Ein Frühling bei den Haubentauchern
Hallo zusammnen,
dass dieses Jahr irgendwie alles anders ist, ist ja kein Geheimnis. Durch Corona bestand Anfang des Jahres die Befürchtung, dass wir bald gar nicht mehr das Haus verlassen dürfen, was dazu führte, dass wir als Familie jede freie Minute in der Natur verbracht haben.
Glücklicherweise gibt es davon in Hamburg mehr als man in einer Großstadt zunächst erwarten würde. Der Frühling war überall zu spüren und wir entdeckten eine ganze Reihe von Vogelnestern. Doch so richtig spannend wurde es für mich in dem Moment, als wir ein Haubentauchernest entdeckten. Ich finde diese Vögel faszinierend und habe bereits vor ein paar Jahren ein Pärchen begleitet, in der Hoffnung die Küken fotografieren zu können. Dass damals leider nichts daraus geworden ist, könnt ihr hier nachlesen. So viel schon vorab, dieses Mal wird es nicht ganz so dramatisch.
Die letzten Jahre hatte ich keine gute Möglichkeit diese Vögel zu fotografieren, doch bei dem jetzt gefundenem Nest stimmten die Bedingungen in vielerlei Hinsicht. Es ist nur in etwa zehn Minuten von zu Hause entfernt, sodass ich problemlos jederzeit vorbeischauen konnte. Außerdem ist das Nest mitten in Hamburg und die Tiere sind somit relativ entspannt und ließen sich nicht von der Anwesenheit von Menschen stören. Ich konnte mich also problemlos mit dem Stativ ans Ufer setzen und die Vögel beobachten. Das Wichtigste waren aber die Lichtbedingungen. Das Nest lag so, dass ich sowohl morgens, als auch abends perfekte Lichtbedingungen hatte. Ich hatte also gar keine andere Wahl, als es in diesem Jahr noch mal zu versuchen. Immerhin fehlten mir nach wie vor Fotos von den kleinen Haubentaucherküken, wie sie auf dem Rücken der Eltern mitfahren. Ich habe mir also mein SIGMA 500mm F4 DG OS HSM | Sports und den Tele-Konverter TC-1401 geschnappt und mein Glück versucht.
Es war bei meinem ersten Besuch bereits Mitte April und das Haubentaucherpärchen war mit dem Nestbau bis auf ein paar kleine Ausbesserungen schon fertig. Eier waren jedoch noch nicht zu sehen, aber das konnte im Prinzip nicht mehr lange dauern. Denn die beiden taten alles dafür, dass es bald los gehen konnte. Mit viel Schwung und einem großen Satz, sprang das Männchen auf das Weibchen, welches bereits auf dem Nest saß und wartete. Im Anschluss glitt das Männchen vorne ins Wasser und präsentierte sich mit stolz geschwellter Brust. Jeder sollte sehen, was für ein prächtiger Vogel er ist. Das Ganze haben die beiden mehrmals täglich wiederholt, um auch ganz sicher zu gehen und siehe da, irgendwann lag endlich das erste Ei im Nest. Meine Freude war groß und ich habe mir schon ausgerechnet, wann genau die Kleinen denn schlüpfen müssten, da die Brut in etwa vier Wochen dauert.
Das Nest füllte sich und bald waren sogar ganze drei Eier im Nest. Bei einem meiner nächsten Besuche war ich wieder vor Sonnenaufgang dort und während um die Zeit normalerweise der See noch ruhig ist, war an diesem Morgen irgend etwas anders. Die Graugänse, die sonst auf den angrenzenden Grünflächen fraßen, schwommen nervös auf dem See umher und machten ordentlichen Lärm und auch die Haubentaucher waren beide mitten auf dem See zu sehen, obwohl mindestens einer ja auf dem Nest sitzen und brüten müsste. Und dann der Schock, das Nest war leer! Irgendjemand hatte die Eier geraubt. Die Taucher haben sich für ihr Nest vielleicht nicht die idealste Stelle ausgesucht. Die Grundlage sind Zweige einer Baumkrone von einem Baum, der vor ein paar Jahren ins Wasser gekippt ist. Räuber können also problemlos den Stamm bis zum Nest entlanglaufen und sich die Eier holen. Wer weiß, vielleicht war es der Fuchs, den ich an einem anderen Morgen am gegenüberliegenden Ufer beobachten konnte.
Die Haubentaucher waren an dem Morgen mehr als nervös und schauten ab und zu am Nest vorbei, versuchten aber auch auf der anderen Seite des Sees ein neues Nest zu bauen. Das Ganze sah nicht gut aus und ich hatte die Hoffnung auf Kükenfotos schon fast aufgegeben. Doch drei Tage später saßen sie tatsächlich wieder auf dem ursprünglichen Nest und kurze Zeit später waren sogar wieder Eier im Nest. Nun hieß es erneut: warten. Die nächsten Wochen war ich jedes Mal erleichtert, als ich dort ankam und das Nest nach wie vor intakt und gefüllt war.
Ich verbrachte sowohl morgens, als auch abends viel Zeit bei den Vögeln. Und gerade Abends, wenn die Sonne hinter den Bäumen verschwand, verwandelte sich das Wasser in flüssiges Gold. Die blühenden Frühlingsbüsche sorgten dann zusätzlich noch für ein bisschen Bokeh.
Die Wochen vergingen und bei den Haubentauchern wurde es nun ruhiger, da sie nur noch mit dem Brüten beschäftigt waren. Doch sie waren nicht die einzigen Vögel vor Ort. Direkt über mir im Baum brütete ein Kleiberpärchen, ein Stück weiter brüteten noch Buntspecht und Weidenmeise und ansonsten gab es noch eine ganze Menge Graugänse auf dem See. So hatte ich in der Zeit also genügend andere Motive vor der Linse, so dass sich der Besuch jedes Mal gelohnt hat und es eigentlich immer etwas zum Fotografieren gab.
Die Zeit war nun bald rum und die Küken mussten jeden Tag schlüpfen. Die Haubentaucher gingen auf Nummer sicher und ließen niemanden zu nah an das Nest heran. Selbst die sonst so streitlustigen Graugänse wurden vehement verscheucht. Mit diesem spitzen Schnabel wollte sich Keiner anlegen!
Anfang Juni bin ich wieder früh morgens zu den Haubentauchern und einer saß wie gewohnt auf dem Nest. Alles schien wie immer, doch als der andere ganz aufgeregt zum Nest schwamm und dabei auch noch einen kleinen Fisch im Schnabel hatte, wurde mir schnell klar was los ist. Am Nest angekommen, guckte plötzlich ein kleiner gestreifter Kopf aus dem Federkleid des sitzenden Haubentauchers und nahm den Fisch gierig in Empfang. Sie hatten es geschafft!
Letztendlich sind es drei kleine Minihaubentaucher geworden, die die nächsten drei Tage noch direkt im Nest gefüttert wurden. Doch schon bald wurde es Zeit, die Gegend zu erkunden. Bis zu dem Punkt war ich perspektivisch ausschließlich an das Nest gebunden. Da das Pärchen nun aber ständig unterwegs war, um kleine Fische zu suchen, konnte ich immer am Ufer entlanglaufen und hatte somit die Chance auf weitere verschiedene Lichtsituationen und vor allem auch auf Gegenlicht im Morgennebel.
Zunächst mussten die Kleinen lediglich vom Rücken herunter, wenn sich die Eltern mal putzen mussten und sich schüttelten, aber schon bald wurden die Ausflüge immer häufiger.
Und auch die Fische wurden größer und größer und so manches mal habe ich mich gefragt, wie sie solch riesige Brocken verschlingen können. Bei manchen Fischen musste sich der Nachwuchs schon quälen, aber letztendlich war wohl immer genug Platz.
Die Zeit verging und die Haubentaucher wurden größer. Über zwei Monate habe ich das Haubentaucherpärchen begleitet und in den vielen vielen Stunden sind unzählige Fotos entstanden. Ich habe es jedes Mal genossen, wenn ich morgens alleine am See saß und die Sonne langsam den Nebel erleuchtete. Um mich herum erwachte das Leben und ich war mittendrin. Diesen Frühling werde ich so schnell nicht vergessen und dank der Haubentaucher wird mir nicht nur Corona in Erinnerung bleiben.
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Robert Sommer ist geboren und aufgewachsen in Röbel / Müritz, ist ein Softwareentwickler aus Hamburg und ein international ausgezeichneter Naturfotograf. Fotografiert hat er schon immer gerne, doch erst mit dem Kauf der ersten Spiegelreflexkamera ging die Leidenschaft so richtig los. Während die ersten Jahre alles geknipst wurde, was vor die Linse kam, konzentriert sich Robert Sommer mittlerweile ausschließlich die Naturfotografie. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Landschaften, Pflanzen oder Tiere handelt. Doch es gibt ganz klar einen Favoriten – die Vogelfotografie.
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