Im Gespräch mit Michael Ginzburg © Michael Ginzburg

Im Gespräch mit Michael Ginzburg

Michael Ginzburg ist Fotograf, Filmemacher und Entdecker. Auf seinen Reisen verschlägt es ihn häufig in Polarregionen unserer Erde und auf dem Blog hat er uns bereits von seinen Expeditionen dorthin erzählt. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten wie er zu seinem ungewöhnlichen Job gekommen ist, was ihn mit Stolz erfüllt und wie man die Gelegenheit bekommt, ihn auf einer seiner Expeditionen zu begleiten.

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Hallo Michael! Wie geht es dir? Während wir uns hier in Deutschland im Frühjahr im Lockdown befanden, warst du in der Arktis. Was genau hast du dort gemacht?

Ich habe von Ende November 2019 bis April 2020 an der MOSAIC Expedition teilgenommen. Der größten Polarexpedition der Menschheitsgeschichte und nicht nur ein Meilenstein in der Erforschung der Arktis, sondern der komplexen Systeme die das Klima und damit auch das Leben auf unserem Planeten beeinflussen. Durch meine Erfahrung mit Eisbären und der Arbeit auf dem Meereis war ich in einem achtköpfigen Team für die Eisbärensichert und das sichere Arbeiten auf dem Eis zuständig. Und dabei habe ich so viel es ging fotografiert und gefilmt.

Erzähl doch mal ein bisschen was über dich. Du bezeichnest dich selbst als Fotograf, Filmemacher und Entdecker. Wie bist du zu dem gekommen, was du heute tust?

Durch Zufall! Und durch Verkettungen von Begegnungen und noch mehr Zufällen. Ich bin in der Sowjetunion geboren und dort war die Polarforschung sehr populär und fast schon zum Greifen nah. So wusste ich schon früh, dass ich in die Arktis will. Eisbären und das Meereis haben mich von klein auf fasziniert. Ebenso die Fotografie. Mein Vater hatte damals eine fantastische Zenit Kamera, die ich heute noch besitze. Zunächst dachte ich daran Wissenschaftler zu werden und kam so bereits in der Schulzeit zum Alfred Wegener Institut für Polar und Meeresforschung. Es folgten Forschungsexpeditionen, auf denen ich natürlich fotografierte. So machte ich mich direkt nach dem Abitur selbstständig und versuchte erste Aufträge und Projekte umzusetzen. Da die Tierfotografie meistens mit Reisen und extrem teuren Teleobjektiven verbunden ist, finanzierte ich diese Projekte mit dem Fotografieren von Konzerten. Das funktionierte sehr gut und machte sehr viel Spaß. So hatte ich das Vergnügen Konzerte von den Scorpions, Arctic Monkeys, Helge Schneider, Samy Deluxe, Guano Apes und vielen mehr zu begleiten. Dabei habe ich schnell gelernt, meine Kameras blind zu bedienen und mich gründlich auf das Individuum und die Umgebung vorzubereiten. Das war eine wichtige Schule, die mir bei der Tierfotografie heute noch hilft. Bei den Konzerten hat man in der Regel die ersten drei Songs Zeit, ohne Blitz, genügend Material zu liefern. Ein Zeitdruck, der bei der Tierfotografie oft auch da ist. Man muss also sehr schnell auf das Geschehen reagieren und alle Hindernisse wie schlechtes Licht, versperrte Sicht und so weiter hinnehmen und damit arbeiten.

Ein besonderer Meilenstein war, als meine Grönlandreportage bei National Geographic veröffentlicht wurde. Ich war 21 Jahre alt und das war so ein beflügelndes Ereignis, dass ich mehr wollte. Die Resonanz war so gut, dass ich mit den Gedanken spielte eine Karriere im Fotojournalismus zu verfolgen. Und so kam das eine zum anderen, aus Foto wurde auch immer mehr Film und heute habe ich das Glück mit ganz wunderbaren Menschen an tollen Projekten in der Arktis und Antarktis zu arbeiten.

Auf welche deiner Arbeiten bist du persönlich besonders stolz bzw. welches deiner Bilder schaust du dir selbst immer wieder gerne an? 

Das ist eine schwierige Frage. Das ändert sich stark im Verlauf der Karriere, mit zunehmendem Erfahrungsschatz vor allem im Rückblick auf die Arbeiten. Oft sind es gar nicht die Bilder selbst, auf die ich stolz bin, sondern das Drumherum, die Geschichte hinter den Bildern. Es sind oft Schlüsselmomente, die für mich durch bestimmte Bilder symbolisiert werden. Meine Grönlandreportage für National Geographic zum Beispiel, bei der ich die Inuit Kultur besonders schätzen und lieben gelernt habe. Oder das Bild des Autonomen Unterwasserfahrzeugs nach dem ersten erfolgreichen Untereiseinsatz in der zentralen Arktis, dass ich auf meiner ersten Expedition mit dem Forschungseisbrecher Polarstern gemacht habe, und das daraufhin um die Welt ging. Auch das erste Mal, als ich die heiligen Stätten der BBC betrat, um meine Expertise für die folgenden Dreharbeiten zu Dokumentarfilmen in den Polargebieten einzubringen, war ein sehr besonderer Moment, obwohl er nicht unmittelbar ein Bild hervorbrachte. Natürlich war es auch ein sehr prägender Moment meinen Film auf großer Kinoleinwand zu sehen und das deutschlandweit.

Heute macht mich aber kaum etwas stolzer, als das funkeln in den Augen meines Sohnes, wenn er allen möglichen Menschen seine Lieblingsfotos zeigt und Ihnen ganz stolz die Geschichten zu den Bildern erzählt.

Wenn Zeit, Geld und andere Faktoren keine Rolle spielen würden: Wie würde dein absolutes Traumprojekt oder Wunschmotiv aussehen?

Oh wow, auf so eine Carte Blanche wartet natürlich jeder Fotograf und Filmemacher.  Vor allem würde ich gerne zwei drei Projekte umsetzten, die über recht lange Zeiträume gefilmt werden müssten.

Eines davon in der Antarktis, quasi in der Kinderstube der Seeleoparden. Ich würde gerne die Seeleoparden von der Geburt bis ins adulte Leben begleiten, Seeleoparden sind noch recht wenig erforscht, da sie sehr schwer über lange Zeiträume zu verfolgen sind. In den letzten fünf Jahren habe ich aber zwei Orte gefunden, wo Weibchen gebären und die Jungtiere aufziehen, Ihnen das Jagen beibringen bis sie dann eigene Wege gehen, bzw. schwimmen. Für das Projekte bräuchte ich ein Team mit sehr erfahrenen Tauchern, ein ROV (remotely operatet vehicle) und drei Kameraleute plus Techniker und ggf. Piloten samt Helikopter. Das ist ein Projekt, dass mich schon seit langem reizt, aber das sehr hohe Risiken in Sachen Produktionszeit birgt. Für viele „normale Produktionen“ muss ein Dreh eine sehr hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben. Man muss davon ausgehen können, dass die Story in einer klar definierten Zeit abzufilmen ist. Bei diesem Projekt könnte sich das ganze über mehrere Jahre erstrecken und selbst dann ist nicht garantiert, dass es klappt. Wenn es aber klappt, dann wäre es eine Sensation!

Ein weiteres Projekt, das ich zusammen mit dem genialen DOP Dennis Schmelz umsetzten möchte, ist eine Serie, in der es um den für mich persönlich größten Kulturschatz geht. „My Sowjet Treasure“ erzählt die Geschichte von kulturellem Reichtum. Es ist eine Geschichte, die jenseits von Politik spielt. Eine Geschichte, in der Menschen, die einst, auch wenn unfreiwillig durch die Sowjetunion in einem Land vereint waren, auch lange nach deren Zerfall mit einander verbunden sind. Nicht durch Grenzen, nicht durch Politik, sondern durch eine gemeinsame Vergangenheit, eine gemeinsame Sprache und Menschlichkeit.

Für diese Serie müssen wir in allen ehemaligen Sowjetstaaten drehen und in einigen sogar mehrfach. Das Projekt zieht sich also auch über mehrere Jahre, erfordert ein extrem gutes Team und muss visuell präzise einfangen, was in Worten schwer wiederzugeben ist.

Was zeichnet für dich ein wirklich herausragendes Foto aus?

Ein herausragendes Foto ist nicht nur in der Lage eine Geschichte zu erzählen, sondern vielmehr Emotionen auszulösen. Meistens sind solche Fotos getragen vom Kontext, oft sind sie schlicht, sehr einfach zu begreifen aber Sie rufen auch nach Jahrzehnten immer noch Emotionen bei den Betrachtern hervor.

Mit welchem Objektiv fotografierst du derzeit am liebsten? Was darf für dich auf keinen Fall in der Fototasche fehlen?

Das ist einfach. Das SIGMA 120-300mm F2,8 DG OS HSM | Sports ist mein absolutes Lieblingsobjektiv. An meiner Nikon D850 hat es eine fantastische Performance. Ich benutze es oft auch mit dem 2x Konverter.

Ich hoffe sehr, dass es bald einen Nachfolger mit eingebautem Konverter oder einem Zoombereich von 120-400mm bei durchgehend F2,8 gibt. Das wäre ein absolutes Traumobjektiv.

In meiner Fototasche darf ein hochwertiges Fernglas auf gar keinen Fall fehlen. Wenn ich unterwegs bin, um Tiere zu fotografieren oder zu filmen verbringe ich bis zu 85% der Zeit damit die Tiere zu suchen, sie zu beobachten und zu entscheiden, auf welche Individuen ich mich konzentriere. Dafür ist ein hochwertiges Fernglas ein absolutes Muss.

Wie wird es jetzt bei dir weitergehen? Was möchtest du in naher Zukunft erreichen?

Naja, zunächst einmal heißt es warten. Darauf, dass das Reisen zu meinen Drehorten wieder einfacher und sicherer wird. Es sind gerade einige Dokus in Arbeit, an denen hoffentlich bald weitergearbeitet werden kann.

In den nächsten Jahren stehen einige sehr interessante Expeditionen und Dreharbeiten bevor. Und da die Anfragen „mal mitzukommen“, sowohl mein eMail Postfach als auch meine Instagram Inbox sprengen, habe ich mich zusammen mit einigen Partnern entschieden in Zukunft Assistenzen für jede Expedition auszuschreiben. Die Idee ist, auf jeder Expedition einem Menschen die Chance zu geben Teil des Teams zu sein, mitzuarbeiten, zu lernen und Erfahrung zu sammeln und vielleicht ja dadurch auch neue Wege zu gehen. Finanziert werden die Reisekosten der ausgewählten Teilnehmer dann durch meine Partner und Sponsoren.

Welchen Rat möchtest du unseren Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?

Einfach machen! Macht euer Ding und lasst euch dann hinterher erzählen, wieso es vielleicht nicht möglich gewesen wäre. Lasst euch nicht vom (nichtvorhandenen) Equipment entmutigen. Die Story eines Bildes ist immer viel wichtiger, als die technischen Spezifikationen wie Pixel und co.

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Vielen Dank für das Interview, Michael! Wer noch mehr über Michael Ginzburg erfahren will, sollte sich auf jeden Fall seinen Instagram-Account @theginzburg ansehen!

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