Nachtfotografie 101: 10 Tipps für bessere Nachtbilder
Vor etwa 6 Monaten begann ich mir zu überlegen was wohl die Dinge sind, welche ambitionierte Hobby Fotografen am meisten interessiert, um genau diese Punkte in meinen (mittlerweile veröffentlichten) Videokursen zu beantworten. Dabei versuchte ich eine Schnittmenge der Dinge, welche Kunden mich in den letzten 3.5 Jahren auf meinen Workshops am meisten fragten, zu erstellen. Vieles davon ist dann natürlich in die Planung mit eingeflossen. Und etwas davon möchte ich euch hier mit diesen 10 Tipps für Nachtfotografie mit auf den Weg geben.
Tipp 1 Wie weiß ich, wie lange ich belichten kann?
Wahrscheinlich haben Sie schon von der sogenannten 500er Regel gehört. Dies ist (oder war) die Formel um Belichtungszeiten in der Nacht auszurechnen ohne – bedingt durch die Erdrotation – die Sterne als Striche abzulichten.
Dabei rechnet man ganz einfach 500 durch die verwendete Brennweite und den Cropfaktor. Das ergibt beispielsweise bei der Verwendung des 14mm an einer Vollformat Kamera 500:14 = 35.7s und bei der Verwendung einer APS-C Kamera mit dem Cropfaktor 1.5 , 500:(14*1.5) = 23.8s.
Leider wurde diese Regel zu einer Zeit erstellt, als unsere Sensoren noch viel weniger Pixel hatten. Das bedeutet, wo früher bei einer Kamera mit beispielsweise 20 MP die Sterne in einer bestimmten Zeit ein Pixel durchquerten, legen sie heute bei einer Kamera mit beispielsweise 40 MP den doppelten Weg zurück in der selben Zeit. Deswegen ist die 500er Regel nicht mehr immer so einfach anzuwenden.
Ich empfehle bei Kameras bis etwa 36 MP anstelle der Zahl 500, die Zahl 300 zu verwenden und bei Kameras bis etwa 50 MP die Zahl 210. Diese Werte haben sich bei mir in der Praxis bis jetzt sehr bewährt.
Tipp 2 Objektive
Da wir zeitlich beschränkt sind und nicht unendlich lange belichten können, ist es wichtig, dass unsere Objektive eine möglichst grosse maximale Blende besitzen. Alles ab F2,8 ist da optimal zu verwenden. Die aktuell besten Linsen auf dem Markt, sind das SIGMA 20mm F1,4 DG HSM | Art und das SIGMA 14mm F1,8 DG HSM | Art. Wie bei Tipp 1 beschrieben, hängt die Belichtungszeit von der Brennweite der verwendeten Linse ab. Was bedeutet, man kann mit dem 14mm wesentlich länger belichten als mit dem 20mm 1,4. Das 20mm hat dafür eine etwas grössere Maximalblende, was dies wieder etwas ausgleicht. In meinen Augen ist das 14mm F1,8 definitiv mit Abstand das beste Objektiv welches es im Moment gibt. Allerdings ist das 20mm 1,4 mit etwa der Hälfte des Anschaffungspreises gerade für den kleineren Geldbeutel eine Top Alternative.
Tipp 3 Die Sensorauflösung
Natürlich ist es richtig cool, wenn man einen Sensor mit 50 MP hat und die Bilder stark croppen kann ohne Qualitätsverlust. Aber braucht man das wirklich? Gerade in der Nacht sind weniger Pixel ein grosser Vorteil. Das einerseits weil wir die Sterne theoretisch länger belichten können und andererseits aber auch weil, weniger Pixel auf dem Sensor meistens auch mit einem besseren Rauschverhalten einhergehen.
Darum als kleiner Tipp am Rande: verwendet nicht zwingend eure Pixelmonster für Nachtaufnahmen. Weniger Pixel sind hier ein Vorteil. Allerdings sind Vollformat Kameras ganz klar zu bevorzugen.
Tipp 4 High ISO
Ich glaube eines der Dinge, welche ich auf Workshops am meisten sehe ist, dass die meisten Leute sich nicht trauen wirklich ins High ISO zu gehen. Und mit High ISO meine ich wirklich high! Also Werte von mindestens 2400 oder 3200 bei 1,8 oder 1,4 Blenden und wenn es die Kamera zulässt sogar bis zu 8000 ISO. Das hängt natürlich stark davon ab, wie gut die verwendete Kamera damit klar kommt. Darum empfehle ich immer bei der ersten Verwendung einer neuen Kamera- und Objektiv-Kombination, einfach mal verschiedene ISO Einstellungen auszuprobieren, um dann Zuhause am Computer beurteilen zu können was am besten funktioniert.
Tipp 5 Scharfstellen in der Nacht
Oft höre ich auf Workshops, dass den Leuten das Scharfstellen der Sterne in der Nacht Mühe macht. Mit etwas Übung allerdings, stellt das ganze keine Herausforderung mehr dar, wenn man einen kleinen Trick befolgt. Zuerst ist mal wichtig dass wir das Objektiv schon mal auf ungefähr unendlich stellen, denn sonst sehen wir nur unscharfe Flecken oder gar nichts anstelle von Sternen im Liveview. Danach suchen wir einen möglichst hellen Stern im Bildschirm, wählen diesen an und stellen die Vergrößerung auf 100%. Nun einfach zwei-drei mal mit dem Fokusring nach Links und Rechts drehen. Sie sehen wie der Punkt auf beiden Seiten größer wird. Scharf ist das Bild dabei, wenn der Punkt am kleinsten ist. Also genau in der Mitte.
Tipp 6 Mehrfachbelichtung
Ein von vorne bis hinten scharfes Bild zu schiessen ist in der Nacht fast nicht möglich in einer einzigen Belichtung, da der Fokus auf den Sternen liegt und die völlig geöffnete Blende für eine sehr kurze Tiefenschärfe sorgt.
Abhilfe schaffen kann man sich dabei, indem man ganz einfach mehr als nur eine einzige Belichtung schiesst. Einfach eine zweite Belichtung erstellen in der wir die Blende wieder etwas weiter geschlossen haben und dafür die Belichtungszeit soweit verlängern damit das Bild genügend hell wird. Dabei könnte der Fokus sogar gestackt werden, wenn wir verschiedene Fokuspunkte setzen in mehreren Belichtungen. Das Ganze wird danach einfach in Photoshop zusammengebaut.
Tipp 7 Künstliches Licht im Bild
Auch wenn sogenannte Lightpaintings ebenfalls eine Unterart der Nachtfotografie sind, bin ich der Meinung dass künstliches Licht ohne sichtbare Lichtquellen in der Landschaftsfotografie nichts verloren haben. “Der Mensch ist ein Gewohnheitstier”. Das bedeutet wir merken unbewusst sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt. Wenn wir jetzt beispielsweise einen Felsen oder Baum mit einer Taschenlampe aufhellen, sehen wir dieses Element zwar besser danach, aber irgendwas stimmt nicht mehr. Dem Betrachter fällt vielleicht nicht sofort auf an was es liegt, aber er wird etwas am Bild als störend empfinden, weil Licht immer in eine klare Richtung leuchtet und dies in der Nacht meistens nicht stimmt.
Abhilfe schaffen kann man sich dabei, indem man ganz einfach eine Lichtquelle im Bild einbaut. Das kann ein Mensch mit Stirnlampe sein aber auch einfach ein Zelt mit Licht oder sonst irgendwas.
Tipp 8 Timeblending
“Das beste Nachtbild wurde nicht vollständig in der Nacht geschossen”
Klingt vielleicht im ersten Moment blöd, ist aber so. Wenn ich ein perfekt scharfes Bild möchte, ist dies in der Nacht zum aktuellen Stand der Technik praktisch nicht möglich. Die hohen ISO Werte zwingen uns zum Entrauschen beim Entwickeln. Und die stark geöffneten Blenden führen zu weniger Tiefenschärfe. Zusätzlich lassen die langen Belichtungszeiten, bewegliche Objekte wie Bäume durch den Wind unscharf werden.
Abhilfe schaffen kann man sich dabei ganz einfach, indem wir den Vordergrund unseres Bildes noch während der Blauen Stunde schiessen, dann die Kamera stehen lassen und den Rest dann zum richtigen Zeitpunkt in der Nacht erstellen. Diese beiden Belichtungen können dann wiederum ganz einfach in Photoshop zusammengebaut werden.
Liest mehr zum Thema Timeblending von Fabio.
Tipp 9 Hilfsmittel
Bei der Planung von Nachtbildern ist es wichtig, dass wir wissen wo beispielsweise die Milchstrasse zu welchem Zeitpunkt steht. Dabei helfen uns Apps wie “Photopills” oder auch “TPE”. Damit können wir ganz einfach jeden beliebigen Ort auf der Welt zu jeder beliebigen Zeit auf einer Karte “besuchen” und es wird uns angezeigt, wo das Zentrum der Milchstrasse, Mond, oder auch die Sonne steht.
Um den Grad der Lichtverschmutzung zu überprüfen, empfehle ich die Verwendung einer Light Pollution Karte wie “Dark Sky”.
Tipp 10 Mehrfach Entwicklung
Beim Erstellen einer Panorama Aufnahme der Milchstrasse ist es leider fast nicht möglich mit mehreren Belichtungen zu arbeiten. Da sich die Sterne bewegen (also eigentlich drehen wir uns ja) muss alles ziemlich schnell gehen, weil sonst kein Pano mehr daraus gerechnet werden kann.
Dabei empfehle ich in der Nachbearbeitung das in Lightroom zusammengesetzte Panorama, mehrfach zu entwickeln und dann in Photoshop wie bei einer Mehrfachbelichtung zusammen zu bauen. Mit dieser Technik können Sie das Maximum aus den RAW-Dateien herausholen. Ganz einfach Vordergrund und Himmel separat entwickeln mit einer virtuellen Kopie und beides optimal bearbeiten.
In meinem vor kurzem erschienenen Video-Kurs ist genau dies eines der Themen und ich zeige das gesamte Vorgehen von der Planung über das Fotografieren bis zur Bearbeitung in Lightroom und Photoshop.
Outro
Ich hoffe ich konnte Ihnen den Einen oder Anderen wertvollen Tipp mit auf den Weg geben. Es ist meistens nicht ganz einfach, gewisse Dinge mit wenigen Worten zu erklären, da es doch etwas Vorstellungsvermögen (auch meinerseits) braucht. Wie oben schon erwähnt habe ich vor kurzem die ersten beiden Teile meiner Tutorialreihe veröffentlicht. Dabei widme ich mich diesem und vielen anderen Themen in vollem Umfang und zeige in über 2h Videomaterial pro Thematik, wie ich vorgehe. Wem auch das nicht genügt, der kommt am besten einfach mal mit mir auf eine Fotoreise oder an einen meiner Workshops.
In diesem Sinne: Bis bald
Fabio
Verwendete Objektive: