Im Gespräch mit Maik Lipp
Maik Lipp ist Natur- und Architekturfotograf aus Frankfurt am Main. Im vergangenen Jahr hat er bei den SIGMA Days einige Workshops zum Thema Naturfotografie geleitet und sein Wissen und seine Erfahrungen an interessierte Teilnehmer weitergegeben.
Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, wie die aktuelle Lage sein Leben ein wenig durcheinander gebracht hat, warum er nicht das eine große Vorbild hat und was die Geschichte hinter seinem Lieblingsfoto ist.
___________________________________
Hallo Maik! Wie geht es dir? Als Natur- und Architekturfotograf können wir uns vorstellen, dass du von der aktuellen Corona-Krise nicht ganz so sehr betroffen bist, wie andere Fotografen-Kollegen, die hauptsächlich mit Menschen arbeiten. Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf deine fotografische Arbeit aus?
Danke der Nachfrage. Mir und meiner Familie geht es prima und das ist derzeit wohl das wichtigste. Ja, Corona ist überall, zumindest bekommt jeder die Maßnahmen zu spüren um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Aber richtig, als Natur- und Landschaftsfotograf bin ich jetzt nicht ganz so extrem von den Einschränkungen betroffen, wie meine People-Fotografen-Kollegen. Wenngleich ich derzeit auch nicht wirklich zum Fotografieren umherfahre. Das wäre sicherlich das falsche Signal in diesem Moment. Hinzukommt, dass tolle Motive im Süden Deutschlands ohnehin nicht erreichbar sind, da dort Ausgangssperre herrscht. Ein weiterer Punkt ist, dass meine Frau und ich von den Schul- und Kita-Schließungen betroffen sind und wir uns neben unseren Jobs nebenbei noch um unseren kleinen zweijährigen Sohn kümmern müssen. Das grenzt die Zeit für die Fotografie derzeit auch bei mir stärker ein als gedacht. Aber ich und wir versuchen das beste aus der Situation zu machen. So habe ich seit langem mal wieder meine Bilder-Datenbank neu organisieren und einige der „schlechteren“ Bilder löschen können. Im Grunde habe ich die Sachen erledigt, die man zwar immer auf der to do-Liste hat, aber dann doch nie Zeit dafür findet.
Bedingt durch die aktuellen Entwicklungen ist unser aller Alltag ja momentan etwas durcheinander. Was glaubst du, kann man derzeit als Fotograf Sinnvolles tun bzw. wie nutzt du gerade die eventuell freigewordene Zeit?
Durcheinander trifft es glaube ich ganz gut. Das merken wir nicht nur in unseren Jobs, sondern auch überall im täglichen Leben, wie z.B. beim Einkaufen oder im fehlen von „echten“ Kontakten von Familie, Freunden und Arbeitskollegen. Doch wie ich schon sagte, man muss versuchen das beste daraus zu machen. Tipps die mir spontan einfallen wären z.B. Ausmisten der eigenen (meist sehr großen) Bilderdatenbank. Hier sammelt sich nicht nur bei Profis über die Jahre ziemlich viel an und meist werden die Bilder, die nicht so gut oder sogar unscharf sind, eben auch nicht gleich gelöscht. Jetzt ist die Zeit dafür, dieses Versäumnis nachzuholen. Meist findet man beim Durchschauen auch noch die ein oder anderen „Schätze“, die man bereits vergessen hat. Diese kann man nun nochmal neu bearbeiten und dem Bild einen neuen Look verpassen. Wer sich schon immer mal mit Makrofotografie beschäftigen wollte, kann auch das einfach mal austesten. Dazu reicht meist ein Stativ und ein paar Blumen, Pflanzen oder anderen schöne Dinge aus den eigenen vier Wänden. Auch das Fotoequipment kann man jetzt mal wieder in Schuss bringen. Objektive und Sensor reinigen oder auch mal die Fototasche neu sortieren.
Ich persönlich versuche die Zeit zu nutzen um Foto-Trips zu planen. Routen, Sonnen- und Schattenwurf, beste Tageszeit zum Fotografieren, etc. Somit kann ich sofort wieder loslegen, wenn sich die „Corona-Lage“ wieder entspannt hat und das normale Leben wieder aufgenommen werden kann. Ob das alles wirklich „sinnvolle“ Beschäftigungen sind, muss jeder für sich selber entscheiden.
Hauptberuflich bist du ja Zahlenmensch. Wann wurde aus der Fotografie eigentlich mehr als nur ein Hobby?
Puhhh, das ist eine schwierige Frage. Vorweg kann ich sagen, dass die Grenze hier fließend verlaufen ist. Die digitale Fotografie hat es mir schon seit ungefähr 2005 angetan. Damals noch mit einer einfachen und günstigen Systemkamera. Und auch die Motive waren sehr bescheiden. Es war damals einfach das Gefühl, was mich so begeistert hat. Einfach zu fotografieren und sofort zu sehen, ob es was geworden ist. Ich selber kenne noch die Zeit als die Eltern einem einen 36er Film mit in den Urlaub gegeben haben und man danach nicht wusste, ob was „Ordentliches“ rauskommen würde. Danach ging es bei mir von Objektfotografie über Hochzeits- und Peoplefotografie zur Architekturfotografie. Dort angekommen, konnte man auch einen positive Entwicklung in meinen Bilder sehen. Von der besseren Bildsprache über die Motive bis hin zum eigenen eher minimalistischen Stil. Das war ungefähr 2012. Ab da kam dann auch noch das Reisen dazu. Zusammen mit meiner Frau habe ich weltweit viele Metropolen besucht und meine Architekturfotografie weiter verbessern können. Doch irgendwie zog es uns dann auch immer mal wieder in die Natur. Auf die Kamera konnte ich da natürlich auch nicht wirklich verzichten, denn Spaß macht mir das Fotografieren eigentlich immer und überall. Und so kam langsam noch die Landschafts- und Outdoorfotografie hinzu. Bei meinen Reisen konnte ich auch hier schon einige Schönheiten der Welt erleben und fotografisch festhalten. Mittlerweile halte ich – neben dem reinen Fotografieren – zusätzlich Vorträge und Workshops zu, sodass man schon sagen kann, dass aus einem Hobby schon etwas mehr geworden ist.
Mit welchem Objektiv fotografierst du derzeit am liebsten? Was darf für dich auf keinen Fall in der Fototasche fehlen?
Bis heute konnte ich schon unzählige Objektive unterschiedlicher Hersteller, Brennweiten, Lichtstärken und Gewichtsklassen in meinen Händen halten und damit auch fotografieren. Für mich als Architektur- und Landschaftsfotograf kommen natürlich eher die weitwinkligen Objektive zum Einsatz, welche auch nicht in meinem Rucksack fehlen dürfen. Doch seit ungefähr zwei Monaten habe ich mir das SIGMA 35mm F1,4 DG HSM | Art zugelegt und kann den ganzen Hype um das 35mm wirklich gut nachvollziehen. Durch das leichte Weitwinkel und die hohe Lichtstärke ergeben sich wirklich unendlich viele Möglichkeiten in der Bildgestaltung. Vom sehr gelungenen Bokeh mal ganz abgesehen.
„Was darf nicht fehlen?“, hmm, mal schauen. Ich denke, das wichtigste ist in jedem Fall die Kamera und ein zwei Objektive, genügend Speicherkarten und Akkus. Ok, das sind jetzt die Basics. Ich persönlich fühle mich wohler, wenn ich ein wenig Proviant im Rucksack dabei habe, denn machmal wartet man schon ein wenig länger auf das perfekte Licht und dabei kann etwas zu Essen und Trinken schon sehr helfen. Wichtig für mich ist noch eine Powerbank, damit das iPhone auch immer einsatzbereit ist. Was die Objektive angeht, muss denke ich, jeder selber entscheiden, was er mitnehmen will und muss.
Hat sich dein Stil mit der Zeit entwickelt? Wie würdest du ihn heute beschreiben?
Nun ja, vielleicht „minimalistisch kreativ“. Wobei dieser sich über Jahre vom anfänglichen „Knipsen“ entwickelt hat. Dies lässt sich aber schwer beschreiben. Über die Zeit habe ich einfach immer mehr darauf geachtet, dass das Hauptmotiv auch Hauptmotiv bleibt und durch keine störenden Elemente abgelenkt wird. Dies führte dazu, dass meine Bilder zum Teil meist sehr minimalistisch daherkommen, was ich persönlich natürlich sehr gut finde (lacht). Gerade bei meinen Architekturfotos sieht man das recht gut. Aber auch den meisten Landschaftsaufnahmen sieht man den minimalistischen Stil an.
Gibt es Vorbilder, die dich beeinflussen? Wenn ja, wen?
Irgendwie bin ich kein Fan von einzelnen Vorbildern, aber natürlich habe ich mir bei vielen guten Fotografen auch das ein oder andere abgeschaut. Hannes Becker und ein paar andere nette Fotografen, die ich über Instagram kennenlernen durfte, haben mich zumindest im Bereich der Landschafts- und Outdoorfotografie geprägt und inspiriert. Darüber hinaus gibt es immer mal Bilder die mich sehr ansprechen. Dann schaue ich mir den Fotografen genauer an und versuche herauszufinden, was das besondere an dem Bild ist, was mich so fasziniert. So gesehen, würde ich hier eher von Inspirationen, als von Vorbildern sprechen.
Hast du ein selbstgeschossenes Lieblingsbild in deinem Archiv? Möchtest du uns die Geschichte dahinter verraten?
Selbstgeschossene Bilder habe ich viele, sehr viele (lacht). Im Ernst, es gibt schon einige schöne Bilder die mir persönlich sehr gefallen und die für mich eine tolle, manchmal auch spannende Geschichte beinhalten. Eins dieser Bilder ist das Bild meiner Frau auf einem Felsvorsprung im Yosemite Nationalpark. Kann man mögen, muss man aber nicht. Spannend an der Geschichte war das Warten auf das beste Licht. Doch manchmal klappt nicht gleich alles beim ersten Mal. Als wir oben angekommen waren, wollte ich gleich ein paar Probeaufnahmen machen, doch das erwies sich als nicht umsetzbar, da auf dem Plateau gerade ein Hochzeitsshooting stattfand. Was dann doch auch schonmal länger dauern kann. Nebenbei musste dann auch noch unser gut sechs Monate altes Baby gewickelt und gefüttert werden. An ein schnelles Foto war nicht im entferntesten zu denken. Doch am Ende wurde unser Warten mit tollem Licht belohnt. Während meine Frau für mich auf dem Fels posierte, machte ich auf einer gegenüberliegenden Aussichtsplattform, mit dem Baby vor den Bauch geschnallt, das Foto. Danach genossen wir zu Dritt einen wirklich sehenswerten Sonnenuntergang inmitten einer wunderschönen Landschaft. An solche Geschichten erinnere ich mich gerne zurück, wenn ich meine Fotos betrachte.
Welchen Rat möchtest du unseren Lesern hier noch mit auf den Weg geben?
Kurz und bündig: Geht raus und fotografiert. Im Ernst, ich habe früher wirklich viel Zeit damit verbracht, Testberichte von Kameras und Objektiven zu studieren um auf jeden Fall das beste Equipment zu kaufen. Nachdem ich dieses dann hatte wurde wieder viel in Foren studiert und gerätselt, ob das Objektiv nun wirklich so scharf ist oder vielleicht doch einen Frontfokus hat oder nicht. Hätte ich diese Zeit damals genutzt um draußen zu fotografieren, hätte ich viel mehr und vor allem schneller gelernt und darüberhinaus noch was erlebt. Also nehmt eure Kamera (egal welche) und geht raus und entwickelt euren eigenen Stil.
___________________________________
Vielen Dank für das Interview, Maik! Wer noch mehr über Maik Lipp erfahren will, sollte sich auf jeden Fall seine Website maiklipp.com oder seinen Instagram-Account @maik_lipp ansehen!
Alle Bilder dieses Beitrags in der Übersicht
Der Frankfurter Maik Lipp ist hauptberuflicher Zahlenmensch mit einer großen Leidenschaft für Architektur und Landschaften. So reist er seit einigen Jahren um die Welt um Architekturhighlights der Metropolen einzufangen und das Erlebnis Natur zu transportieren.
"Es spielt nicht so sehr die Rolle, wie gut ein Foto technisch ist, sondern eher, das Gefühl, das es beim Betrachten entstehen lässt."