstarbeiter, die Bagger oder die Sägen. Und auch nicht der Borkenkäfer! Letzten Endes sind das wir, denn wir tragen dazu bei, dass sich das Klima verändert. Jede Kaufentscheidung die wir treffen, jeder Wahlzettel den wir ausfüllen ist eine Tat für oder gegen unseren Planeten, für oder gegen alle, die die Erde ihr Zuhause nennen.
Jetzt sprach ich am Anfang von Motivation. Für mich ist die Natur eine große Motivation, besonders wenn sie intakt und wunderschön ist. Aber als Landschaftsfotografin sehe ich meine Aufgabe nicht nur darin, dem Betrachter die gesunden Seiten unserer Natur zu zeigen. Die dunklen Seiten, die uns nicht gerade mit warmen Glücksgefühlen erfüllen, gehören ebenso dazu, denn nur wenn wir die Zerbrechlichkeit unserer Landschaften erkennen, fangen wir an uns zu Kümmern und Umzudenken.
Maike Wittreck packt seit ihrer ersten großen Reise ans andere Ende der Welt immer wieder das Fernweh. Neuseeland war mit seinen schneebedeckten Bergen und blauen Gletscherseen der reinste Spielplatz für Landschaftsfotografie und somit war eine Leidenschaft geboren. Auch die Liebe zum Wandern wurde dort entfacht. Seitdem hält sie nichts allzu lang im Haus. Die rohe, ungezähmte Natur ist ihr Zufluchtsort, wenn das Leben verrückt spielt. Diesen Zufluchtsort möchte sie durch ihre Fotografie mit anderen Menschen teilen und sie zum träumen einladen.