Langzeitbelichtung – Der Blick der Götter
Nur wenige Techniken der Fotografie faszinieren den Betrachter wie die Langzeitbelichtung. Sie zaubert aus fließenden Gewässern Schleier, webt Wolken zu lila Träumen und ermöglicht uns den Blick in die Sterne. Sie schafft es das Auge des Fotografen aus der starren Zeit zu lösen und erfordert höchst Handwerkliches schaffen.
Für mich stellt die Langzeitbelichtung und ihr ferner Freund die HDRI-Fotografie (High Dynamic Range Image) die Zen-Kunst der Fotografie dar, denn sie bietet, ähnlich der technisch wesentlich anspruchsvolleren High-Speed-Fotografie, einen Blick, den nur zeitlose Hindu-Götter genießen können.
Welche Technik brauche ich für die Langzeitbelichtung?
Doch kommen wir aus dem hinduistischen Pantheon auf den Boden der Tatsachen. Was brauche ich also zur Langzeitbelichtung? Diese Frage hängt im Grunde genommen von der Art der Langzeitbelichtung ab. Denn auch wenn viele Fotografen der Meinung sind, dass Langzeitbelichtung erst mit der Nutzung des Bulb-Modus beginnt, so zeigt sich schnell, dass man bereits bei der Manipulation von fließendem Wasser oder der bewusst genutzten Unschärfe eines Fahrradfahrers Techniken der Langzeitbelichtung anwendet. Langzeitbelichtung beginnt für mich also bereits ab einer Belichtungszeit von 1/10 bis 1/20 Sekunde.
Grundlegend kann man aber sagen, dass man für die Langzeitbelichtung neben der gängigen DSLR oder Systemkamera ein gutes flexibles Stativ, einen Fernauslöser und besonders bei Tag diverse Filter benötigt. Filter sind dann auch das komplizierteste und technischste Mittel das die Langzeitbelichtung einsetzt.
Am wichtigsten sind dabei die Neutraldichte-Filter (ND-Filter), die man in verschiedenen Stärken bekommt und die die Belichtungszeit in der Regel um 10 bis 3 Blendenstufen verlängern. So wird z.B. beim Einsatz eines ND 1000 Filters (10 Blendenstufen) bei einer Belichtungszeit von 1/25 eine Belichtung von rund 30 Sekunden notwendig, um ein gleich belichtetes Bild zu erhalten. Grund hierfür ist, dass der Filter nur 0,1 Prozent des vorhandenen Lichtes durchlässt. Kleiner Tipp am Rande: moderne Kameras können in der Regel nur im Bulb-Modus länger als 30 Sekunden belichten. Hier sollte man also bei längeren Belichtungszeiten zu besagtem Fernauslöser greifen; am besten kabelgebunden.
Doch welchen Filter sollte ich nun nutzen? Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, denn während die einen ganz klar den schraubbaren Rundfiltern den Vorzug geben, nutzen andere Fotografen eher die verschiebbaren Steckfilter. In der Qualität der Filter geben sich beide keine Blöße, sie haben einfach andere Vorteile. So sind Rundfilter wesentlich schneller und einfacher zu handhaben, während Steckfiltersysteme auch den Einsatz von ND-Verlaufsfiltern zulassen. Ich selbst nutze beide Sorten von Filtern. Wenn ich allerdings aufwändige Produktionen, wie z.B. das Bild eines Sonnenuntergangs in Südmähren habe, und dabei vier verschiedene Filtertypen gleichzeitig nutzen möchte, dann greife auch ich lieber auf die Variante der Steckfilter zurück.
Da ich öfters die Frage nach meinen Filtern gestellt bekomme: Ich nutze ND-Filter in den Stärken 1000 (10 Blendenstufen), 64 (6 Blendenstufen) sowie 8 (3 Blendenstufen). Zudem noch Polarisationsfilter und verschiedene Verlaufsfilter, mit denen ich z.B. gezielt den Himmel oder die Sonne verdunkeln kann. Auf Farbfilter verzichte ich komplett, da ich die Farbe lieber in einem Bildbearbeitungsprogramm gezielt anpasse und trotzdem eine natürliche Ausgangsbasis im RAW-Format behalte.
Ein gut gemeinter Tipp am Rande: Finger weg von variablen ND-Filtern. Variablen Graufilter besitzen bei der Anwendung keine eindeutigen Richtwerte, so dass man die richtige Zeit- und Blendenkombination schwerlich ermitteln kann. Außerdem neigen variable ND-Filter zu unkontrollierbaren Farbstichen die besonders bei höherer Dichte sichtbar werden. Nutzen Sie daher besser eine Kombination aus verschiedenen Filtern, wenn Sie noch mehr Einfluss auf Ihre Bildgestaltung legen wollen.
Tipps und Tricks für die Langzeitbelichtung
Nun haben Sie alle Technik zusammen und wollen sich das erste Mal der Langzeitbelichtung widmen. Die Grundlegende Frage vor der man dabei zum ersten Mal steht ist: Wie gehe ich eigentlich richtig vor? Nun ob es in meiner Reihenfolge richtig ist oder nicht, das liegt ganz im Auge des Betrachters, doch gleich einem Tee-Meister habe ich mir genaue Abläufe angewöhnt, die ich hier gerne mit Ihnen teilen möchte.
So suche ich mir zunächst ein Objekt, bei dem ich weiß, dass die Langzeitbelichtung auch Sinn macht. Ob ich ein an die Wand gelehntes Fahrrad mit 1/500 Sekunde oder 5 Sekunden belichte wird in der Regel keinen Unterschied machen. Bei einer belebten Fußgängerzone dagegen werde ich bei 5 Sekunden Belichtungszeit eine ganz andere Wirkung erhalten. Ist also das Motiv geklärt, dann baue ich mein Stativ auf und suche mir meinen Ausschnitt. Diesen stelle ich nun zunächst scharf.
Bei der Langzeitbelichtung sollte man alles manuell einstellen und vor allem den Stabilisator am Objektiv ausschalten. Der Stabilisator auf einem Stativ kann bei Langzeitbelichtung zu Unschärfe führen kann und ist nicht nötig. Auch sollten Sie bei kürzeren Belichtungszeiten bis 2 Sekunden die Spiegelvorauslösung Ihrer Kamera nutzen um mögliche Vibrationen auf ein Minimum zu reduzieren.
Haben Sie also alle Ihre Einstellungen gemacht und scharf gestellt, so wählen Sie den passenden Filter für die Gestaltung Ihres Bildes. Bei der Belichtung können Sie eine Tabelle zu Rate ziehen oder die Zahlenwerte in eine Smartphone-App eingeben. Mit der Zeit bekommen Sie auch ein Gefühl für die richtige Belichtung. Spielen Sie auch ruhig mal mit einer Belichtungsreihe z.B. bei Bewegung oder bei fließendem Wasser um die verschiedenen Möglichkeiten der Langzeitbelichtung kennen zu lernen.
Im Weiteren möchte ich Ihnen kurz die Möglichkeiten der Langzeitbelichtung bei verschiedenen Licht- oder Tagesverhältnissen erläutern.
Langzeitbelichtung am Tag
Die Langzeitbelichtung am Tag ist im gleißenden Sonnenlicht eine Herausforderung und Bedarf nicht selten des Einsatzes von zwei ND-Filtern. Auch lassen sich ND-Verlaufsfilter bei hellem Himmel gut einsetzen. Langzeitbelichtung am Tag wird gerne eingesetzt um seidiges Wasser bei Wasserfällen, Fließgewässern und Wellen zu schaffen oder um dramatische Wolkeneffekte zu erzeugen. Auch wird die Langzeitbelichtung bevorzugt bei der Architekturfotografie eingesetzt um störende Personen zu ‚entfernen‘.
Langzeitbelichtung zur Goldenen oder Blauen Stunde
Langzeitbelichtung zur Goldenen oder Blauen Stunde ist wohl das häufigste Einsatzgebiet dieser Technik. In der Tat werden Sonnenuntergänge mit Filtern und längeren Belichtungszeiten zu magischen Momenten und zur Blauen Stunde glänzt die Langzeitbelichtung, durchaus in Verbindung mit der HDRI-Fotografie, durch Details und kräftige Farben.
Langzeitbelichtung des Nachts
Ist man dann des Nachts unterwegs, so ist dieLangzeitbelichtung ein ständiger Begleiter. Dank dieser und in Verbindung mit der HDRI-Fotografie kann man bei niedrigen ISO-Werten für da menschliche Auge nicht mehr sichtbare Details und sogar Farben im Bild bannen. Langzeitbelichtung an Straßen oder in Metropolen schafft zudem fantastische Lichtspuren.
Eine Besonderheit in der Nachtfotografie ist sich die Fotografie des Sternenhimmels. Hier muss man eine gute Balance zwischen LZB und niedriger ISO finden um zum einen die Sterne ohne Spuren zu erwischen und zum anderen genug Details bei vertretbarem Rauschen hat. Auch hier gibt es Smartphone-Apps die ihnen die passende Kombination aus Belichtungszeit und Brennweite verraten um gestochen scharfe Sterne zu erhalten.
Ein weiterer Tipp am Rande: Den Nachthimmel können Sie nur bei möglichst geringer Lichtverschmutzung fotografieren; also abseits der Großstädte und selbst Dörfer im fernen Pakistan können da hinderlich sein. Ich selbst fotografiere besonders gern den Nachthimmel über unserem Dorf in Südmähren und hatte hier das Glück bei meiner letzten Aufnahme gleich neben dem Großen Wagen noch eine Sternschnuppe zu sehen.
Langzeitbelichtung und HDRI
Auch wenn die HDRI Fotografie in der Regel ohne Filter auskommt, so macht die Nutzung von Belichtungsreihen, die insbesondere zur Blauen Stunde, des Nachts oder in dunklen und schattigen Ecken erfolgt, lange Belichtungszeiten notwendig. Nicht selten deckt sich die Langzeitbelichtung daher mit der HDRI-Fotografie.
Der Blick der Götter
Mit diesen letzten Worten möchte ich dann auch den kurzen Ausflug in die Welt der Langzeitbelichtung beenden. Ich hoffe, dass ich Sie dazu ermutigen konnte sich dieser Technik zu bedienen, auf das auch Sie den Blick der Götter in Ihren Bildern wiederfinden und die Ruhe und Kraft der Langzeitbelichtung zu schätzen lernen, wie ich es bereits getan habe.