Compact Life © Timo Klein

Compact Life in Hong Kong – Ein Interview

Der Fotograf Timo Klein wurde von Alec Chrichton von souvenirs from earth über seine Serie Compact Life interviewt. Wir freuen uns dieses Interview mit Euch teilen zu dürfen.

Mit Timo Klein kam ich 2013 zum ersten mal ins Gespräch. Ein großer schwarzer Kasten mit einer Stadtaufnahme leuchtete durch sein Fenster – zu Beginn hielt ich es für einen Schrank oder eine Bar. In unserem ersten persönlichen Gespräch erfuhr ich, dass es eine Installation mit dem Namen „Compact Life“ ist. Heute sitzen wir zusammen und führen ein Gespräch über die gesamte Serie „Compact Life“.

AC: Das Thema Stadt durchzieht die meisten deiner Arbeiten, inwiefern inspiriert dich die Stadt?
TK: Großstädte sind ein Ort der Begegnung, wo unterschiedliche Menschen und ihre Sichtweisen aufeinander treffen. Das alles in einer meist statischen Form, zumindest bei Compact Life. Keiner weiß, wer in diesen Wohnhäusern lebt, vielleicht kennen sich noch nicht einmal die Nachbarn. Stellen Sie sich vor, hinter jedem Fenster wohnt ein anderer Mensch. Das und noch viel mehr ist Großstadt.

AC: Warum sind in deinen Arbeiten keine Menschen zu sehen?
TK: Stadtraum ist auch immer Lebensraum der Menschen. Somit sind Menschen immer Teil der Serie. Bei „Compact Life“ sind Menschen nicht Teil der Arbeit, das liegt daran, dass ich diese bewusst weggelassen habe. In Compact Life steht der Lebensraum der Menschen im Fokus. Wenn es darum geht, ein Abbild des Menschen zu erstellen, so ist dies für mich eine andere Form der Auseinandersetzung. Diese findet sich bei mir in anderen Arbeiten wieder. 

AC: Compact Life spielt in Hong Kong und Shanghai. Du bist aber auch viel in anderen asiatischen Städten unterwegs. Wie findest du Zugang zu den Städten und Menschen?
TK: Ich habe das Gefühl, dass ich von jeder Reise mindestens eine Hand voll neuer Freunde mitbringe. Meist sind es gute Menschen, die ich erst vor Ort kennenlerne. Es macht Spaß gemeinsam mit ihnen unterwegs zu sein und zu fotografieren. Dadurch sind viele zu richtigen Freunden geworden, die ich auch immer wieder treffe.

AC: Das heißt, du triffst Fotografen bzw. Künstler auf deinen Reisen?
TK: Ja, ich treffe oft andere Künstler, besuche Ausstellungen und knüpfe auch Kontakte im Vorhinein. Einmal angekommen in einer Stadt entwickelt sich dann mitunter eine neue und bereichernde Perspektive auf die Idee, die ich ursprünglich mitgebracht habe. Es entsteht ein positiver sich gemeinsam befruchtender Austausch.

AC: Wie kommst du in die fremden Wohnung oder auf die Dächer, von wo du die Fotos machst?
TK: Durch die Tür.

AC: Ok. Musst du denn da nicht irgendwelche Sicherheitskontrollen überwinden oder stehen dort alle Türen offen?
TK: Hmm, das ist einfach Teil der Aufgabe, die ich bewältigen musste für „Compact Life“…und das hat richtig viel Spaß gemacht.

AC: Wie erlebst du die Menschen in Asien?
TK: Ich erlebe die Menschen als freundlich und hilfsbereit, auch wenn oft viele nicht verstehen, warum ich auf einen Balkon oder ein Dach möchte. Am Ende helfen sie mir dann doch.

AC: Du hast kein Studium im Bereich Fotografie oder Kunst absolviert. Wie hast du bzw. wurde dein Blick für Motive geschärft?
TK: Ich habe früher schon analog fotografiert. 2006 kam ich mit der digitalen Fotografie so richtig in Kontakt. 2009 stand ich auf dem Dach des 63. Stockwerks eines Hochhauses in Bangkok und richtete die Kamera über die Stadt. Als dann 25 Sekunden später ein dunkler Fleck als grün erleuchteter Park erschien, war für mich ziemlich schnell klar, dass ich das weiter machen muss. Die Kamera zeigt einem Orte, die der Mensch nicht mehr sieht oder genau in diesem Moment ausblendet.

AC: Hat dich jemand in deiner Laufbahn besonders beeinflusst?
TK: Ich denke, von jedem Menschen, der einem begegnet, nimmt man etwas mit. Es ist ein stillschweigender oder auch offensichtlicher Austausch. Wichtig ist, dass dieser Austausch bewusst wahrgenommen wird.

AC: Du warst mehrmals in Asien zum Fotografieren. Was treibt dich an?
TK: Bezogen auf die Arbeiten von „Compact Life“ ist es das Leben, das in den fotografierten Städten stattfindet. Es ist anders als hier in Deutschland. Die Städte bewegen sich nicht 12 Stunden am Tag – sondern 24 Stunden. Es gibt kein Ende, die Stadt ist immer aktiv, immer ein Geräusch, immer etwas neu. Es ist auch immer eng und kompakt, immer Ablenkung und Begegnung zugleich. Was mich neben diesen Spannungsfeldern vor allem antreibt ist die „Freiheit“, auf einem der Dächer zu stehen und diesen endlosen Blick über die Betonlandschaft zu haben.

AC: Für „Compact Life“ bist du ja nicht immer nur in den Zentren der Städte unterwegs. Inwiefern formen die Wohnungen, Balkone oder Dächer, von denen aus du fotografierst, deine Arbeit? Wie findest du diese Perspektiven?
TK: Beim Erkunden der Städte richte ich meinen Blick meist nach oben, ich suche nach Fassaden und Strukturen. Wenn ich etwas sehe, was mich reizt, versuche ich mir vorzustellen, wie es aus der Mitte der Stadt heraus aussieht. Einmal einen solchen Punkt gefunden ist es entscheidend, die richtige Höhe für das Bild zu erreichen. Damit steht und fällt alles. Im wahrsten Sinne des Wortes, da stürzende Linien bei „Compact Life“ nichts zu suchen haben. Viele der Plätze zum Fotografieren kommen auch aus meinem Netzwerk heraus oder durch vorher durchgeführte Recherchen.

AC: Wenn du dann wieder in Deutschland bist. Zeigst du deine Arbeit Freunden oder einem Zirkel ausgewählter Personen, bevor es in eine Ausstellung geht? Bist du geheim haltend oder wie gehst du vor?
TK: Es ist schon so, dass ich die Fotos erst einmal mit meiner Frau bespreche. Sie ist eine der größten Kritikerinnen mit einem ganz eigenen Blick auf meine Arbeiten. Selbstverständlich zeige ich Arbeiten auch Freunden oder Menschen, die im Atelier vorbeikommen. Allerdings sind das alles auch nur einzelne Ausschnitte. Die Gesamtheit von Compact Life werden viele erst jetzt sehen. Dieses Buch ist das erste Mal, dass alle Arbeiten bis auf die Installation „Compact Life“ an einem Ort vereint sind.

AC: Wie reagieren die Menschen in den Ausstellungen. Was fragen sie dich?
TK: Eine der meist gestellten Fragen ist: „Leben die Menschen wirklich so?“ Es ist vielfach unvorstellbar für die Besucher, dass Menschen so dicht an dicht leben. Die Besucher hinterfragen die Arbeiten auch sehr kritisch. Viele können sich nicht vorstellen, dass die Bilder real sind. Ich antworte dann meist: „Aber ja, die Arbeiten zeigen genau das, was da ist.“ Oft werde ich auch gefragt, ob die Arbeiten zusammengeschnitten oder montiert sind.

AC: Und sind sie montiert?
TK: Nein, die Arbeiten zeigen genau das, was ich gesehen und erlebt habe. Authentisch, real und ungeschönt.

Zur Serie Compact Life ist 2015 ein Katalog (ISBN: 978-3-00-049781-0) erschienen. Weiterhin gibt es eine limitierte Collectors Box (45+5AP) mit einer Originalarbeit (Hong Kong #1502) des Künstlers. Beide Versionen sind über Timo Klein direkt erhältlich unter: hallo@tkph.de

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