Kapstadt – so viel mehr als Avocadotoast
Ich glaube, ich lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, nur sehr wenige Fotografen würden nicht zumindest einmal gern nach Kapstadt reisen und die wundervolle Landschaft und die schönen Menschen dort fotografieren wollen. Aber gut – spreche ich einfach mal für mich: Ich hatte in den europäischen Wintern immer das Gefühl, mit der einzige Mensch mit Kamera zu sein, der gerade nicht in Südafrika besondere Momente in unwirklich aussehenden Landschaften einfängt und dabei entspannt einen Mango-Smoothie im Sonnenuntergang genießt. Doch das sollte sich im vergangenen Dezember ändern, und so ging es los gen Süden.
Ich reiste also in die Stadt, in der Pinguine ihre flauschigen Bäuche am Strand wärmen, Models und die Kreativsten der Kreativen sich die Klinke in die Hände geben, in fancy Cafés leckerste Avocadotoasts genießen und eben in die Stadt, deren Ecken man aus diversen großen Film- & Fernsehproduktionen kennt. So hatte ich einiges an Spannung, Aufregung und Sonnencreme, sowie das SIGMA 24-70mm F2,8 DG OS HSM | Art und mein geliebtes SIGMA 35mm F1,4 DG HSM | Art im Gepäck. Alles umwickelt in tiefe Vorfreude auf interessante und, klar, fotogene Menschen, die wissen, was sie vor der Kamera tun.
Ihr seht zum Beispiel Neli. Neli ist 23 Jahre jung und ich lernte sie auf dem Old Biscuit Market in Woodstock kennen – einem recht amerikanisch wirkenden Stadtteil. Ich bestellte einen Cappuccino bei ihr und war direkt verzaubert von ihrem Lächeln. Das war am Anfang meiner Reise, daher traute ich mich noch nicht, sie anzusprechen und zu fragen, ob sie Lust hätte, mit mir Fotos zu machen. Ehrlich gesagt war ich mir zudem auch sicher, dass sie professionelles Model ist. Wie das Schicksal es aber dann doch so wollte, standen wir an einem anderen Stand (so nennen wir aus ästhetischen Gründen nun das Waschbecken der Damentoilette) nebeneinander, und da fragte ich sie. Strahlend, doch etwas verlegen gab sie mir ihre E-Mail-Adresse und so trafen wir uns wenige Tage später auf einem Parkhaus und fotografierten.
Während wir die Aufnahmen machten, erzählte sie, dass sie ursprünglich aus dem östlichen Teil Südafrikas gekommen ist, um hier in Kapstadt zu studieren. Die Kosten für das Studium wurden zu hoch, weshalb sie nun als Barista ihr Geld verdient, das Studium abgebrochen hat und nun auf den Durchbruch als Model hofft. Nicht, um zu den Reichen und Schönen dazuzugehören, sondern um genug Geld für ihr Studium zu haben und ihre Familie aus der Ferne finanziell zu unterstützen. Neli strahlt einfach – von innen heraus. Ich schließe sie sofort ins Herz , und ihre Schönheit, innere als auch äußerliche, hauen mich um.
Weiter zu Joe. Ich lernte ihn in einem Café kennen. Dieser 26-jährige schöne Mann stammt aus dem Kongo und ist vor sieben Jahren mit dem unbändigen Willen, sich ein besseres Leben in Kapstadt zu erarbeiten, allein in diese Stadt gekommen. Nun arbeitet er in einer der besten Kaffeeröstereien der Stadt, träumt davon, den großen Durchbruch als Model und Schauspieler zu schaffen und die Seite zu wechseln: vom Kellner zum gefragten Model. So sagt er. Habe immer wieder über Whatsapp noch Kontakt zu ihm, und er erzählte mir erst gestern, dass er mit einem französischen Filmteam unterwegs sei und drehe .
Ich bin von Anfang an von seinen Augen und seinem Lächeln fasziniert. Nur kurz beginnt er eines Abends von seiner Flucht aus dem Kongo und seiner Familie, die damals zurückblieb, zu erzählen, da merke ich, wie schwer es ihm fällt, unterbreche ihn und biete ihm an, das Thema zu vertagen.
Dann ist da noch Felix. Felix, 32 Jahre alt. Ich lernte ihn in einem Restaurant auf der Kloof Street kennen und sprach ihn an. Am nächsten Nachmittag waren wir in Boo Kap verabredet – dem wohl buntesten Stadtteil Kapstadts. Der Sohn einer alleinerziehenden Mutter und Bruder zweier Schwestern wurde in Nairobi, Kenia, geboren und wuchs im Osten des Landes in einem kleinen Ort namens Embakasi auf (während des Shootings bat er mich, das genau so detailliert zu dokumentieren). Vor fünf Jahren kam er nach Kapstadt und wollte Musikproduzent werden. Die Stadt sei in Afrika das beste Pflaster für Musikproduzenten, versichert er mir. Um sich diesen Traum zu erfüllen, verdient er nun Geld mit Kellnern, um sich irgendwann ein Studio zu finanzieren.
Aber nochmal zum Anfang zurück: Ging ich doch nach Kapstadt, um mit professionellen Models zusammenzuarbeiten. Doch als ich in Cafés und Restaurants saß und diese schönen Menschen sah, wurde mir klar: Da ist noch mehr. Mehr als fancy Smoothies, Modelkarteien und ja, Avocadotoast. Das bekommt man nämlich dort an jeder Ecke, sieht es in jeder Instagramstory und könnte schnell denken, das sei neben atemberaubender Landschaft alles von Kapstadt.
Versteht mich nicht falsch, so viel Freude es mir macht, mit professionellen Models zu arbeiten, so sehr erfüllte es mich doch in dieser Zeit, mehr über Schönheit zu lernen, mehr über die Gedanken, Träume und Gefühle der Menschen hier in Kapstadt zu erfahren und umso schöner ist es nun, diese Bilder hier teilen zu dürfen. Sie waren mir tatsächlich zu schade für Instagram & Co., daher bin ich froh, sie hier zu veröffentlichen und aktuell auf Hochtouren meine Vernissage „Kapstadt – so viel mehr als Avocadotoast“, die am 6. April im Greatlive in Köln stattfinden wird, zu organisieren. Über 40 Fotografien werde ich dort, begleitet von Live-Musik, und unterstützt durch eine Kunst-Kuratorin ausstellen und von den Menschen und Geschichten dahinter berichten, um Spenden zu sammeln und etwas zurückzugeben.
Danke, Kapstadt!