Ob Festbrennweite oder Zoom – die Nähe zum Moment zählt
Nun ist meine Reise nach Kapstadt schon ein halbes Jahr her, doch die Bilder und Erinnerungen an diese Zeit lassen mich nicht so recht los. Oder positiv formuliert: sie zaubern mir noch heute ein Lächeln ins Gesicht. Denn so schnell mir auch bewusst wurde, dass diese Stadt so viel mehr ist als Avocadotoast, so viele inspirierende Menschen lernte ich kennen. Allen gemein ist das Thema, dass es sich lohnt, über den Tellerrand zu schauen, sich mit Menschen zu unterhalten, mit denen man sonst im Alltag keinen Kontakt hat, und klar, mit einer großen Portion Empathie dabei Fotos zu machen.
Über den Tellerrand zu schauen, bedeutet beim Reiseziel Kapstadt unter anderem, die Stadt auch mal zu verlassen und sich das Umland anzusehen. So fuhren wir einen Tag die südliche Küste entlang, zum Cape Point Nationalpark, wo es sich anfühlte, als fahre man durch eine Filmkulisse. Wilde Tiere wie Straußenvögel, Antilopen, Pinguine und Schildkröten kannte ich (außer vielleicht letztere) doch nur aus Filmen und dem Zoo. Ein überwältigendes Gefühl, durch das gefühlte Nichts zu fahren, immer auf der Hut, kein Tier zu überfahren und immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, wie dankbar ich sein konnte, all das zu erleben. Neben dem Trubel in der Stadt, kam hier erstmals das Afrika-Feeling auf, das in Dokumentationen am ehesten propagiert wurde und so fühlte ich mich wie in kleines Kind, das die Nase an der Autoscheibe plattdrückte und eifrig nach Tieren Ausschau hielt.
Ganz gemütlich kam uns dann ein Straußenvogel entgegen und ich ergatterte einen Schnappschuss als er sich bereits abwandte. In dem Moment liebte ich das SIGMA 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art noch als vorher ohnehin schon. Lange fotografierte ich nämlich so gut wie ausschließlich mit meinen geliebten Festbrennweiten dem SIGMA 35mm F1,4 DG HSM | Art und dem SIGMA 50mm F1,4 DG HSM | Art, doch ein Zoomobjektiv gibt dann doch noch bessere Möglichkeiten, Momente von weiter weg gut einzufangen.
Zurück im Trubel dieser magischen Stadt, nahm mich Anisia aus Hamburg mit ins Love Thy Neighbor – einem Restaurant in Greenpoint, das Montagabends ausschließlich für Obdachlose geöffnet wird.
Es wird gemeinsam gebetet, gesungen und es werden Mahlzeiten für alle ausgeteilt. Hier gehe ich in meiner Kapstadtzeit zwei Male hin und kann jedem nur empfehlen, hier mit anzupacken und sich von der Dankbarkeit und vor allem Demut der Menschen ein Scheibchen abzuschneiden.
Wirklich ein bewegendes Erlebnis, bei dem ich mit meinem SIGMA 35mm F1,4 DG HSM | Art quasi hautnah dabei war und Gesichter und Schicksale fotografieren konnte, die ich in meinem sonstigen Leben so kaum sehe.
Unter anderem treffe ich Johnny. Schneeweißes Haar, braune Augen mit hellblauen Akzenten und einem verschmitzten Lächeln. In seinem Blaumann kommt er daher, 2 Jutebeteutel und einen Stock trägt er bei sich. Am Eingang des Restaurants holt er sich seinen Aufkleber mit einer Nummer ab, den er später an der Essensausgabe gegen Reis mit Bolognese tauscht.
Wir sitzen nebeneinander, lauschen den Gesängen. Plötzlich stupst er mich an und fragt, ob ich Geschwister habe. Wir kommen ins Gespräch und er berichtet von seiner Schwester Jennifer.
Jennifer sei eines Tages nicht lieb gewesen, da musste er als großer Bruder durchgreifen, woraufhin sie nach Amerika floh, lächelt Johnny. Kürzlich, so lacht er, habe er das Fernsehen eingeschaltet und sie in der Jury von Americas Got Talent erblickt. Mir ist sofort klar, dass er Jennifer Lopez meint, bin gerührt von der Glaubwürdigkeit mit der er das erzählt und lache mit ihm. Als später wohl sein Lieblingslied erklingt, steht er auf und beginnt sich zu bewegen, wie ich das noch nie gesehen habe. Sein Tanz war ein halbes Gebet und so anmutig, dass ich hinter der Kamera mit den Tränen kämpfe.
Die Gesichter, Habseligkeiten und Momente, die ich an diesem Ort erlebe, sind einfach überwältigend und berührend. Sie gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Und das ist auch gut so. Weil sie mich daran erinnern, dass es sich lohnt, über den Tellerrand zu schauen. Dort die Schönheiten wahrzunehmen und sich aus seiner eigenen Bubble rauszubewegen.