Wieder und Wieder - Der Märzenbecher - Der Märzenbecher © Robert Sommer

Wieder und Wieder – Der Märzenbecher

Hallo zusammen,

das Gute an der Naturfotografie ist es, dass man selbst bei angeordneter sozialer Distanz in den Wald gehen und Fotos machen kann. Dort hat man seine Ruhe und kann sich auf die Suche nach immer neuen Motiven machen.

Heute möchte ich jedoch von einem kleinen Projekt berichten, dass ich eher ungeplant 2016 begonnen habe. Damals habe ich in einem kleinen Moor in der Nähe von Hamburg ein Märzenbecher entdeckt. Das an sich ist erst einmal nichts besonderes, doch diese einzelne Pflanze wuchs nicht irgendwo auf dem Waldboden. Es hatte wochenlang geregnet und so stand der Märzenbecher inmitten einer kleinen Wasserfläche. Ich habe zwar schon einige Frühlingsblüher fotografiert, aber diese Pflanze war für mich etwas besonderes.

Ich machte mich sofort ans Werk und schmiss mich in den Schlamm, um schön bodennah arbeiten zu können. Aufgrund der Größe der Pflanze entschied ich mich für das SIGMA 70-200er mit Blende 2.8 Bei 200mm wird die Pflanze schön freigestellt. Ich hatte an dem Tag zudem Glück mit dem Wetter. Als die Sonne dann ganz tief am Horizont stand und durch die Bäume schien, erzeugte dies ein wunderbares Bokeh. Die Spiegelung der Blätter sah zudem aus wie ein Herz. Nach der Session war ich überall voll Schlamm und Dreck, aber ich war überglücklich. Was ich an dem Abend noch nicht wusste war, dass ich selbst 4 Jahre später immer noch dieselbe Pflanze fotografieren würde.

Wieder und Wieder - Der Märzenbecher © Robert Sommer

2017 erinnerte ich mich Ende Februar an meinen Märzenbecher und nach kurzer Recherche wusste ich auch, dass es sich um ein Zwiebelgewächs handelt. Die Chancen standen also ganz gut, dass die Pflanze wieder zu finden sein wird. Auch in jenem Jahr hatte es wieder ausgiebig geregnet und so habe ich tatsächlich die Pflanze wieder in dem kleinen Tümpel gefunden. Sie ist in dem Jahr gefühlt sehr viel größer gewesen. Anders als im Jahr davor, hatte ich nicht wirklich gutes Wetter. Wenn es mal nicht regnete, dann war der Himmel dennoch ständig komplett mit Wolken bedeckt.

Als es dann irgendwann dunkel wurde, kam mir eine Idee. Ich drückte meiner Frau die Stirnlampe in die Hand und bat sie, die Pflanze anzuleuchten. Und so begannen wir zu experimentieren. Mit dem Licht in meinem Rücken wurde die Pflanze komplett erleuchtet, während die komplette Umgebung in schwarz versank. Das war an sich schon irgendwie ganz cool, aber so richtig überzeugt hatte mich das Foto noch nicht. Letztendlich habe ich mich anders positioniert. Mein Stativ stand im Wasser und die Kamera war nur noch knapp über der Wasseroberfläche. Meine Frau stand mir genau gegenüber und strahlte mit der Lampe fast direkt ins Objektiv hinein. Plötzlich wurde nicht nur die Pflanze angestrahlt, sondern auch die unzähligen kleinen Staubkörnchen auf dem Wasser, die dann das Licht wieder reflektierten und so ein unglaubliches Bokeh erzeugten. Ich freute mich wie ein kleines Kind, da ich mit so einem Ergebnis absolut nicht gerechnet hatte. Nach einem wunderbarem  Abend habe ich zu Hause am Bildschirm dann sogar entdeckt, dass sich auf dem Foto eine Fliege versteckt hat. Nach nur einem Jahr hat sich diese eine Pflanze eigentlich schon zu meiner Lieblingspflanze entwickelt.

Umso trauriger war ich dann, als ich im darauffolgenden Jahr keine Möglichkeit hatte die Pflanze zu fotografieren. Es hatte zunächst kaum geregnet, dafür aber viel gestürmt. Dort, wo eigentlich der Märzenbecher sein sollte, war nichts zu finden. Nicht mal Wasser war in dem kleinen Becken. Unverrichteter Dinge musste ich auf 2019 hoffen.

Ein Jahr später hatte es noch weniger geregnet. Der Januar und Februar waren absolut knochentrocken. Die Pflanze hatte ich in den ersten beiden Jahren Anfang März fotografiert. Um auf Nummer sicher zu gehen, bin ich Mitte Februar einfach mal bei einem Spaziergang hin und habe nach dem rechten geschaut. Ich musste überrascht feststellen, dass ich schon fast zu spät dran war. Der Märzenbecher wuchs in diesem Jahr wieder und war schon in voller Blüte. Vom Wasser der letzten Jahre war nichts zu sehen und zunächst war ich zwar etwas enttäuscht keine Spiegelung fotografieren zu können, aber so hatte ich immerhin die Chance die Pflanze mal anders zu fotografieren. Dabei hatte ich nicht nur andere Konditionen, sondern ich habe auch erstmalig mein „altes“ SIGMA 70-200er gegen das neue SIGMA 70-200mm F2,8 DG OS HSM | Sports getauscht. Mit frischen Ideen und neuem Equipment konnte es dann losgehen.

Interessant war auch, dass die Pflanze sehr viel kleiner als in den Jahren davor war, dafür aber sehr viel mehr Blüten hatte. Das Wetter war traumhaft und wieder begab ich mich in die Horizontale. Aufgrund der Trockenheit, war die Angelegenheit in dem Jahr bei weitem nicht so eine matschige Sauerei. Wieder half die tiefe Kameraposition, das Motiv schön freizustellen. Um den Effekt noch ein wenig zu verstärken, habe ich einiges von dem trockenen Laub nah vor der Linse platziert.

Auch in diesem Jahr bin ich, wie soll es anders sein, wieder zu “meinem“ Märzenbecher. Nach ein paar Kontrollgängen im Februar (sicher ist sicher), war er dann Anfang März soweit. Geregnet hatte es in diesem Jahr reichlich und schon fast mehr als genug und so hatte die Pflanze endlich wieder nasse Füße. Und sie war nicht alleine, denn hinter dem Märzenbecher hatte sich noch eine weitere Pflanze breit gemacht. Das Geschenk nahm ich gerne an, da sich diese zusätzlichen Blätter ebenfalls schön im Wasser gespiegelt haben. Die ganze Szene sah fast wie ein Auge aus.

Noch vor 4 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich mich so lange Zeit an nur einer Pflanze aufhalten kann. Es ist interessant jedes Jahr wieder zurück zu kommen und zu sehen wie sich die ganze Umgebung und der Märzenbecher verändert hat. In dem trockenen Jahr 2018 ist der Märzenbecher über zwei Wochen zu früh gewesen. Es macht auch Spaß, sich jedes Jahr aufs neue mit dem Motiv zu beschäftigen und ich freue mich jetzt schon auf das nächste Jahr!

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Robert Sommer
Landschafts- und Tierfotograf

Robert Sommer ist geboren und aufgewachsen in Röbel / Müritz, ist ein Softwareentwickler aus Hamburg und ein international ausgezeichneter Naturfotograf. Fotografiert hat er schon immer gerne, doch erst mit dem Kauf der ersten Spiegelreflexkamera ging die Leidenschaft so richtig los. Während die ersten Jahre alles geknipst wurde, was vor die Linse kam, konzentriert sich Robert Sommer mittlerweile ausschließlich die Naturfotografie. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Landschaften, Pflanzen oder Tiere handelt. Doch es gibt ganz klar einen Favoriten – die Vogelfotografie.

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