Portraitfotografie © Jonas Hafner

An sich selber zweifeln und doch nicht aufgeben

Bevor uns hoffentlich bald die perfekte Welle erreicht und Juli auf dem Kalender steht, nutze ich die letzten Tage dieses Monats, um über die Selbstzweifel in der Fotografie zu sprechen, die einen früher oder später einholen wie Usain Bolt beim 200-Meter-Lauf.

Portraitfotografie © Jonas Hafner

Es wird immer Menschen geben, die besser sind als man selbst, erfolgreicher oder noch schlimmer: Beides. Auch wenn Erfolg und Geld nicht zwangsläufig miteinander einhergehen, so ähneln sie sich doch: Man kann ohne ganz schön weit kommen, aber je mehr man davon hat, desto einfacher werden viele Dinge. Würden aber alle nur noch dem Erfolg hinterher eifern, sähen die meisten Bilder irgendwann so aus wie jeder große deutsche Radiosender klingt.

Es geht nicht nur um Likes

Erstaunlich viele Fotografen und Fotografinnen gehen trotzdem ihren eigenen Weg, wofür ich sie sehr bewundere. Während sie nachts unterwegs sind und fotografieren, bekommen andere aus Angst vor einer sinkenden Reichweite kaum ein Auge zu. Doch der Weg, den andere bestreiten, muss nicht unbedingt der richtige für einen selbst sein. Ich sitze beispielsweise nicht stundenlang vor einer Nähmaschine, um an einem teurem Shootingkleid zu arbeiten, das ich dann, zusammen mit 75 Kilogramm Requisiten und einer Nebelmaschine ins Auto packe, nur um damit im Morgengrauen drei Stunden lang zu der von mir vor Monaten ausgesuchten Location zu fahren.

Portraitfotografie © Jonas Hafner

Und nein, ich besitze auch kein Notizbuch mit einem alten, vergilbten Ledereinband, in welches ich meine Bildideen schon mehrmals mit Kohlestiften aufgezeichnet habe und nur noch auf den richtigen Moment und das passende Wetter warte, um sie genau so umzusetzen. Ich habe zudem noch nie kleine Babykätzchen aus dem Tierheim entführt und sie als Shootingaccesoire eingesetzt. Na gut, ich bezweifle, dass das schon jemals jemand gemacht hat, aber was tun manche nicht alles für ein paar zusätzliche Likes?

Vielleicht sollte man sich irgendwann fragen, warum man eigentlich fotografiert. Mich hat es beispielsweise nie sonderlich interessiert Geld mit der Fotografie zu verdienen. Natürlich finanziert sich ein neues Objektiv nicht einfach so und wenn es sich ergibt, freue ich mich jedes Mal sehr darüber. Aber ich wollte nie nach der 600. Gegenlichtaufnahme noch die Hochzeitstorte fotografieren müssen. Seine Follower anzuhäufen wie das Laub im Herbst führt auch nicht zwangsläufig zu besseren Bildern. Mir geht es vor allem darum ein Stück weiter auf dem Weg zu kommen und nicht alleine zu laufen.

Man darf auch mal hinfallen

Ich weiß noch genau wie ich damals das erste Mal versucht habe mein kleines, sicheres Nest zu verlassen. Es war irgendwann im Sommer vor einigen Jahren, als ich mich auf der Ausstellung einer Fotografin wiederfand, deren Arbeiten ich sehr schätzte. Ich hätte mich am liebsten den ganzen Abend mit ihr unterhalten, aber am Ende stand ich nur still neben ihr und habe kein Wort aus meinem Mund herausgebracht. Als ich später wieder durch meine Wohnungstür schritt, fasste ich mir ein Herz und schrieb sie mit der Frage an, ob sie nicht einmal Lust hätte vor meiner Kamera zu stehen. Es war für mich einfach an der Zeit meine Flügel auszuprobieren.

Portraitfotografie © Jonas Hafner

In amerikanischen Serien hätte das sicher funktioniert, aber im richtigen Leben bekam ich eine krachende Absage. Aber wie heißt es so schön: Ein Arzt (im damaligen Fall ein Medizinstudent) darf niemals aufgeben! So verfasste ich wenige Tage später eine weitere Nachricht, dieses Mal an eine andere Fotografin, deren Arbeiten ich ebenfalls schon sehr lange bewunderte. Anstatt mit der Tür ins Haus zu fallen, bot ich an ihr bei einem Shooting zu assistieren, falls sie einmal Hilfe benötigen würde. Auch wenn die Frage eine andere war, so blieb es doch die selbe Antwort.

Ich ließ mich davon nicht unterkriegen, ging meinen Weg und machte weiter Bilder. Der Herbst zog ins Land und plötzlich flatterten kurz nacheinander zwei Freundschaftsanfragen in mein Postfach. Da fällt mir ein, ich muss langsam anfangen meine Koffer zu packen, da ich die Tage zusammen mit einigen Freunden auf die Faröinseln verreise. Dort werde ich auch zwei vertraute Gesichter wiedersehen. Vielleicht könnt ihr euch schon denken wer gemeint sein könnte. Es scheint als hätte ich das Fliegen doch noch gelernt – zumindest für den Moment.

Portraitfotografie © Jonas Hafner

Alle Artikel von Jonas Hafner auf dem SIGMA Blog:

Aufzehengehen – Jonas Hafner und die Portraitfotografie
Das Gesicht vor der Kamera – Models suchen und finden
Portraitfotografie – Den eigenen Weg finden

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